Die Interaktion in der klinischen Supervision wird zunehmend durch digitale Kommunikationstechnologien beeinflusst, was sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringt. Besonders in Zeiten, in denen Remote-Arbeit und Online-Kommunikation immer weiter an Bedeutung gewinnen, stellt sich die Frage, wie die Qualität der Interaktion in solchen Settings erhalten oder sogar verbessert werden kann. Unsere Forschung, die im Rahmen des Projekts "Reduzierung von Stress und Erhöhung des Nutzens von Remote-Meetings durch physiologische Indikatoren" durchgeführt wurde, untersucht genau diese Thematik und zielt darauf ab, das Verständnis für die Dynamiken der Interaktion in der Online-Supervision zu erweitern.
Ein zentrales Anliegen dieser Forschung ist es, die Auswirkungen der Kommunikationstechnologie auf die Interaktionen in der klinischen Supervision zu untersuchen. Online-Kommunikation unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von persönlichen Begegnungen. So treten im virtuellen Raum häufig Ablenkungen auf, die durch die technologische Umgebung bedingt sind, was zu Unterbrechungen und Schwierigkeiten im Gesprächsfluss führen kann (McColl & Michelotti, 2019). Zudem fehlen in der Online-Kommunikation viele nonverbale Signale, die in face-to-face Interaktionen eine zentrale Rolle spielen und die Kommunikation auf einer emotionalen und sozialen Ebene erleichtern (Blacksmith et al., 2016). Die Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass es trotz dieser Herausforderungen möglich ist, in Online-Supervisionen stabile und zufriedenstellende Beziehungen zu etablieren, die derjenigen in persönlichen Treffen in nichts nachstehen (Woo et al., 2020). In bestimmten Kontexten bietet die Online-Kommunikation sogar Vorteile gegenüber herkömmlichen Treffen, wie einige Studien belegen (Simpson, 2005; Simpson et al., 2001, 2020).
In der systemischen Supervision geht es darum, den Klienten – in diesem Fall den Supervisoren und deren Teams – einen Raum zur Reflexion und zum Austausch zu bieten. Ziel ist es, das Bewusstsein für die eigenen Handlungen und deren Auswirkungen auf das Arbeitsumfeld zu schärfen. In unseren Untersuchungen lag der Fokus auf der Frage, wie durch Online-Supervisionen die Zusammenarbeit und die Reflexion über die berufliche Praxis gefördert werden können. Das Ziel der Supervision war es, den Mitarbeitern zu helfen, ihre Kenntnisse über die Arbeit ihrer Kollegen zu erweitern und gleichzeitig einen Raum zu schaffen, in dem sie Stress im Zusammenhang mit laufenden organisatorischen Veränderungen und den Herausforderungen ihrer Arbeit mit Klienten im Bereich der psychischen Gesundheit und Suchtbewältigung teilen und verarbeiten konnten. Die Supervision hatte zum Ziel, eine kollegiale Zusammenarbeit zu fördern und den Weg für zukünftige Entscheidungen und Handlungen zu ebnen.
Interessanterweise haben unsere Ergebnisse gezeigt, dass neben der verbalen Kommunikation auch nonverbale und physiologische Aspekte eine wichtige Rolle in der Qualität der Interaktion spielen. Diese Erkenntnis basiert auf der neuesten Forschung zur affektiven und verkörperten Kommunikation in sozialen Interaktionen (Cromby, 2012). Es wurde zunehmend anerkannt, dass die Wahrnehmung und Reaktion auf nonverbale Kommunikation – etwa die Körpersprache, Mimik und Stimmqualität – einen wichtigen Beitrag zur Wahrheitsfindung und Verständigung leisten können. So wurde beispielsweise festgestellt, dass die Online-Kommunikation durch die digitale Distanz diese nonverbalen Elemente reduziert, jedoch nicht völlig eliminiert. Die Multimodalität, die in unserer Untersuchung angewendet wurde, berücksichtigte neben den verbalen Inhalten auch, wie diese Inhalte übermittelt wurden – mit anderen Worten, die Qualität und der Tonfall der Kommunikation, die Körpersprache und sogar physiologische Indikatoren wie die Herzfrequenzvariabilität.
