Die internationale Steuertransparenz und die Bekämpfung von Steuervermeidung und -hinterziehung durch multinationale Unternehmen (MNEs) sind in der heutigen globalisierten Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Die zunehmende Digitalisierung und die Mobilität von Kapital und Arbeitskräften stellen für Entwicklungsländer jedoch enorme Herausforderungen dar. Diese Länder sind in vielerlei Hinsicht benachteiligt, wenn es darum geht, sich an den internationalen Steuerprozessen zu beteiligen und die globalen Standards zur Steuertransparenz umzusetzen.

Die internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich wird durch verschiedene multilaterale Organisationen und Abkommen wie das Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes unterstützt, das von der OECD und dem Europarat in den 1980er Jahren ins Leben gerufen wurde. Es hat sich zum Ziel gesetzt, die Transparenz im internationalen Steuerwesen zu fördern und die Informationsaustauschpraktiken zwischen den Staaten zu verbessern. Die Einführung des Common Reporting Standard (CRS) im Jahr 2014 und das Multilateral Competent Authority Agreement (MCAA) haben einen bedeutenden Schritt in diese Richtung gemacht, indem sie den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten zur Bekämpfung von Steuervermeidung und -hinterziehung durch multinationale Unternehmen und wohlhabende Einzelpersonen standardisierten.

Dennoch bleibt der Zugang zu diesen multilateralen Steuerkooperationsprozessen für viele Entwicklungsländer weiterhin problematisch. Ein zentrales Hindernis ist der Mangel an Ressourcen, der es vielen dieser Länder unmöglich macht, die erforderlichen technischen und administrativen Kapazitäten aufzubauen, um den internationalen Standards zu entsprechen. Darüber hinaus verweigern viele entwickelte Länder die Zusammenarbeit mit bestimmten Staaten oder engagieren sich nur in ausgewählten Partnerschaften. In einigen Fällen lehnen Staaten die Umsetzung des automatischen Informationsaustauschs (AEOI) ab, da wohlhabende Eliten in ihren eigenen Ländern von der Steuervermeidung profitieren. Diese Ungleichgewichte haben dazu geführt, dass viele Entwicklungsländer wenig von den internationalen Steuerreformen profitieren, und der Kampf gegen Steuervermeidung bleibt eine ungelöste Aufgabe.

Ein weiteres signifikantes Problem ist die hohe Mobilität von multinationalen Unternehmen und hochvermögenden Einzelpersonen, die in der Lage sind, ihre Gewinne und Vermögenswerte in Jurisdiktionen zu verlagern, in denen die Steuergesetze besonders günstig oder sogar nicht existent sind. Besonders im Fall von Steuerparadiesen, die von entwickelten Ländern unterstützt werden, entsteht eine Situation, in der enorme Kapitalflüsse aus den Entwicklungsländern abgezogen werden, ohne dass diese Länder von den daraus resultierenden Steuerzahlungen profitieren. Dieses Ungleichgewicht verschärft die Armut und verringert die Fähigkeit von Entwicklungsländern, in ihre Wirtschaft und soziale Infrastruktur zu investieren.

Die OECD und die G20 haben auf diese Probleme reagiert und das BEPS-Projekt (Base Erosion and Profit Shifting) ins Leben gerufen, das 2015 mit einer Reihe von 15 Maßnahmen zur Reform der internationalen Steuerpraktiken abgeschlossen wurde. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, den internationalen Steuervermeidungsmethoden der multinationalen Unternehmen entgegenzuwirken, insbesondere durch die Vermeidung von Steuerabkommen und der Manipulation von Verrechnungspreisen, die es Unternehmen ermöglichen, Gewinne künstlich in Niedrigsteuerländer zu verlagern. Für Entwicklungsländer stellt sich jedoch die Herausforderung, dass sie oft über nicht genügend Ressourcen verfügen, um diese Praktiken effektiv zu bekämpfen.

Ein Aspekt, der zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Steuerpolitik im digitalen Bereich. Digitale MNEs, die weltweit Waren und Dienstleistungen anbieten, ohne physisch in den Ländern präsent zu sein, stellen die traditionellen Steuerkonzepte vor neue Herausforderungen. Während viele entwickelte Länder erfolgreich Mehrwertsteuer auf grenzüberschreitenden Onlinehandel erheben, haben viele Entwicklungsländer Schwierigkeiten, ähnliche Systeme zu implementieren. Die Einführung von elektronischen Mehrwertsteuersystemen (z. B. im EU-Raum) bietet zwar einen Lösungsansatz, aber für viele Entwicklungsländer bleibt die Umsetzung aufgrund der begrenzten Infrastruktur und Expertise eine große Hürde.

