Die wachsende Bedeutung von Messung und Indikatoren im Bereich der internationalen Entwicklung hat weitreichende Folgen für die Autonomie von Staaten und die Art und Weise, wie Entwicklung verstanden und umgesetzt wird. Besonders die zunehmende Nutzung von „Big Data“ zur Messung von Entwicklung wirft Fragen auf, wie die Erhebung und Auswertung von Daten die Machtverhältnisse und die politische Gestaltung in der Welt beeinflussen. Die Herausforderung hierbei ist, dass ein Großteil der relevanten Datenquellen aus dem Privatsektor stammt. Diese Daten sind oft nicht nur schwer nachvollziehbar und transparent, sondern können auch die lokal gesammelten Wissensbestände und die Entscheidungsträger in den Entwicklungsländern marginalisieren.

Die Internationalisierung von Messsystemen, die vor allem von Akteuren im Globalen Norden entwickelt werden, führt dazu, dass die lokal erlangten Wissensformen und die institutionellen Prozesse in den Entwicklungsländern untergraben werden. Stattdessen wächst die Macht der Institutionen, die diese Indikatoren entwerfen, und damit auch deren Einfluss auf die Art und Weise, wie Entwicklung definiert wird. Das Wachstum der Bedeutung von „Big Data“ in der Entwicklungspolitik ist Teil eines selbstverstärkenden Kreislaufs, bei dem der Drang nach immer mehr und detaillierteren Daten aus verschiedenen Bereichen des sozialen Lebens fortwährend zunimmt. Diese Entwicklung gefährdet nicht nur die politische Autonomie der Staaten, sondern verstärkt auch die ungleiche Machtverteilung zwischen den Ländern des Globalen Nordens und Südens.

Die Frage, was als Entwicklung zählt, ist tief verwurzelt in den sozialen und politischen Dynamiken zwischen den Ländern. Seit den 1940er Jahren hat sich das Verständnis von Entwicklung als ein Projekt der „Weltbildung“ herauskristallisiert, das von Akteuren im Globalen Norden gestaltet und auf die Staaten des Globalen Südens angewendet wird. Dieses Verständnis von Entwicklung als ein Prozess, in dem die Staaten des Südens durch wirtschaftliche Transformation und Anpassung an die Modelle der entwickelten Staaten „aufgeholt“ werden, basiert auf einer asymmetrischen Beziehung zwischen den Ländern. Insbesondere die Vorstellung, dass die Entwicklungsländer auf eine Art Zielzustand hinarbeiten, der die Entwicklungsländer den wohlhabenden Staaten näherbringt – wie im Fall der Vereinigten Staaten in Harry Trumans Rede von 1949 – hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Definition und Messung von Entwicklung.

Das Konzept der Entwicklung, wie es im Rahmen der internationalen Institutionen und der Entwicklungszusammenarbeit vorherrscht, basiert auf zwei zentralen Mechanismen: der Kategorisierung und der Vergleichbarkeit. Diese Mechanismen ermöglichen es den internationalen Organisationen, Staaten zu klassifizieren und in Bezug auf ihre Entwicklungsstufen zu vergleichen. Dabei wird die wirtschaftliche Leistung eines Landes oft anhand von Indikatoren wie dem Bruttonationaleinkommen (BNE) gemessen. Diese Indikatoren sind jedoch nicht neutral; sie spiegeln die Annahmen und Prioritäten der entwickelten Länder wider und werden zunehmend von denen, die sie entwerfen, kontrolliert und beeinflusst.

Die zunehmende Bedeutung von quantitativen Messmethoden und Indikatoren schafft ein selbstverstärkendes System, in dem die Messung von Entwicklung eng mit den Institutionen verbunden ist, die die Macht über diese Messungen haben. Die Entwicklung als Konzept wird nicht nur durch Daten bestimmt, sondern auch durch die Institutionen, die diese Daten erzeugen und analysieren. Dies führt zu einer verstärkten Zentralisierung der Macht und einer Entwertung von lokalem Wissen und alternativen Perspektiven auf Entwicklung, die nicht in den etablierten Indikatoren erfasst sind.

Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die internationale Entwicklungspolitik sind weitreichend. Die Messung von Entwicklung wird zunehmend von den Standards und Prioritäten globaler Akteure bestimmt, die in der Regel in den industrialisierten Ländern des Globalen Nordens sitzen. Diese Akteure setzen nicht nur die Kriterien für „Entwicklung“, sondern auch die Methoden und Instrumente zu deren Messung. Die Frage, was als Fortschritt oder Verbesserung gilt, wird somit nicht nur durch objektive Kriterien, sondern auch durch politische Interessen und die bestehenden globalen Machtverhältnisse bestimmt.

Es wird immer wichtiger, dass wir verstehen, wie die Mechanismen der Messung von Entwicklung nicht nur technischer Natur sind, sondern auch tief in politischen und wirtschaftlichen Kontexten verwurzelt sind. Dabei ist es notwendig, alternative Perspektiven auf Entwicklung zu berücksichtigen, die nicht nur den ökonomischen Fortschritt messen, sondern auch soziale, kulturelle und ökologische Dimensionen einbeziehen. Die Entwicklung von Pluralität in der Messung und die Einbeziehung von lokalem Wissen sind entscheidend, um eine inklusivere und gerechtere Vorstellung von Entwicklung zu fördern.

Wie das Gemeingut-System die globale Politik verändern könnte

Die gegenwärtige politische und wirtschaftliche Infrastruktur des Kapitalismus basiert auf einer tief verwurzelten Trennung von öffentlichem und privatem Raum, was in den westlichen Demokratien als Grundlage der Demokratie gilt. Doch diese Trennung ist nicht nur historisch gewachsen, sondern wird auch durch die Trennung von rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Institutionen aufrechterhalten. Der Kapitalismus hat in den letzten Jahrhunderten eine politische und wirtschaftliche Struktur hervorgebracht, die den Zugang zu Ressourcen für die Mehrheit der Menschen in vielen Teilen der Welt erheblich eingeschränkt hat, während eine kleine Elite die Kontrolle über die globalen Produktionsmittel behält. Um diese Strukturen zu überwinden, ist es notwendig, ein System zu etablieren, das das Gemeingut in den Mittelpunkt stellt und die politischen Entscheidungen, die mit der Förderung von Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit verbunden sind, neu organisiert.

Das Konzept eines "Globalen Gemeinguts" erfordert eine Veränderung der politischen Infrastruktur. Statt die traditionellen Staaten, die durch neoliberale und kapitalistische Interessen geprägt sind, als Hauptakteure zu sehen, könnte eine neue Form von institutionalisierter Zusammenarbeit entstehen, die in der Lage wäre, auf globaler Ebene soziale und ökologische Ziele zu verfolgen. Solche Strukturen könnten in Form von stabilen, selbstorganisierten Gemeinschaften bestehen, die in der Lage sind, zu handeln, um die Ressourcen unseres Planeten nachhaltig zu verwalten. Diese Gemeinschaften wären nicht nur lokal organisiert, sondern auch durch Netzwerke verbunden, die über nationale Grenzen hinweg auf die Schaffung eines neuen internationalen Rechts hinarbeiten würden.

Ein wesentlicher Aspekt der Veränderung ist die Förderung von dezentralisierten, demokratisch organisierten Kommunen. In vielen Teilen der Welt sind lokale Regierungen bereits stark von zentralisierten, globalisierten Kräften beeinflusst, was ihre Fähigkeit zur eigenständigen Gestaltung und Entscheidungsfindung einschränkt. Einige Städte und Kommunen haben jedoch gezeigt, dass ein neuer Ansatz möglich ist. Initiativen wie der "Neue Kommunalismus" stellen einen Versuch dar, den Staat zu dezentralisieren und eine Form der Wirtschaftsdemokratie zu schaffen, die auf Gemeingütern basiert. Diese Vision könnte nicht nur in städtischen Gebieten, sondern auch in ländlichen Gemeinden umsetzbar sein, in denen eine kollektive Verwaltung von Ressourcen zu einer gerechteren und nachhaltigeren Nutzung führen könnte.