Ein weiteres zentrales Element der systemischen Supervision ist der reflexive Dialog. In diesem Rahmen sind die Beteiligten eingeladen, ihre Handlungen aus einer kritischen Perspektive zu betrachten und die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf das größere System zu verstehen. Der Supervisor übernimmt dabei nicht die Rolle eines Experten im Fachgebiet der Supervidierten, sondern agiert als Gesprächspartner und Koordinator, der den Dialog anregt und neue Perspektiven eröffnet. Dies stellt sicher, dass die Supervision nicht nur eine einfache Überprüfung von Arbeitspraxis darstellt, sondern eine tiefere Reflexion und eine Weiterentwicklung des gesamten Teams anstößt.
Die Herausforderungen der digitalen Kommunikation, insbesondere die Reduktion nonverbaler Kommunikation, erfordern eine Anpassung der klassischen Modelle der Supervision. In der Online-Umgebung kann der Supervisor durch gezielte Techniken – etwa durch bewusste Pausen, direkte Fragen und den Einsatz von Visualisierungen oder anderen digitalen Hilfsmitteln – den Dialog so gestalten, dass auch die nonverbalen Dimensionen der Kommunikation berücksichtigt werden. Der Einsatz von Video-Calls bietet hier einen erheblichen Vorteil, da die visuelle Komponente wenigstens einen Teil der Körpersprache zurückbringt, was in Audio-only-Sitzungen nicht möglich wäre.
Dennoch bleibt die Frage, wie man die positiven Effekte der traditionellen Supervision aufrecht erhalten kann. In der traditionellen persönlichen Supervision spielen die physische Nähe und der direkte Kontakt eine wichtige Rolle. In der Online-Welt muss der Supervisor zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um eine ähnliche Atmosphäre der Nähe und des Vertrauens zu schaffen, was durch die Interaktion mit der Technologie und der digitalen Distanz erschwert wird. Der Schlüssel liegt darin, bewusst Räume zu schaffen, in denen sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegnen können, auch wenn dies virtuell geschieht.
Für den Leser, der sich intensiver mit den Herausforderungen und Vorteilen der Online-Supervision auseinandersetzen möchte, ist es wichtig, sich nicht nur auf die Technologie als isoliertes Werkzeug zu konzentrieren, sondern auch die Bedeutung des Dialogs und der Interaktionsdynamik zu verstehen. Die Qualität einer Supervision hängt maßgeblich von der Art und Weise ab, wie diese Interaktionen gestaltet werden – durch aktives Zuhören, gezielte Fragen und den Austausch von Perspektiven. Darüber hinaus sollte die Bedeutung der Reflexion in einem sicheren Raum hervorgehoben werden, um zu verhindern, dass Online-Kommunikation lediglich zu einer oberflächlichen Wissensvermittlung wird, ohne die tiefere, persönliche Auseinandersetzung mit dem beruflichen Selbst und den eigenen Handlungen zu fördern.
Wie Online-Gruppenaufsicht die Reflexion und Zusammenarbeit unter Fachleuten fördert
In einer Gruppensitzung zur Fallbesprechung wird nicht nur der Fall eines Patienten analysiert, sondern auch ein wichtiger sozialer Prozess der Zusammenarbeit, des Austauschs und der Reflexion gefördert. Während der Sitzung beobachten wir, wie jeder Teilnehmer, unabhängig von seiner beruflichen Position, wertvolle Beiträge zur Diskussion liefert und gleichzeitig auf die Beiträge der anderen reagiert. Dies zeigt die Bedeutung einer kooperativen Haltung in der professionellen Fallbesprechung, die auf gegenseitigem Respekt und einem offenen Austausch von Perspektiven beruht.