Darüber hinaus hat die zunehmende Digitalisierung und die damit verbundene Zunahme des grenzüberschreitenden Handels die Bedeutung der internationalen Steuervermeidung weiter verstärkt. Es gibt zunehmende Bemühungen, digitale Unternehmen stärker zu besteuern, indem man ihnen eine steuerliche Präsenz in den Ländern zuschreibt, in denen sie Einnahmen erzielen. Die Einführung neuer Prinzipien, wie der Zuweisung von Besteuerungsrechten auf den Konsumort, wird als notwendiger Schritt zur Bekämpfung der Steuervermeidung durch digitale Unternehmen betrachtet. Jedoch sind nicht alle Entwicklungsländer in der Lage, diese neuen Regelungen umzusetzen, was zu einer weiteren Benachteiligung führt.

Für Entwicklungsländer ist es daher unerlässlich, sich weiterhin aktiv an internationalen Steuerreformen zu beteiligen und auf eine gerechtere Steuerverteilung hinzuwirken. Dies erfordert nicht nur die Anpassung der nationalen Steuerpolitik an die internationalen Standards, sondern auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, die technische Unterstützung und Kapazitätsaufbau bieten können. Es ist ebenfalls von zentraler Bedeutung, dass die Entwicklungsländer sich auf die Bekämpfung der Steuervermeidung konzentrieren, indem sie gegen internationale Steuerschlupflöcher vorgehen und eine faire Besteuerung von multinationalen Unternehmen sicherstellen.

Was steckt hinter der Idee der nachhaltigen Entwicklung und warum scheitern die Ansätze immer wieder?

Die Diskussion um nachhaltige Entwicklung hat sich seit den 1990er Jahren stetig weiterentwickelt. Sie ist eng verknüpft mit dem Ende des Kalten Krieges, dem Aufstieg von Menschenrechten und humanitärer Intervention sowie dem zunehmenden Einfluss von internationalen Entwicklungsagenturen, die zunehmend marktorientierte Ansätze unterstützten. Ein zentrales Element dieses Paradigmas war der Glaube an die Vereinbarkeit von wirtschaftlichem Wachstum und sozialer Gerechtigkeit. Doch dieser Glaube wurde immer wieder erschüttert. Entwicklungsansätze, die sich auf wirtschaftliches Wachstum stützen, haben in der Praxis oft zu wachsender Ungleichheit und ökologischen Schäden geführt. Die Lösung schien immer im nächsten Schritt der Entwicklung zu liegen, jedoch blieb eine tatsächliche Verbesserung aus.

Amartya Sen formulierte die Idee der menschlichen Entwicklung, die den Fokus von rein wirtschaftlichem Wachstum auf die tatsächlichen Lebensbedingungen der Menschen lenkte. Dieser Ansatz passte gut zur individualistischen Ausrichtung der 1990er Jahre, wurde jedoch häufig von der Entwicklungspolitik überlagert, die auf Märkte setzte, ohne die zugrunde liegenden Probleme zu adressieren. Die internationale Gemeinschaft wiederholte stets den gleichen Zyklus: Zunächst verschärfte sich die Ungleichheit, dann griffen humanitäre Interventionen ein, um Krisen zu bewältigen, bevor die Entwicklungspolitik erneut versuchte, den Markt zu stabilisieren. Doch diese Herangehensweise setzte den Entwicklungsprozess fort, ohne dass grundlegende strukturelle Probleme in Frage gestellt wurden.

Nach dem Scheitern der Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) – acht Ziele, die zwischen 2000 und 2015 erreicht werden sollten – wurde der Fokus auf die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) gelenkt. Diese Ziele versprechen, das wirtschaftliche, soziale und ökologische Gleichgewicht zu fördern. Aber wie bereits zuvor bei anderen Ansätzen, bleibt es unklar, wie diese Ziele ohne Konflikte zwischen den einzelnen Dimensionen erreicht werden können. Insbesondere die wirtschaftlichen Ziele, wie die Förderung des Welthandels, kollidieren oft mit den ökologischen Zielen, indem sie die Umwelt zerstören und Ressourcen übermäßig ausbeuten.

