In der modernen digitalen Welt werden unsere Überzeugungen und Wahrheiten oft durch Netzwerke von Informationen gestützt, die auf vielfache Weise miteinander verbunden sind. Ein besonders interessantes Phänomen zeigt sich in den sogenannten „Echo-Kammern“, in denen Informationen durch viele Menschen geteilt und verstärkt werden, ohne dass sie unbedingt unabhängig überprüft werden. Diese Form der „autonomen Abhängigkeit“ im epistemischen Sinne stellt die Art und Weise in Frage, wie wir Wissen und Wahrheit akzeptieren, besonders in einer Welt, in der die Information oft durch populäre Medienkanäle verbreitet wird.

Ein einfaches Beispiel dafür ist der Fall, wenn eine große Zahl von Menschen – sagen wir 200 Personen – in sozialen Medien oder in Foren eine Behauptung verbreitet, die sie ursprünglich aus einer Quelle wie The Guardian übernommen haben. Die epistemische Unterstützung dieser Behauptung ist in diesem Fall nicht nur die Unterstützung des ursprünglichen Autors, sondern die Summe der verschiedenen Überprüfungen und Bewertungen, die durch die 200 verschiedenen Meinungen gefiltert wurden. Diese 200 Personen haben das, was sie gelernt haben, in ihr eigenes Glaubenssystem integriert, und haben es unter dem Gesichtspunkt ihrer eigenen Überzeugungen und Meinungen überprüft. Ihre Akzeptanz dieser Information bringt eine zusätzliche epistemische Unterstützung für die ursprüngliche Behauptung, da sie – durch ihre verschiedenen Perspektiven – eine Form von Unabhängigkeit in der Beurteilung der Wahrheit dieses Arguments darstellen.

Es wird weitgehend akzeptiert, dass es eine epistemische Norm gibt, die das richtige Behaupten von Informationen regelt. Das bedeutet, dass der Sprecher eine angemessene epistemische Grundlage für die Aussage haben muss, um diese korrekt zu äußern. Diese Norm impliziert, dass wir eine Verantwortung für das übernehmen, was wir sagen. Beispielsweise können wir dafür kritisiert werden, etwas zu behaupten, wenn es nur eine vage Vermutung oder ein bloßer Verdacht ist. Wenn jedoch 200 Personen eine Behauptung über ein Thema wie den Brexit wiederholen, tragen nicht nur die ursprünglichen Verfasser der Information, sondern auch all jene, die diese Information weiter verbreiten, die Verantwortung für die Richtigkeit der Behauptung. Diese zusätzliche Verantwortung schafft eine weitere epistemische Unterstützung, da jede Person, die autonom für die Wahrheit einer Behauptung bürgt, als Beweis für deren Wahrheitsgehalt dienen kann. Auf diese Weise erhält die Behauptung – obwohl sie ursprünglich von The Guardian stammt – durch jede einzelne Person in der Echo-Kammer eine stärkere epistemische Kraft.

Allerdings könnte man nun argumentieren, dass Menschen in Echo-Kammern nicht wirklich Beispiele für autonome Abhängigkeit sind. Vielmehr könnten sie als von einander abhängige Meinungsträger betrachtet werden, wie es Alvin Goldman in seiner Theorie der „Nicht-Unabhängigkeit“ (Non-Independence) beschreibt. Goldman argumentiert, dass, wenn zwei oder mehr Meinungsinhaber völlig voneinander abhängig sind, die Meinung eines Individuums keinen zusätzlichen epistemischen Wert hat. Wenn etwa Anhänger eines Gurus dessen Ansichten unkritisch übernehmen, tragen diese Anhänger nichts zur Beweiskraft der Ansicht bei. In ähnlicher Weise, so könnte man sagen, bietet die Meinung von 200 Personen, die auf der gleichen Quelle basieren, keine zusätzliche epistemische Unterstützung für eine Behauptung.

Goldman stellt fest, dass es nur dann epistemische Unterstützung gibt, wenn die Meinung eines anderen mehr oder weniger unabhängig von der des ersten ist. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn zwei Menschen ein Ereignis unabhängig voneinander beobachten und zu demselben Schluss kommen. In der Situation einer Echo-Kammer jedoch sind die Meinungen der Menschen oft nicht unabhängig voneinander; sie spiegeln lediglich die ursprüngliche Quelle wider, ohne sie kritisch zu hinterfragen. In solchen Fällen trägt jede zusätzliche Stimme wenig bis gar nichts zur epistemischen Stärke der Behauptung bei.

