Die Beziehung zwischen Zinssätzen und Aktienkursen ist ein zentraler Bestandteil der Finanzmärkte und einer der ersten Faktoren, die Anleger bei ihrer Investitionsentscheidung berücksichtigen. Allgemein lässt sich feststellen, dass mit steigendem Zinssatz die Nachfrage nach Aktien sinkt. Dies liegt daran, dass höhere Zinssätze in der Regel die Kosten für Kredite erhöhen, wodurch Investitionen in Unternehmen weniger attraktiv werden. Ebenso wird der Barwert zukünftiger Dividenden, die an Aktionäre gezahlt werden, durch steigende Zinsen geringer, was die Bewertung von Aktien negativ beeinflusst. Diese dynamische Wechselwirkung zwischen Zinssätzen und Aktienkursen zeigt die inverse Beziehung, die zwischen beiden besteht.
Ein weiteres gängiges Bewertungsverfahren für Aktien ist das sogenannte „Vergleichsverfahren“, bei dem der Preis einer Aktie als Vielfaches ihres Gewinns betrachtet wird. Ein Unternehmen könnte beispielsweise als fair bewertet gelten, wenn sein Marktpreis das 10-fache des Jahresgewinns je Aktie beträgt. Diese Zahl ist jedoch nicht fest und kann variieren, je nachdem, wie stark das Unternehmen voraussichtlich wachsen wird. Wird ein höheres Wachstum erwartet, könnte das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auch auf 11, 12 oder mehr steigen, um das zukünftige Wachstumspotenzial zu reflektieren. Ein höherer Aktienpreis kann also gerechtfertigt sein, wenn die zukünftigen Erträge als größer eingeschätzt werden.
Beide Bewertungsmethoden – die Bewertung anhand von Zinsen und das Vergleichsverfahren – beruhen auf der Schätzung zukünftiger Unternehmensgewinne. Diese Schätzungen sind jedoch nicht immer zuverlässig und hängen von verschiedenen externen Faktoren ab, die die Marktbedingungen beeinflussen können.
Die wirtschaftlichen Veränderungen der 1920er Jahre in den USA, insbesondere der Einzug der Fließbandproduktion (bekannt als Fordismus), hatten erhebliche Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne und somit auch auf die Aktienmärkte. Die Einführung von Fließbändern in der Fertigung erhöhte die Produktionsraten erheblich und verbesserte gleichzeitig die Effizienz der Industrie. Zusammen mit der Elektrifizierung Amerikas, die ebenfalls zu einer massiven Steigerung der Produktionskapazitäten führte, stieg die Produktivität und trug zur Stabilität der Preise bei, die in dieser Zeit sogar deflationär waren. Deflation kann zwar die Wirtschaft belasten, hatte jedoch zur Folge, dass die Zinssätze niedrig blieben, was den Aktienmarkt begünstigte. Niedrige Zinssätze machen Aktien attraktiver im Vergleich zu anderen Anlageformen wie Anleihen.
In den 1920er Jahren war die US-Notenbank (Federal Reserve) außerdem bestrebt, das britische und französische Finanzsystem zu stabilisieren, indem sie die US-Zinsen niedrig hielt. Diese Zinssenkungen verstärkten die Nachfrage nach Aktien, da sie die Anreize für Investitionen in Anleihen verringerten. Gleichzeitig war der Immobilienmarkt aufgrund der deflationären Tendenzen unattraktiv, da fallende Preise den Wert von Hypotheken belasteten.
In dieser Zeit wuchs die Nachfrage nach Aktien weiter, besonders bei der breiten Mittelschicht, die durch neue Anlagemöglichkeiten wie den Verkauf von Wertpapieren durch Banken und Finanzinstitute, die zuvor nur institutionellen Investoren zugänglich waren, zunehmend ins Blickfeld rückte. Die Zahl der Wertpapierhändler stieg von weniger als 300 zu Beginn des Jahrzehnts auf mehr als 6.000 im Jahr 1929. Diese Entwicklung trug zur weiteren Aufblähung des Marktes bei.