Ein weiteres Problem im Kontext der SDGs ist, dass die Idee der nachhaltigen Entwicklung in gewisser Weise als Rechtfertigung für die Fortsetzung globaler Marktmechanismen dient. Während die Prinzipien wie „der Verschmutzer zahlt“ dazu beitragen sollen, Umweltschäden zu regulieren, lösen sie das zugrunde liegende Problem nicht, sondern verschieben es lediglich. In einer zunehmend ungleichen Welt bedeutet „Zahlen“ oft, dass die Reichen das Recht erwerben, die Umwelt weiterhin zu belasten, ohne die Struktur des Marktes selbst infrage zu stellen.

Die Agenda für nachhaltige Entwicklung hat nie grundlegend die Mechanismen der Globalisierung angegriffen, sondern vielmehr versucht, diese in einem „grünen“ Wirtschaftskontext neu zu verpacken. Auch wenn die Idee eines gerechteren Handels und eines verantwortungsbewussten Konsums propagiert wird, bleibt die grundlegende Struktur von Wachstum und Konsum unverändert. Im Kern bleibt das Problem bestehen: Entwicklungsansätze beruhen weiterhin auf dem Wirtschaftswachstumsparadigma, das die zugrunde liegenden Ungleichgewichte und Umweltzerstörungen oft sogar verstärkt.

Die wiederholte Vorstellung von Entwicklung als etwas, das „noch zu erreichen ist“, ermöglicht es, den kapitalistischen Entwicklungsprozess immer wieder neu zu legitimieren, ohne seine fundamentalen Widersprüche zu hinterfragen. Die Illusion eines „besseren Morgens“ wird ständig aufrechterhalten, auch wenn der Tag der tatsächlichen Veränderung nie ankommt. Dies erinnert an die kolonialen Zeitläufte, in denen der „Zivilisierungsauftrag“ als moralische Legitimation für die Ausbeutung der Welt diente – ein Paradigma, das durch nachhaltige Entwicklung nur in modernerer Form fortbesteht.

Die Anwendung der Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung hat eine Reihe von Akteuren mit sehr unterschiedlichen Zielen in den Vordergrund gerückt. Die einen verfolgen das Ziel einer ökologischeren Weltwirtschaft, während andere einfach den Fortbestand des globalisierten Kapitalismus sicherstellen wollen. Doch anstatt grundlegende Veränderungen anzustreben, bieten die nachhaltigen Entwicklungsziele einen Rahmen, in dem sich diese widersprüchlichen Interessen miteinander versöhnen lassen. Die moralische Legitimation wird durch die bloße Behauptung von Zielen wie Umweltschutz oder Menschenrechten erfüllt, ohne dass konkrete Schritte zur Bekämpfung von Ungleichheit oder Umweltzerstörung unternommen werden.

Nachhaltige Entwicklung hat sich als ein Konzept herauskristallisiert, das es dem globalisierten Kapitalismus ermöglicht, sich immer wieder neu zu erfinden und sich als Lösung für die Probleme darzustellen, die er selbst schafft. Während früher vielleicht noch der Glaube an eine mögliche Veränderung vorherrschte, ist heute allgemein anerkannt, dass dieser Prozess lediglich eine Illusion aufrechterhält. Dennoch bleibt die Praxis der Wiedererfindung der Entwicklung ein wirksames Mittel, um anti-kapitalistische Bewegungen zu neutralisieren und von der Notwendigkeit grundlegender Veränderungen abzulenken.

Was letztlich wichtig bleibt, ist die Erkenntnis, dass nachhaltige Entwicklung nicht als Selbstzweck oder als alleiniges Lösungskonzept verstanden werden kann. Sie ist vielmehr ein Werkzeug, das im Kontext globaler Machtstrukturen genutzt wird, um den Status quo zu bewahren. Solange die zugrunde liegenden wirtschaftlichen und sozialen Ungleichgewichte nicht in Frage gestellt werden, bleibt der Traum von einer besseren Zukunft für viele unerreichbar.

Wie können wir durch Fernunterricht die Qualität von Bildung trotz der Krise sichern?