Ein bemerkenswerter Moment in der Diskussion tritt auf, als P11, dessen Video zunächst eingefroren war und dessen Teilnahme an der Konversation zunächst schwer zu beurteilen war, nach 32 Sekunden in das Gespräch eintritt. Seine Reflexionen über die Symptome und psychischen Schwierigkeiten des Patienten geben dem System neue Informationen und ermöglichen einen weiteren Blickwinkel auf den Fall. P11’s Vorschlag einer multi-professionellen Behandlung, die psychiatrische Konsultationen und Psychotherapie umfasst, bietet nicht nur eine neue Perspektive auf die Behandlung des Patienten, sondern zeigt auch, wie durch aktives Zuhören und die respektvolle Eingabe von Ideen konkrete Lösungsansätze für die Behandlung entwickelt werden können.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die nonverbale Kommunikation, die in solchen Diskussionen eine entscheidende Rolle spielt. Die Teilnehmer zeigen durch Nicken und Notizen, dass sie die Äußerungen von P11 ernst nehmen. Diese Art der nonverbalen Bestätigung ist nicht nur eine höfliche Geste, sondern ein Teil des interaktiven Prozesses, der es ermöglicht, dass jeder Beitrag zur Diskussion als wertvoll erachtet wird.
Im Verlauf der Sitzung stellt der Supervisor sicher, dass jede Stimme gehört wird, indem er P07 aktiv in die Diskussion einbezieht. Zunächst durch technische Probleme mit der Audioqualität abgelenkt, nimmt P07 schließlich aktiv teil, indem sie die Ideen der anderen aufgreift und ihre eigenen Gedanken hinzufügt. Ihre Reflexionen über die Ressourcenorientierung und die Frage, ob die Arbeit mit den positiven Aspekten des Patientenansatzes aufgebaut werden könnte, bringen eine neue Dimension in die Diskussion. Ihre Beiträge sind ein Beispiel dafür, wie unterschiedliche Perspektiven, auch wenn sie auf ähnliche Ideen hinweisen, neue Möglichkeiten für die Arbeit mit dem Patienten eröffnen.
Die technische Infrastruktur des Online-Formats, einschließlich der wiederholten Herausforderungen bei der Audioqualität und der erforderlichen Anpassungen, zeigt die Flexibilität der Teilnehmer und ihre Bereitschaft, diese Hindernisse zu überwinden, um eine effektive Zusammenarbeit zu gewährleisten. Auch die Bereitschaft des Supervisors, diese Herausforderungen anzusprechen und konstruktive Lösungen anzubieten, fördert eine Atmosphäre des gegenseitigen Verständnisses und des respektvollen Dialogs.
Die Reflexion über den Fall wird von allen Teilnehmern fortgesetzt, wobei jeder von ihnen etwas Neues zur Diskussion beiträgt. Am Ende der Sitzung wird die Bedeutung des Gesprächs validiert, als P09 dem Team für die Reflexionen dankt und die Nützlichkeit der Diskussion hervorhebt. Der Supervisor unterstützt dies, indem er besonders P13 für seine Beiträge lobt und somit ein positives und kooperatives Klima in der Gruppe aufrechterhält.
Die Diskussion wird von einer physiologischen Analyse begleitet, die interessante Einblicke in den Zustand der Teilnehmer gibt. Die Analyse der Herzratenvariabilität (HRV) zeigt eine positive Veränderung bei den Teilnehmern P09 und P13, was auf eine zunehmende physiologische Entspannung während der Sitzung hinweist. Dies lässt sich als Indikator für die Wirksamkeit der Gruppendynamik deuten, bei der die Teilnehmer sich zunehmend entspannen, wenn sie sich aktiv und respektvoll in den Austausch einbringen. Ein Anstieg der HRV ist in der Regel ein Zeichen für eine gesteigerte emotionale und physiologische Entspannung, was auf den Erfolg des Dialogs und der Zusammenarbeit hinweist.
Ein weiteres wichtiges Element dieser Gruppenaufsicht ist die Rolle des Supervisors. Der Supervisor stellt sicher, dass die Sitzung in einem gleichwertigen, offenen Dialog geführt wird, indem er den Teilnehmern Raum gibt, ihre Gedanken zu äußern, und nicht als alleiniger Entscheidungsinstanz agiert. Diese Art der moderierten Zusammenarbeit fördert nicht nur das Vertrauen zwischen den Teilnehmern, sondern ermöglicht es auch, dass alle Stimmen gehört und berücksichtigt werden.