Die steigenden Unternehmensgewinne, der technologische Fortschritt, niedrige Zinssätze und die zunehmende Marktliquidität waren die Hauptfaktoren, die den Aktienmarkt der 1920er Jahre befeuerten. Doch als sich diese Elemente entwickelten, begannen die Bewertungen der Aktien zunehmend von den tatsächlichen wirtschaftlichen Fundamentaldaten abzurücken, was die Grundlage für den späteren Börsencrash im Jahr 1929 legte.
Es ist von entscheidender Bedeutung zu verstehen, dass der Aktienmarkt immer eine Wechselwirkung zwischen verschiedenen wirtschaftlichen Faktoren darstellt. Zinssätze und Unternehmensgewinne sind nur zwei, aber sehr prägende Einflüsse. Auch externe politische Entscheidungen, wie sie die Federal Reserve traf, sowie technologische Innovationen und gesellschaftliche Veränderungen spielen eine wichtige Rolle dabei, wie sich Märkte entwickeln. Ein Anleger sollte immer bedenken, dass Märkte oft nicht nur auf den aktuellen Zustand der Wirtschaft reagieren, sondern auch auf die Erwartungen an die Zukunft, die sich schnell ändern können.
Wie funktioniert Kryptowährung und welche Risiken birgt sie?
Eine Kryptowährung basiert auf einem dezentralen Netzwerk von Computern, von denen jeder eine eigene Kopie der Transaktionsliste, der sogenannten Blockchain, führt. Bei jeder Transaktion innerhalb einer Kryptowährung müssen alle teilnehmenden Rechner ihre Kopien aktualisieren, um zu dokumentieren, wem welche Einheiten der digitalen Währung gehören. Diese dezentrale Struktur gewährleistet die Sicherheit der Währung und ermöglicht es, sie unabhängig vom traditionellen Bankensystem zu betreiben.
Bitcoin ist das bekannteste Beispiel für eine solche elektronische Währung, doch sie war nicht die erste. Bereits in den 1990er Jahren versuchten zahlreiche Projekte wie Beenz oder Flooz, Online-Währungen zu etablieren, doch scheiterten sie meist an mangelnder Ernsthaftigkeit und Akzeptanz. Erfolgreicher waren Plattformen wie PayPal, die es ermöglichten, Geld digital zu transferieren, allerdings stets innerhalb des bestehenden Bankensystems und nicht unabhängig davon.
Der eigentliche Durchbruch gelang 2008 mit der Erfindung von Bitcoin und der zugrunde liegenden Blockchain-Technologie durch die vermutlich fiktive Figur Satoshi Nakamoto. Zum ersten Mal konnte eine Kryptowährung sicher, anonym und völlig unabhängig von Banken operieren. Diese Eigenschaften machten Bitcoin besonders attraktiv für Transaktionen im sogenannten Dark Web, einem Bereich des Internets, in dem illegale Geschäfte stattfinden.
Mit der Zeit erkannte auch die Mainstream-Wirtschaft den Wert eines Zahlungssystems, das von Banken und Zentralbanken unabhängig ist. Die Sicherheit der Währung hängt nicht von der Stabilität von Banken ab, und ihr Wert bleibt weitgehend unberührt von geldpolitischen Entscheidungen der Zentralbanken. Diese Unabhängigkeit war einer der wesentlichen Gründe für die zunehmende Akzeptanz von Bitcoin und anderen Kryptowährungen.
Die Blockchain-Technologie hat darüber hinaus eine vielseitige Anwendung gefunden. Neue Kryptowährungen wie Ethereum oder Ripple basieren ebenfalls auf dieser Technologie, unterscheiden sich jedoch in ihren Regeln und Anwendungen. Die Blockchain als eine Art öffentliches, unveränderliches digitales Hauptbuch lässt sich von Programmierern individuell anpassen, was eine enorme Vielfalt an virtuellen Währungen und digitalen Tokens geschaffen hat. So entstehen etwa Initial Coin Offerings (ICOs), digitale Token, die oft innerhalb eines bestimmten Unternehmens genutzt werden und zum Beispiel zur Finanzierung von Start-ups dienen. Manche dieser Token können später zu frei handelbaren Kryptowährungen werden, wenn die Unternehmen erfolgreich sind.