Die COVID-19-Pandemie hat die Bildungssysteme weltweit vor immense Herausforderungen gestellt. Als eine der ersten Reaktionen auf die gesundheitlichen und sozialen Einschränkungen wurde der Fernunterricht als Notlösung etabliert. Dabei kam es jedoch zu einer Reihe von Fragen und Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit und Qualität von Bildung, vor allem in benachteiligten Regionen und Entwicklungsländern. Eine der zentralen Fragestellungen war, inwieweit der Zugang zu Bildungsressourcen in einem digitalen, distanzierten Lernumfeld aufrechterhalten werden kann.

In der UNESCO-Konstitution werden vier wesentliche Prinzipien des Rechts auf Bildung hervorgehoben: Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit und Zugang, universelle Zugänglichkeit sowie Solidarität. Diese Prinzipien sind gerade im Kontext von Fernunterricht von entscheidender Bedeutung. Fernunterricht darf keinesfalls als eine Option angesehen werden, die Bildungsbarrieren für benachteiligte Schüler noch verstärkt. Wenn Zugang zu Lernmaterialien nicht gleichberechtigt gewährleistet werden kann, bedeutet dies eine Diskriminierung aufgrund ökonomischer Bedingungen. So gesehen, sind hochwertige Lernmaterialien nicht nur ein zusätzliches pädagogisches Werkzeug, sondern eine grundlegende Voraussetzung für die Verwirklichung des Rechts auf Bildung.

Besondere Aufmerksamkeit verdient das Prinzip der Chancengleichheit. In einem universellen Bildungssystem müssen Barrieren, die den Zugang zu Bildung und damit zu Lernmaterialien einschränken, abgebaut werden. Dazu gehören nicht nur infrastrukturelle und technische Hindernisse, sondern auch die ökonomischen Bedingungen von Lernenden, die es ihnen möglicherweise nicht erlauben, notwendige digitale Geräte oder Internetverbindungen zu nutzen. In der Zeit von COVID-19 erlebten viele Familien weltweit eine Vertiefung dieser Kluft: Während einige Schüler problemlos an Online-Unterrichtsstunden teilnahmen, blieben andere ohne Zugang zu den nötigen Ressourcen.

Dabei wird das Ziel verfolgt, durch die Nutzung von Informationstechnologien (ICT) das Bildungssystem zu stärken. Der Einsatz von ICT hat das Potenzial, den Unterricht inklusiver zu gestalten, indem er unterschiedliche Lernbedürfnisse berücksichtigt und so die Teilnahme und den Erfolg aller Lernenden ermöglicht. Es wurde festgestellt, dass digitale Technologien insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu Bildungsressourcen eine wichtige Rolle spielen. Jedoch ist die Technologie nur dann ein wirklicher Fortschritt, wenn sie für alle zugänglich und im Unterricht sinnvoll integriert ist.

Ein weiteres fundamentales Prinzip, das die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und insbesondere das Ziel 4 des Bildungsbereichs berücksichtigt, ist der universelle Zugang zu Bildung. Es ist entscheidend, dass der Zugang zu Bildung und Lernmaterialien nicht nur im Hinblick auf den lokalen Kontext, sondern auch im internationalen Rahmen betrachtet wird. Insbesondere die Solidarität zwischen den Ländern wird betont, um Ressourcenengpässe zu überwinden, die insbesondere in Entwicklungsländern bestehen. In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung internationaler Kooperation und technischer Unterstützung unmissverständlich: Der Austausch von Bildungsressourcen und bewährten Praktiken kann die globale Bildungsqualität insgesamt verbessern.

Die Ansätze, die Bildung als Praxis der Freiheit zu begreifen, stellen sicher, dass Bildungsressourcen nicht nur als einfache Wissensvermittlung verstanden werden, sondern als Instrument zur Förderung der menschlichen Fähigkeiten. In Anlehnung an die Fähigkeitstheorie von Amartya Sen und Martha Nussbaum wird Bildung als Mittel betrachtet, um die realen Freiheiten und Chancen der Individuen zu erweitern. Die Frage nach den Fähigkeiten, die einem Individuum ermöglicht werden, ist daher zentral. Diese Fähigkeiten, wie die Fähigkeit zur Selbstbestimmung und zur Verwirklichung des eigenen „guten Lebens“, sind auch das Fundament für das Verständnis von Bildung als Menschenrecht.

Durch die Linse der Fähigkeitstheorie wird das Recht auf Bildung nicht nur als Anspruch auf Zugang zu Wissensressourcen verstanden, sondern als Mittel zur Entfaltung des Potentials jedes Einzelnen. Der Zugang zu qualifizierten Lehrern, guten Lehrbüchern, digitaler Infrastruktur und unterstützenden Materialien ist nicht einfach ein Wunsch, sondern eine Notwendigkeit, um den Anspruch auf Bildung und die damit verbundenen Chancen gerecht umzusetzen.