Es gibt bereits zahlreiche innovative Modelle für die Verwaltung von Gemeingütern, die in vielen Städten und Regionen zur Anwendung kommen. So könnte etwa die Wiederbelebung verfallener oder ungenutzter öffentlicher Gebäude und Landflächen denjenigen zur Verfügung gestellt werden, die am dringendsten eine Unterkunft benötigen. Diese Art der gemeinsamen Ressourcennutzung könnte dazu beitragen, Obdachlosigkeit zu bekämpfen und gleichzeitig das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Ressourcenschonung und Umweltverantwortung zu stärken. In Verbindung mit dem "Recht auf Stadt", das von vielen urbanen Bewegungen gefordert wird, könnte dies ein Modell für eine gerechtere Gesellschaft bieten, in der jeder Mensch Zugang zu den grundlegenden Lebensnotwendigkeiten hat.

Gleichzeitig wird die Rolle der Technologie in der Schaffung globaler Gemeingüter zunehmend als zentral angesehen. Es gibt enorme Potenziale, wie technologische Innovationen genutzt werden können, um neue Formen der kollektiven Verwaltung und dezentraler Wirtschaft zu fördern. Von digitalen Plattformen bis hin zu neuen Finanzinstrumenten, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind, gibt es zahlreiche Beispiele, wie Technologie helfen kann, die Kluft zwischen der gegenwärtigen kapitalistischen Infrastruktur und einer neuen, gemeinwohlorientierten Weltwirtschaft zu überbrücken. Diese Technologien könnten nicht nur bestehende Strukturen herausfordern, sondern auch ein neues Verständnis von Eigentum und demokratischer Beteiligung fördern.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Gemeingutsmodells ist die Art und Weise, wie Ressourcen und Eigentum gemeinsam verwaltet werden können. Dabei geht es nicht nur um die Schaffung von öffentlichen oder genossenschaftlichen Besitzformen, sondern auch um die Förderung von Gemeinschaften, die auf den Prinzipien der Solidarität, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit basieren. Eine solche Umgestaltung würde nicht nur auf die Verwaltung von Land und Immobilien, sondern auch auf die Schaffung von Institutionen wie Zeitbanken und kooperativen Landwirtschaftsbetrieben ausgerichtet sein, die in der Lage sind, die lokalen Gemeinschaften mit den grundlegenden Bedürfnissen wie Nahrung und Unterkunft zu versorgen.

Die Möglichkeiten, die durch diese verschiedenen Ansätze zur Verfügung stehen, bieten nicht nur eine theoretische Alternative zu den derzeit bestehenden Systemen, sondern auch konkrete Schritte zur Schaffung einer gerechteren und nachhaltigeren Weltordnung. Die Entwicklung von Gemeinschaften, die sich selbst organisieren und die Kontrolle über ihre eigenen Ressourcen übernehmen, könnte den Weg für eine neue internationale Rechtsordnung ebnen, die auf den Prinzipien des Gemeinguts basiert.

Wichtig ist es, zu verstehen, dass dieser Übergang nicht von heute auf morgen geschehen kann. Die Schaffung eines internationalen Rechts für das Gemeingut erfordert nicht nur die Unterstützung lokaler Gemeinschaften, sondern auch die Schaffung eines Netzwerks von Akteuren, die in der Lage sind, diese Vision politisch und gesellschaftlich zu realisieren. Darüber hinaus muss die Gesellschaft als Ganzes ein neues Verständnis von Eigentum, Demokratie und Nachhaltigkeit entwickeln, das die Interessen der Menschen und der Umwelt in den Mittelpunkt stellt und den kapitalistischen Wachstumszwang hinterfragt.