Trotz ihres Innovationspotenzials bergen elektronische Währungen erhebliche Risiken, die zu künftigen Finanzkrisen führen können. Zunächst einmal existieren sie ausschließlich auf Computern, die theoretisch gehackt werden können. Zahlreiche große Krypto-Börsen wie Mt. Gox oder Youbit wurden bereits Opfer von Hackerangriffen, was zum Totalverlust von Millionenbeträgen für viele Anleger führte. Mit steigendem Wert der Kryptowährungen werden solche Angriffe zunehmend lukrativ und damit auch wahrscheinlicher.
Auch ICOs sind anfällig für Betrug und Hackerangriffe. Viele ICOs entpuppen sich als betrügerische Geschäftsmodelle oder verlieren aufgrund von Sicherheitslücken hohe Summen an Hacker. Die gesamte Infrastruktur elektronischer Währungen bleibt trotz fortschreitender Sicherheitsmaßnahmen verwundbar.
Ein weiteres Problem besteht in der spekulativen Natur vieler Kryptowährungen. Da es schwierig bis unmöglich ist, einen „richtigen“ oder intrinsischen Wert einer Kryptowährung zu bestimmen, schwanken deren Preise extrem. Bitcoin-Transaktionsgebühren können so hoch sein, dass es sich kaum lohnt, die Währung für alltägliche Zahlungen zu verwenden. Ohne regelmäßige Nutzung als Zahlungsmittel lässt sich der tatsächliche Wert einer Währung schwer messen. Im Gegensatz zu Gold, das trotz hoher Transaktionskosten einen inneren Wert besitzt, weil es in Industrie und Schmuck verwendet wird, fehlt den meisten Kryptowährungen eine vergleichbare Anwendung.
Diese Unsicherheit führt zu starken Preisschwankungen und Blasenbildungen, die spektakuläre Abstürze zur Folge haben können. Beispiele sind der Preisverfall von Bitcoin nach dem Höchststand von über 20.000 US-Dollar im Dezember 2017 oder der dramatische Einbruch des Ethereum-Preises im Juni 2017, als innerhalb von Sekunden ein Kurssturz von 319 auf 0,10 US-Dollar erfolgte.
Derzeit erleben wir eine Art Goldrausch-Stimmung rund um Kryptowährungen und Blockchain-Technologie, die stark an die Dotcom-Blase der späten 1990er Jahre erinnert. Täglich entstehen neue Kryptowährungen und ICOs, von denen viele keinen langfristigen Bestand haben werden. Eine Konsolidierungsphase wird unvermeidlich zu massiven Wertverlusten führen und viele Anleger treffen.
Die Spekulationsfreude führt dazu, dass Unternehmen, die sich lediglich durch das Hinzufügen der Begriffe „Blockchain“ oder „Crypto“ in ihrem Namen auszeichnen, überbewertet werden. Solche Marktverhalten ist ein klassisches Indiz für eine Blase, deren Platzen viele Menschen finanziell hart treffen wird.
Neben technischen und wirtschaftlichen Risiken ist auch die regulatorische Unsicherheit ein bedeutender Faktor. Da Kryptowährungen ein neues und schnell wachsendes Phänomen sind, fehlt es in vielen Ländern an klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen. Dies erschwert den Schutz von Investoren und die Einordnung dieser digitalen Vermögenswerte in bestehende Finanzsysteme.
Darüber hinaus sollte die Umweltbelastung durch das Schürfen (Mining) von Kryptowährungen nicht unterschätzt werden. Der immense Energieverbrauch vieler Kryptowährungen stellt ökologische Herausforderungen dar, die in Zukunft stärker in den Fokus rücken werden.
Insgesamt zeigt sich, dass Kryptowährungen zwar eine faszinierende technologische Innovation darstellen, jedoch mit erheblichen Unsicherheiten und Risiken verbunden sind. Ihr Wert und ihre Sicherheit hängen nicht nur von der Technik, sondern auch von regulatorischen, wirtschaftlichen und sozialen Faktoren ab. Ein tieferes Verständnis dieser Zusammenhänge ist für jeden, der sich mit Kryptowährungen beschäftigt, unerlässlich, um fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Wie funktionierte die riskante Anlagestrategie von Orange County und welche Gefahren verbargen sich dahinter?