In Zeiten von Krisen wie der Pandemie sind diese Herausforderungen besonders offensichtlich geworden. Doch auch die Reaktionen und Anpassungen während der Krise haben gezeigt, dass Lösungen möglich sind – wenn wir sie auf Grundlage der Prinzipien der Chancengleichheit und Solidarität entwickeln. Gleichzeitig bleibt zu betonen, dass diese Lösungen nicht temporär oder als Notlösungen betrachtet werden dürfen, sondern als langfristige, strukturierte Investitionen in die Zukunft der Bildungssysteme weltweit.

Wie können geistige Eigentumsrechte und Menschenrechte miteinander in Einklang gebracht werden?

Die Beziehung zwischen geistigem Eigentum und Menschenrechten ist komplex und durch ein Spannungsverhältnis zwischen individuellen Rechten und den Interessen des Marktes geprägt. Während internationale Abkommen zu geistigem Eigentum den Schutz von Urheberrechten und Patenten betonen, ist es zunehmend wichtig, dass diese Rechte nicht als Barrieren für den Zugang zu Bildung und Kultur verstanden werden. Diese Herausforderung betrifft insbesondere Staaten mit begrenzten Ressourcen, die Schwierigkeiten haben, den Zugang zu Bildungsressourcen zu gewährleisten, ohne gegen ihre Verpflichtungen im Bereich des geistigen Eigentums zu verstoßen.

Ein Beispiel für den Versuch, diese beiden Rechtsbereiche miteinander in Einklang zu bringen, ist die Schaffung von Ausnahmen im Urheberrecht, die es Staaten ermöglichen, den Zugang zu Bildung zu erleichtern, ohne gegen die internationalen Abkommen zum geistigen Eigentum zu verstoßen. Solche Ausnahmen sind jedoch nicht immer ausreichend, insbesondere in Ländern, die finanziell nicht in der Lage sind, die notwendigen Ressourcen für den Zugang zu Bildungsmaterialien zu beschaffen. Die bloße Einführung von Ausnahmen für Bildungszwecke reicht in diesen Fällen oft nicht aus, um das Menschenrecht auf Bildung vollumfänglich zu gewährleisten. Der Markt, der durch das Urheberrecht geschützt wird, bleibt für viele Lernende unzugänglich, was die Kluft zwischen denen, die sich den Zugang leisten können, und denen, die ihn nicht leisten können, weiter vergrößert.

Ein bedeutender Fortschritt in der Entwicklung von Ausnahmen, die sowohl das geistige Eigentum als auch die Menschenrechte berücksichtigen, war die Verabschiedung des Marrakesch-Vertrags. Dieser Vertrag, der 2013 von der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) verabschiedet wurde, zielt darauf ab, rund 285 Millionen Menschen weltweit mit Sehbehinderungen oder anderen Druckbehinderungen den Zugang zu Lese- und Bildungsressourcen zu erleichtern. Der Vertrag wird häufig als Paradebeispiel für „Bottom-Up-Gesetzgebung“ bezeichnet, da er aus den Bedürfnissen der betroffenen Gemeinschaften hervorgegangen ist und die Schaffung von Ausnahmen für zugängliche Formate von Büchern und anderen Materialien vorschreibt. Die Auswirkungen des Marrakesch-Vertrags sind weitreichend, da er nicht nur konkrete rechtliche Verpflichtungen für die Mitgliedsstaaten zur Verfügung stellt, sondern auch die Rechte von Menschen mit Behinderungen als Menschenrechte anerkennt.

Wichtig ist dabei, dass der Marrakesch-Vertrag in seinem Rahmen das Universelle Menschenrechtserklärung (UDHR) und die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNCRPD) direkt anspricht und darauf hinweist, dass geistige Eigentumsrechte nicht als Hindernis für die Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen auf den Zugang zu kulturellen Materialien dienen dürfen. Dieser Paradigmenwechsel zeigt sich auch in der Betonung von Inklusion, Nichtdiskriminierung und gleichberechtigtem Zugang zu Wissen und Kultur.