Dennoch ist es wichtig zu beachten, dass die meisten von uns als Informationskonsumenten nicht wie die blinden Anhänger eines Gurus sind. Auch wenn bestimmte Gruppen, wie etwa politische Lager, geneigt sind, die Berichterstattung von Quellen wie CNN oder Fox News zu akzeptieren, gibt es bei den meisten von uns dennoch bestimmte Grenzen der Überzeugung. Wir würden beispielsweise nicht einfach akzeptieren, dass Kakerlaken Säugetiere sind, nur weil es uns jemand sagt. Dieses Phänomen, das von Goldman als Nicht-Unabhängigkeit bezeichnet wird, setzt voraus, dass die Zustimmung zu einer Quelle völlig blind ist, was in der Praxis selten der Fall ist. Es gibt immer eine gewisse kritische Reflexion und Abwägung der Information, auch wenn wir in sozialen Medien oder Nachrichtenkanälen auf bestätigte Ansichten stoßen.

Doch die Gefahr in Echo-Kammern liegt nicht nur in der mangelnden Unabhängigkeit der Stimmen, sondern auch in der Tatsache, dass wir oft nicht erkennen, wie stark diese Abhängigkeit in den Informationen eingebaut ist. Dies führt dazu, dass wir die epistemische Unterstützung, die diese Informationen bieten, überschätzen. Es ist wichtig, diese Dynamiken zu verstehen, da sie uns helfen, unsere eigene Informationsaufnahme und -bewertung kritisch zu hinterfragen. Der Schlüssel liegt in der Fähigkeit, zwischen echten, unabhängigen Beweisen und solchen, die lediglich aus einem verstärkten Konsens innerhalb eines geschlossenen Kreises von Überzeugungen hervorgehen, zu unterscheiden.

Wie die Verbreitung von Fake News unsere Wahrnehmung der Realität beeinflusst und warum wir uns vor ihr schützen müssen

In einer Welt, in der die Grenze zwischen Wahrheit und Falschheit zunehmend verschwimmt, stellt sich die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Fake News umgehen sollten. Der Konsum von Nachrichten, der von verzerrten oder falschen Inhalten durchzogen ist, führt dazu, dass Menschen falsche oder irrelevante Überzeugungen entwickeln. In einer solchen Umgebung ist es oft nicht nur schwierig, wahre von falschen Informationen zu unterscheiden, sondern auch zeitaufwendig und kognitiv anstrengend, sich zu vergewissern, dass die Quellen, denen man vertraut, glaubwürdig sind. Dies führt zu einer der größten Herausforderungen der modernen Gesellschaft: dem sogenannten "motivierten Unwissen" gegenüber Nachrichten. In solchen Fällen erscheint es epistemisch gerechtfertigt, sich bewusst von Nachrichtenquellen fernzuhalten, wenn die Suche nach verlässlichen Informationen in einem überfluteten und verzerrten Informationsumfeld wenig Aussicht auf Erfolg hat.

Die Philosophen Bernecker und Gelfert haben hierzu unterschiedliche Standpunkte formuliert. Gelfert spricht von einem neuartigen sozialen und epistemischen Missverhältnis, das durch Fake News entsteht. Fake News sind nicht nur eine Quelle falscher Berichterstattung, sondern sie erzeugen eine systematische Verzerrung des Prozesses, durch den Nachrichten und Informationen verbreitet werden. Die Konsequenz ist, dass nicht nur falsche Informationen zirkulieren, sondern dass die gesamte Informationsumgebung in ihrer Zuverlässigkeit gefährdet wird. Dies beeinträchtigt das Vertrauen der Öffentlichkeit in etablierte Informationsquellen und erschwert es, zuverlässige Nachrichten zu finden.

Gelfert argumentiert, dass es dringend notwendig ist, epistemische Routinen zu etablieren, die das Vertrauen in verlässliche Quellen wiederherstellen. Diese Routinen, so seine Überlegung, sollten nicht nur theoretisch begründet, sondern als gewohnheitsmäßige Praktiken etabliert werden, die eine gesunde Informationsvernetzung fördern. Diese Vorgehensweise, so wie sie auch von Wright und Goldberg vertreten wird, zielt darauf ab, eine kontinuierliche und stabile Vertrauensbasis zu schaffen, um die Auswirkungen von Fake News zu mildern.