In den 1970er Jahren waren viele kalifornische Bezirke gezwungen, ihre Ausgaben zu kürzen, da die Einnahmen aus der Grundsteuer durch die sogenannte Proposition 13 stark begrenzt wurden. Orange County hingegen konnte seine Ausgaben weitgehend aufrechterhalten – maßgeblich dank eines Investmentfonds, der zusätzliche Erträge generierte. Die Renditen des Orange County Investmentpools übertrafen die vergleichbaren staatlichen Fonds deutlich, was dem Bezirk Hundertmillionen zusätzlich einbrachte.
Rund 189 öffentliche Einrichtungen, darunter 31 Städte, Schulbezirke und Wasser- und Abwasserbehörden, investierten ihr Kapital über den Pool, und sogar Kommunen außerhalb von Orange County wollten daran teilnehmen. Einige Kommunen gingen sogar so weit, Kredite aufzunehmen, um ihre Anteile am Investmentpool zu erhöhen. Bis 1994 wuchs das verwaltete Kapital auf 7,4 Milliarden US-Dollar.
Der Schlüssel zum Erfolg von Robert Citron, dem Finanzverwalter des Pools, lag in der Nutzung von Repurchase Agreements, kurz Repos. Dabei handelt es sich um eine Form von kurzfristigen, besicherten Krediten, bei denen ein Wertpapier, meistens eine hochwertige Staatsanleihe, verkauft und gleichzeitig vertraglich zugesichert wird, dass es zu einem späteren Zeitpunkt zu einem höheren Preis zurückgekauft wird. Der Preisunterschied entspricht dabei den Zinsen für das Darlehen. Die Anleihe fungiert als Sicherheit, und im Fall eines Zahlungsausfalls kann der Kreditgeber die Anleihe sofort behalten, ohne gerichtliche Auseinandersetzungen führen zu müssen. Deshalb sind Repo-Zinsen besonders niedrig – oft nur geringfügig höher als die Rendite von Schatzwechseln.
Citron nutzte diese Struktur, um seine Anlagesumme durch Hebelwirkung massiv zu erhöhen. Er kaufte zunächst langlaufende Staatsanleihen, die höhere Zinssätze als kurzfristige Geldmarktinstrumente boten, und belieh diese Anleihen über Repos, um weitere Mittel zu leihen. Mit diesem geliehenen Geld erwarb er erneut Anleihen, die wiederum als Sicherheiten dienten, um weitere Repos abzuschließen. So wurde aus den ursprünglichen 7,4 Milliarden Dollar ein Portfolio von nahezu 20 Milliarden Dollar.
Diese Hebelstrategie profitierte besonders von sinkenden Zinsen: Während die Kosten für die geliehenen Mittel (Repo-Sätze) niedrig blieben oder fielen, stiegen die Preise der bereits gekauften langlaufenden Anleihen, was sowohl zu Kapitalgewinnen als auch zu höheren Renditen führte. Der Zinsunterschied zwischen den langfristigen Anleihen und den kurzfristigen Repo-Krediten – die sogenannte Zinsmarge – erweiterte sich, was die Erträge des Fonds zusätzlich steigerte.
Trotz dieser scheinbar erfolgreichen Strategie verbarg sich darin ein erhebliches Risiko. Die starke Hebelung machte den Fonds extrem anfällig für Zinsänderungen nach oben. Wenn die Zinsen wieder steigen würden, würden die Anleihepreise fallen, was zu hohen Verlusten führen könnte, die durch die aufgenommenen Kredite verstärkt würden. Da die gesamte Konstruktion auf der ständigen Verfügbarkeit von kurzfristigen Repos beruhte, war sie zudem von der Liquidität des Marktes abhängig.