Die Atmosphäre der Sitzung bleibt durchweg positiv, was durch das Lächeln der Teilnehmer und die offene Kommunikation unterstrichen wird. Dies zeigt, wie wichtig eine respektvolle, wertschätzende Umgebung für die produktive Diskussion und Reflexion von Fällen ist. Ein solches Gespräch fördert nicht nur das Wissen und die Fachkompetenz der Teilnehmer, sondern auch ihre Fähigkeit, als Team zusammenzuarbeiten und voneinander zu lernen.
Wichtig ist dabei, dass solche Sitzungen nicht nur der Fallbesprechung dienen, sondern auch der kontinuierlichen professionellen Weiterentwicklung. Sie ermöglichen es den Teilnehmern, ihre eigenen Fähigkeiten zu hinterfragen, neue Perspektiven zu entwickeln und sich auf der Grundlage kollegialer Rückmeldungen weiterzuentwickeln. Dies stellt sicher, dass der gesamte Prozess nicht nur auf der Ebene der Patientenversorgung, sondern auch auf der Ebene der fachlichen Weiterentwicklung der Fachleute selbst von Bedeutung ist.
Wie digitale Fachzeitschriften die systemische Gemeinschaft in Krisenzeiten stärken
Die Zeitschrift „Systemic Thinking & Psychotherapy“ stellt ein herausragendes Beispiel für die Rolle digitaler Fachpublikationen in der systemischen Therapie dar. Sie wurde 2012, zu einer Zeit tiefgreifender sozialer und ökonomischer Krisen in Griechenland, gegründet und entwickelt sich seitdem als Plattform, die kontinuierlich auf die Herausforderungen der Zeit reagiert. Dieses online verfügbare, zweisprachige, peer-reviewte Journal richtet sich an Fachkräfte, die im Bereich der systemischen Familientherapie tätig sind, und verfolgt das Ziel, den fachlichen Austausch zu fördern, die systemische Therapie voranzubringen und eine Vernetzung von Therapeut:innen in Griechenland und international zu ermöglichen.
Die Bedeutung dieser digitalen Plattform liegt nicht nur in der Zugänglichkeit ihrer Inhalte, die kostenfrei und in mehreren Sprachen bereitgestellt werden, sondern auch in ihrem dialogischen Charakter. Im Sinne von Freire und Macedo (1995) wird Dialog hier nicht als bloßes didaktisches Mittel verstanden, sondern als epistemologische Grundlage des Wissensprozesses. Wissen entsteht in diesem Modell sozial, im gemeinsamen Austausch, wodurch die Zeitschrift über reine Informationsvermittlung hinausgeht und ein lebendiges Lernfeld eröffnet. Dies ist gerade in Zeiten von Unsicherheit, wie während der Pandemie oder anderer gesellschaftlicher Umbrüche, von zentraler Bedeutung, da Lernen und Veränderung eng miteinander verknüpft sind.
Die Entstehungsgeschichte der Zeitschrift und ihre Verbindung zur Vorgängerpublikation „Metalogos“, die seit 2002 besteht, verdeutlicht den Wandel von gedruckten zu digitalen Formaten. Diese Transformation ist nicht nur eine technische Anpassung, sondern eröffnet neue didaktische Möglichkeiten: Interaktivität durch Kommentare, multimediale Inhalte und globale Vernetzung ermöglichen eine dynamische und partizipative Lern- und Diskurslandschaft. Die systemische Gemeinschaft wird so zu einem lebendigen Netzwerk, das sich gemeinsam den Herausforderungen einer komplexen Welt stellt.
Dabei bleibt die Zeitschrift eng verbunden mit der praktischen Realität der Therapeut:innen. Die Folgen von sozialen, politischen und ökologischen Krisen finden Eingang in die veröffentlichten Texte, die sich mit den Auswirkungen auf therapeutische Praxis und Ausbildung auseinandersetzen. Die digitale Plattform fungiert somit als Resonanzraum, in dem sich professionelles Wissen und Erfahrungspraxis verbinden, um neue Handlungswege zu entwickeln.