Die Auswirkungen des Marrakesch-Vertrags sind besonders deutlich in Entwicklungsländern, in denen weniger als 1% der veröffentlichten Bücher in zugänglichen Formaten erhältlich sind. Diese „Buchkrise“ hat in den letzten Jahren internationale Aufmerksamkeit erregt, da sie das Ausmaß des Zugangsdefizits für Menschen mit Sehbehinderungen und anderen physischen Einschränkungen verdeutlicht. Durch die Verpflichtung zur Schaffung von Ausnahmen in den nationalen Urheberrechtsgesetzen soll dieser Zugang verbessert werden.

In Bezug auf die institutionellen Mechanismen, die die Durchsetzung von Ausnahmen regeln, zeigt sich, dass die Art und Weise, wie Streitigkeiten über den Zugang zu Bildungsressourcen entschieden werden, stark von der jeweiligen Institution abhängt. In vielen internationalen Streitbeilegungsverfahren, wie zum Beispiel bei der Welthandelsorganisation (WTO), muss ein Staat darlegen, wie er die Anforderungen des Berner Übereinkommens und des TRIPS-Abkommens erfüllt, insbesondere wenn es um Ausnahmen für Bildungszwecke geht. Die juristische Architektur dieser Streitbeilegungsverfahren ist von entscheidender Bedeutung, da sie die Rahmenbedingungen für die Interpretation und Anwendung von Verträgen festlegt. Ein „allumfassender“ Ansatz, bei dem auch die sozialen und kulturellen Ziele eines Landes berücksichtigt werden, könnte jedoch in der Zukunft mehr Raum finden.

Der Umgang mit geistigem Eigentum und Bildung im internationalen Recht zeigt eine schrittweise Verschiebung hin zu einer stärker menschenrechtsorientierten Perspektive, bei der die Rechte der Nutzer – insbesondere der Menschen mit Behinderungen – in den Vordergrund gestellt werden. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines gerechteren und inklusiveren globalen Rechtsrahmens, der sowohl die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen als auch die Prinzipien des geistigen Eigentums in Einklang bringt.

Wie hat das Konzept der Wohltätigkeit das Recht und die Entwicklung im Westen geprägt?

Das Konzept der Wohltätigkeit ist tief mit privaten Eigentumsrechten, Imperialismus und der Vorstellung von Überlegenheit sowie kulturellem Rassismus verwoben. In diesem Zusammenhang kann die Untersuchung englischer Konzepte wie der Wohltätigkeit, die stark mit dem englischen Recht verknüpft sind, dem Rechts- und Entwicklungstheoretiker viel über die westliche Spezifität im Allgemeinen vermitteln. Es ist von Bedeutung, die imperialen Auswirkungen westlicher Spezifität zu betrachten, ebenso wie die komplexe, narrative Kraft von Begriffen, die den menschlichen Fortschritt beschreiben. Daher ist es von Nutzen, die historische Spezifität von Wohltätigkeit zu erforschen, um das zeitgenössische Verhältnis zwischen westlichen Traditionen, Recht und einem anderen Konzept des Guten – der Entwicklung – zu verstehen.

Für diejenigen, die sich mit dem "Recht" im Bereich der Rechts- und Entwicklungstheorie beschäftigen, ist es ebenso hilfreich, das Gute zu betrachten, das in Begriffen wie Wohltätigkeit oder Entwicklung eingebettet ist. „Das Gute“ macht Konzepte wie Wohltätigkeit oder Entwicklung zu überzeugenden Formen der Autorität, die für das Recht und die Gesetzgebung attraktiv sind. Ein üblicher Ansatz zur Erklärung der Beziehung zwischen Recht und Entwicklung ist es, das Recht als ein Instrument zu betrachten, das wirtschaftliche und soziale Entwicklung fördert. Doch man kann diesen Ansatz auch umdrehen, um zu erklären, wie Praktiken des Gemeinwohls wie Entwicklung oder Wohltätigkeit, und sogar der Staat, wenn er als Gemeinwohl betrachtet wird, die Autorität schaffen, um Macht aufgrund eines Anspruchs auf Legitimität auszuüben. Wenn Recht einfach Macht, Gewalt oder Autorität ist, die legitimiert wird, und der moderne Staat der Höhepunkt von Macht, Gewalt und Autorität ist, die durch das Recht legitimiert wird, sollten Rechts- und Entwicklungstheoretiker sich der Rolle bewusst sein, die Konzepte wie Entwicklung und Wohltätigkeit als moralische oder natürliche Imperative gespielt haben, die Staaten dazu befähigen, Souveränität und Jurisdiktion sowohl national als auch international zu erlangen und auszuüben.