Die Komplexität und die außerordentliche Hebelwirkung der Repo-Geschäfte waren für viele Investoren und Beobachter kaum durchschaubar. Die Repo-Märkte selbst sind in der Regel großen institutionellen Akteuren vorbehalten und für kleinere Anleger nicht zugänglich. Dadurch entsteht eine gewisse Intransparenz, die Risiken für die öffentliche Hand verschleiern kann.
Wichtig ist auch zu verstehen, dass Citron nicht nur auf Zinsmargen setzte, sondern zugleich auf steigende Anleihepreise, was eine doppelte Wette auf fallende Zinsen bedeutete. Die Strategie war somit eng an die Entwicklung der Zinssätze gebunden, was eine große Abhängigkeit von makroökonomischen Faktoren zeigte.
Überdies muss berücksichtigt werden, dass die Zulassung von Repos im öffentlichen Sektor nicht selbstverständlich war, sondern das Ergebnis gezielter Lobbyarbeit. Diese regulatorische Sonderstellung ermöglichte eine risikoreiche Praxis, die sonst für öffentliche Gelder nicht zugelassen wäre.
Die Lektion aus diesem Fall betrifft das Zusammenspiel von Regulierung, Finanzinnovation und Risiko: Während innovative Finanzinstrumente wie Repos erhebliche Ertragschancen bieten, kann ihre Nutzung in Verbindung mit hoher Hebelwirkung und unzureichender Risikokontrolle zu katastrophalen Ausfällen führen. Die Komplexität der Finanzmärkte erfordert ein tiefgehendes Verständnis, um nicht nur auf kurzfristige Gewinne, sondern auch auf langfristige Stabilität zu achten.
Neben der finanziellen Dimension ist es für den Leser wichtig, die politische und institutionelle Einbettung solcher Strategien zu erkennen. Die öffentliche Hand trägt eine besondere Verantwortung für die Sorgfalt bei der Verwaltung von Steuergeldern, die oft nicht in vollem Umfang über die Risiken und Mechanismen der eingesetzten Instrumente informiert ist. Die Kombination aus regulatorischer Genehmigung, ausgeprägtem Vertrauen in einzelne Akteure und der undurchsichtigen Natur der Repo-Märkte führte letztlich zur Überschätzung der Sicherheit und damit zu einem fatalen Fehleinschätzungen.
Wie funktioniert das Schattenbanksystem in China und welche Risiken birgt es?
Schattenbanken sind keine klassischen Banken und unterliegen daher in der Regel einer deutlich geringeren Regulierung – oft nahezu keiner. Dieses System entsteht häufig, um regulatorische Lücken auszunutzen, besonders dort, wo traditionelle Banken streng reguliert sind, während andere Finanzinstitute kaum kontrolliert werden. Wenn Schattenbanken vor allem zur Umgehung von Vorschriften genutzt werden, führt dies fast zwangsläufig zu Problemen.
Die Finanzkrise in den USA traf China zwar nicht direkt, doch die darauf folgende globale Rezession führte zu einem starken Nachfragerückgang für chinesische Exporte, die mehr als die Hälfte des chinesischen Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Das Ziel der chinesischen Regierung, ein jährliches Wirtschaftswachstum von mindestens 7,5 % zu erreichen, war somit ernsthaft gefährdet. Dieses Wachstum wurde nicht nur als wirtschaftliche, sondern auch als politische Stabilitätsgarantie angesehen, da es die Beschäftigung aufrechterhält und den Lebensstandard – selbst in ländlichen Regionen – hebt.
Um dem entgegenzuwirken, initiierte die chinesische Regierung 2009 ein beispielloses Konjunkturprogramm mit einem fiskalischen Stimulus von über 500 Milliarden US-Dollar, begleitet von einer massiven Ausweitung der Kreditvergabe durch staatliche Banken. Doch diese rasante Kreditvergabe führte bereits ein Jahr später zu Sorgen über eine mögliche Kreditblase und steigende Ausfallrisiken. Die Regierung reagierte mit Kreditobergrenzen, doch der Wachstumsdruck blieb bestehen.