Diese Entwicklung unterstreicht auch die Bedeutung von Systemdenken für das Verstehen von Zeit, Wissen und Lernen. Zeit wird nicht linear, sondern zyklisch betrachtet – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stehen in einem dynamischen Wechselspiel. In der aktuellen dystopischen Zeit, geprägt von Krieg, Umweltkrisen und gesellschaftlicher Unsicherheit, eröffnet das systemische Denken eine Perspektive, die Veränderung durch dialogische Prozesse ermöglicht. Die Hoffnung auf Wandel und Fortschritt ruht auf dem kollektiven Lernen, das durch digitale Fachzeitschriften wie „Systemic Thinking & Psychotherapy“ unterstützt wird.
Darüber hinaus zeigt sich, dass die Digitalisierung der Fachkommunikation auch eine Demokratisierung des Zugangs zu Wissen fördert. Die Barrierefreiheit der Zeitschrift – kostenlos, online, zweisprachig – trägt dazu bei, Fachwissen global zu verbreiten und den Austausch über kulturelle und nationale Grenzen hinweg zu intensivieren. In einer Zeit, in der Isolation und Unsicherheit das berufliche und private Leben vieler Therapeut:innen prägen, bieten solche digitalen Gemeinschaften Halt und Inspiration.
Wichtig ist zudem das Verständnis, dass systemische Therapie nicht nur eine Methode ist, sondern ein lebendiges, sich stets weiterentwickelndes Feld, das sich den Herausforderungen der Gegenwart stellt. Die kontinuierliche Reflexion über die eigene Praxis und die Offenheit für neue Formen des Lernens und Arbeitens sind unverzichtbar. Digitale Fachzeitschriften leisten hierbei einen essenziellen Beitrag, indem sie Wissen nicht statisch präsentieren, sondern im Dialog mit ihren Leser:innen weiterentwickeln. So fördern sie eine Kultur des gemeinsamen Nachdenkens, die weit über die reine Wissensvermittlung hinausgeht.
Wie beeinflusst Technologie die Dynamik und Struktur zwischenmenschlicher Beziehungen?
Die Herausforderung, die Kluft zwischen dem online präsentierten Leben und dem offline gelebten Dasein auszubalancieren, führt häufig dazu, dass Individuen in beiden Kontexten unterschiedliche, oft widersprüchliche Personas entwickeln. Aus der Perspektive der Objektbeziehungstheorie kann die virtuelle Welt als Erweiterung der inneren psychischen Welt verstanden werden (Eichenberg et al., 2017). So zeigt sich etwa, dass Personen, die im Internet Gewalt tolerieren oder selbst ausüben, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit haben, auch in ihren realen Beziehungen gewalttätige Erfahrungen zu machen (Borrajo et al., 2015; Marganski & Melander, 2018).
Eine besondere Rolle spielt die Ambiguität, die die Online-Kommunikation charakterisiert. Diese Mehrdeutigkeit kann sowohl absichtlich als auch unbeabsichtigt auftreten, etwa durch missverständliche Formulierungen oder die unterschiedliche Interpretation von Symbolen, Emojis oder Abkürzungen (Hertlein, 2012; Hertlein & Twist, 2019). So ist die sogenannte technologische Ambiguität geprägt von einem Mangel an einheitlichem Wissen über elektronische Ausdrucksformen, was zu Kommunikationsstörungen führen kann, wenn Missverständnisse nicht geklärt werden. Zudem können diese Ambiguitäten Machtunterschiede innerhalb von Partnerschaften verstärken, indem der Partner mit besserem technologischem Verständnis einen Informationsvorsprung erlangt.