Ob als ein Band, das denjenigen, die spezifische Praktiken ausführen, als Preis für die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft von Gläubigen Erfüllung verspricht, oder als eine unveränderliche Gerechtigkeit, die mit menschlicher Erfüllung einhergeht – sowohl Wohltätigkeit unter Christen als auch Entwicklungspraktiken in heutigen Gemeinschaften besitzen eine narrative und normative Kraft in Bezug auf individuelle und gemeinschaftliche Verbesserung. Diese Beobachtungen eröffnen neue Perspektiven, wenn man sich mit der Genealogie der Wohltätigkeit beschäftigt. In diesem Zusammenhang lassen sich drei miteinander verbundene Wege feststellen, auf denen Narrative, Diskurse, Disziplinartechniken und Institutionen der Wohltätigkeit in zeitgenössische Phänomene münden, die für den Bereich des Rechts und der Entwicklung von Bedeutung sind. Diese beinhalten die Objektivierung der Armen, die Konstitution von humanitären Öffentlichkeiten und die Verknüpfung von menschlichem Fortschritt mit westlicher Epistemologie und dem souveränen Staat.

Die Bedeutung der Wohltätigkeit als Konzept geht jedoch über diese gesellschaftlichen und rechtlichen Verflechtungen hinaus. Ursprünglich als christlicher Begriff entwickelt, beschreibt Wohltätigkeit eine absichtsvolle, von Gott inspirierte Lebensweise, die sich aus biblischen Studien speist. Das englische Wort „charity“ stammt vom lateinischen Begriff „caritas“, der in der Vulgata verwendet wurde, um das griechische Konzept der „ἀγάπη“ (agape) zu übersetzen. Agape bezeichnet in den ursprünglichen Texten des Neuen Testaments die liebende Beziehung zwischen Gott und der Menschheit sowie unter den Christen. Durch die Teilnahme an der Wohltätigkeit werden Christen Teil eines christlichen Körpers, der durch die Liebe – ähnlich dem Ideal der ἀγάπη – existiert.

Die christliche Wohltätigkeit ist daher sowohl heilend als auch konstitutiv. Besonders bemerkenswert aus der Perspektive des Rechts und der Entwicklung ist, wie die konstitutive Natur der Wohltätigkeit es der frühen Kirche ermöglichte, ihre Wohltätigkeitsdienste unter der Aufsicht von Bischöfen zu zentralisieren, die mit der Jurisdiktion über soziale Verantwortung und Tugenden betraut wurden. Diese Praxis, die sich während der Ausbreitung des Christentums von Palästina in die griechischsprachige Welt, Syrien und das lateinische Westen in den zweiten und dritten Jahrhunderten vollzog, trug dazu bei, eine christliche Form göttlicher Autorität als öffentliche Autorität zu etablieren. Diese Wohltätigkeit, die als ein Mittel der Erlösung von einzelnen Christen praktiziert wurde, war nicht nur ein Akt der Nächstenliebe, sondern auch ein Instrument zur Etablierung öffentlicher Verantwortung und Macht.

In dieser Hinsicht ist es wichtig zu erkennen, dass sich das Konzept der Wohltätigkeit über Jahrhunderte hinweg weiterentwickelt hat und heute noch in den modernen Diskursen über Entwicklung und internationale Wohltätigkeit präsent ist. Die Verbindung von Wohltätigkeit mit moralischen Imperativen und Rechtsnormen hat nicht nur die Entwicklung westlicher Gesellschaften beeinflusst, sondern auch eine Grundlage für die Autorität moderner Staaten geschaffen, die ihre Souveränität und Jurisdiktion sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene ausüben.

Es ist entscheidend, dass der Leser versteht, dass das, was zunächst als religiöses Gebot begann, sich zu einem sozialen und politischen Instrument entwickelte, das in der Lage war, die westliche Welt zu prägen. Die Auswirkungen dieser historischen Entwicklung reichen bis in die heutigen Praktiken der internationalen Entwicklung und der globalen Wohltätigkeitsorganisationen hinein. Wohltätigkeit hat nicht nur das Leben des Einzelnen beeinflusst, sondern auch das rechtliche und politische Gefüge der Gesellschaften, die sie praktizierten.