Die Antwort lag im Schattenbanksystem. In China existierten Schattenbanken schon lange, sie machten 2008 jedoch nur rund fünf Prozent des Finanzsystems aus. Zentral unter ihnen waren sogenannte Trust-Unternehmen, die eher mit Investmentbanken vergleichbar sind. Sie finanzierten vor allem risikoreichere Projekte, die staatliche Banken meiden. Das chinesische Finanzsystem bot hier zwei entscheidende Anreize: Zum einen konzentrierten sich staatliche Banken vornehmlich auf Staatsunternehmen, private Firmen, besonders kleinere, wurden kaum bedient. Zum anderen waren alle Kredit- und Einlagenzinsen durch die Zentralbank streng reguliert und künstlich niedrig gehalten, um die Rentabilität der Banken zu sichern.
Nach dem starken Anstieg der regulären Kreditvergabe im Jahr 2009 wurde Schattenkreditvergabe geduldet und wuchs zwischen 2010 und 2012 auf rund sechs Billionen US-Dollar, fast die Hälfte des Gesamtvolumens der Bankkredite. Trotz wiederholter Regierungsversuche, das Schattenbanksystem einzudämmen, wuchs es bis 2016 weiterhin jährlich um etwa 30 %.
Ein großer Teil der Schattenkredite wird über die Trust-Unternehmen abgewickelt. Diese bieten wohlhabenden Investoren hochverzinsliche Anlagekonten an, mit Mindestanlagen von etwa einer Million Yuan, und investieren das Kapital in Unternehmenskredite. Eine weitere Form sind die sogenannten Wealth Management Products (WMPs), die von Banken in Zusammenarbeit mit Trust-Unternehmen ausgegeben werden und ähnlich wie Investmentfonds funktionieren. Die versprochenen Renditen liegen häufig zwischen 8 und 10 Prozent, was sie für Investoren attraktiv macht, die die niedrigen Zinsen der Bankeinlagen umgehen wollen.
Die Banken profitieren doppelt: Viele besitzen die Trust-Unternehmen, erhalten also direkte Erträge aus den WMPs, und müssen für diese Produkte oft keine Kapitalreserven bilden, sofern sie keine Garantie geben. Offiziell gibt es keine Garantien für die WMPs, doch in der Praxis gelten sie als implizit garantiert – Verluste werden häufig von den Trust-Unternehmen oder durch staatliche Rettungen ausgeglichen. Investoren vertrauen darauf, dass Banken und letztlich auch der Staat intervenieren, um einen Zusammenbruch zu verhindern.
Diese Verflechtungen lassen die WMPs wie versteckte Bankkredite erscheinen, die aus regulatorischer Sicht nicht als solche gezählt werden. Die undurchsichtigen Garantien und die enge Verzahnung zwischen Banken und Trust-Unternehmen erhöhen die systemischen Risiken erheblich.
Es ist wichtig, über die offensichtlichen Mechanismen hinaus zu verstehen, dass Schattenbanken in China nicht nur ein finanzielles Instrument sind, sondern ein Ausdruck der strukturellen Spannungen im chinesischen Finanzsystem. Die staatlichen Banken sind an strenge Vorgaben gebunden und fördern vor allem staatsnahe Unternehmen, während die Schattenbanken den privaten Sektor bedienen und dabei weniger reguliert sind. Dies schafft ein zweigeteiltes Finanzsystem, das Wachstum fördert, aber gleichzeitig erhebliche Risiken birgt.
Die impliziten Garantien und das Vertrauen der Anleger in staatliche Interventionen sind zwar kurzfristig stabilisierend, können jedoch langfristig zu falschen Anreizen führen. Investoren werden Risiken eher eingehen, wenn sie erwarten, im Notfall geschützt zu sein. Dies begünstigt eine Akkumulation von systemischen Risiken, die sich in einer Krise schlagartig entladen können.
Weiterhin ist zu beachten, dass die Schattenbanken ein Spiegelbild der Lücken in der chinesischen Finanzregulierung sind. Die ungleiche Behandlung von Banken und Nichtbanken ermöglicht Umgehungsgeschäfte und Verschleierung von Risiken. Die Beherrschung und Transparenz dieser Schattenaktivitäten sind daher entscheidend für die Stabilität des gesamten chinesischen Finanzsystems.

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