Neben technologischer existiert auch eine relationale Ambiguität, bei der unklar bleibt, welche Online-Verhaltensweisen innerhalb einer Beziehung als angemessen gelten. Insbesondere bei Themen wie Untreue erschwert das Fehlen klarer Beweise und die Möglichkeit zur Löschung von Nachrichten die Identifikation eines Vertrauensbruchs. Kulturelle und soziale Netzwerke prägen dabei maßgeblich, welche Verhaltensweisen als akzeptabel gelten – von Sexting über das Überwachen von Partneraktivitäten bis hin zum ständigen Engagement mit technischen Geräten. Diese Praktiken beeinflussen das Beziehungswohl und die Qualität der Interaktion stark.
Ambiguität und technologische Mittel bieten jedoch auch Nährboden für Missbrauch. Gaslighting, also die Manipulation, eine Person dazu zu bringen, an ihrer eigenen Wahrnehmung zu zweifeln, findet im digitalen Raum eine neue Bühne. Täter können etwa behaupten, missverständliche oder einschüchternde Nachrichten seien nicht beabsichtigt gewesen, und rechtfertigen ihr Verhalten, was zukünftigen Missbrauch begünstigt (Borrajo et al., 2015). Ökologische Faktoren innerhalb von Familien und sozialen Systemen beeinflussen zudem, wie Regeln zum Umgang mit Technologie entstehen und durchgesetzt werden. Während in manchen Familien strikte Richtlinien gelten, sind andere eher flexibel, was wiederum die Intimität und Verbindung zwischen den Mitgliedern entweder fördert oder behindert.
Technologie verändert auch die Rollenverteilung innerhalb von Familien und Partnerschaften maßgeblich. Kinder und Jugendliche verfügen oft über weitreichendere technologische Kenntnisse als ihre Eltern, was ihnen in der Familienhierarchie eine besondere Machtposition verleiht (Sun & McMillan, 2018; Fletcher & Blair, 2016). Ähnliches gilt für Paare: Wer die digitale Welt besser navigieren kann, hat größere Möglichkeiten zur Selbstdarstellung, aber auch zur Ausübung von Kontrolle, etwa durch Beziehungsüberwachung (Hertlein & van Dyke, 2020). Die Kenntnis von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) bestimmt somit häufig, wer in einer Beziehung mehr Macht hat, was traditionelle Rollenbilder auf den Kopf stellt.
Regeln für den Umgang mit Technologie sind in Familien häufig Gegenstand von Aushandlungen. Eltern und Kinder definieren gemeinsam, was zeitlich und inhaltlich akzeptabel ist, wobei das Verhalten der Eltern maßgeblichen Einfluss auf die Regelbildung der Kinder hat (Hefner et al., 2018). Bei Paaren hingegen herrscht häufig Uneinigkeit darüber, ob und welche Regeln gelten sollen. Studien zeigen, dass Paare oft zufrieden sind, wenn es weniger Smartphone-Regeln gibt (Miller-Ott et al., 2012), doch gleichzeitig erkennen viele, dass technische Verhaltensregeln notwendig wären – ein Paradoxon, das meist mit der Schwierigkeit zusammenhängt, Regeln einseitig durchzusetzen, ohne sich selbst auch daran halten zu müssen.
Die Komplexität digitaler Beziehungen liegt auch darin, dass Technologie sowohl verbindend als auch trennend wirken kann. Sie beeinflusst Machtstrukturen, ermöglicht neue Ausdrucksformen und Formen der Kontrolle, während sie gleichzeitig Unsicherheiten und Missverständnisse schürt. Die Kultur, das soziale Umfeld und individuelle Fähigkeiten im Umgang mit Technik prägen dabei entscheidend, wie Beziehungen gestaltet und erlebt werden.
Es ist wesentlich zu erkennen, dass technologische Mittel nie neutral sind, sondern immer in soziale und emotionale Kontexte eingebettet sind. Der Umgang mit Mehrdeutigkeiten, das Verständnis der kulturellen Normen und der Einfluss technologischer Kompetenzen auf Machtverhältnisse sollten daher in jeder Betrachtung digital geprägter Beziehungen berücksichtigt werden. Nur so kann man die vielschichtigen Dynamiken verstehen, die moderne Partnerschaften und Familien prägen.
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