Ein weiterer wichtiger Aspekt wird von Baurmann und Cohnitz behandelt, die sich mit den Auswirkungen von Verschwörungstheorien befassen. Sie argumentieren, dass Verschwörungstheorien eine Bedrohung für demokratische Institutionen darstellen, da sie das soziale Vertrauen in Informationsnetzwerke untergraben. Dies hat weitreichende Konsequenzen, da demokratische Gesellschaften auf ein offenes und komplexes System der Informationsverbreitung angewiesen sind. Verschwörungstheorien schaffen eine getäuschte Realität und fördern Misstrauen zwischen den Menschen. Ihre Untersuchung zeigt, dass Versuche, Verschwörungstheorien von außen zu entkräften, meist erfolglos bleiben, da diese Netzwerke ein tiefes Misstrauen gegenüber Außenstehenden hegen. Viel erfolgversprechender sei es, Beziehungen des Vertrauens zu Mitgliedern dieser Netzwerke aufzubauen und zu pflegen.

Diese Überlegungen werfen die Frage auf, wie wir als Gesellschaft sicherstellen können, dass unsere Informationsnetzwerke gesund bleiben und keine schädlichen Verzerrungen erfahren. Es reicht nicht aus, nur die Verbreitung falscher Informationen zu bekämpfen. Wir müssen auch die Bedingungen verstehen, unter denen Informationen wahrgenommen und verarbeitet werden, und Maßnahmen ergreifen, um diese Wahrnehmung zu schützen. Eine gesunde Informationsumgebung erfordert nicht nur zuverlässige Quellen, sondern auch ein gewisses Maß an Verantwortung seitens der Konsumenten. Jeder Einzelne hat die Aufgabe, sich aktiv darum zu bemühen, Quellen zu prüfen und sich der Auswirkungen bewusst zu sein, die falsche oder irreführende Informationen auf das kollektive Wissen haben können.

Dabei ist es auch wichtig, die Rolle der sozialen Netzwerke und digitalen Plattformen zu berücksichtigen. Diese Plattformen sind nicht nur Verbreiter von Nachrichten, sondern auch die Gestaltungsmacht über den Zugang zu Informationen. Sie können die Wahrnehmung der Realität aktiv beeinflussen, indem sie Inhalte priorisieren, die bestimmte Weltanschauungen oder Ideologien fördern. In einer solchen Umgebung ist es noch wichtiger, epistemische Praktiken zu entwickeln, die es ermöglichen, von dieser Manipulation unabhängiger zu werden und Informationen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen zu beziehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Herausforderung, die Fake News und Verschwörungstheorien für unsere Gesellschaft darstellen, nicht nur in der Bekämpfung falscher Inhalte besteht. Vielmehr geht es darum, ein tiefes Verständnis dafür zu entwickeln, wie Informationen verbreitet und verarbeitet werden und wie diese Prozesse das kollektive Wissen formen. Nur wenn wir diese Mechanismen verstehen und entsprechende Praktiken entwickeln, können wir sicherstellen, dass unsere Informationsnetzwerke weiterhin vertrauenswürdig und gesund bleiben. Das bedeutet, dass jeder von uns eine Verantwortung für das kollektive Wissenssystem trägt und aktiv an seiner Pflege und Verbesserung mitwirken sollte.

Wie beeinflusst Google die Verbreitung von wissenschaftlich falschen Informationen und was bedeutet das für unser Vertrauen in Online-Quellen?

Fake News können aus einer Vielzahl von Quellen stammen – von unbedachten, falschen Posts eines normalen Nutzers bis hin zu den absichtlichen Machenschaften von Fake-News-Fabriken. Ein besonders gefährliches und komplexes Phänomen stellt jedoch die Verbreitung von sogenanntem „wissenschaftlichen Fake News“ dar. Diese entstehen, wenn wissenschaftliche Arbeiten auf Betrug beruhen, obwohl sie in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden. Im weiteren Verlauf wird der Begriff „Fake Science“ verwendet, um die Irreführung zu verdeutlichen: Es handelt sich um Inhalte, die wie Wissenschaft erscheinen, aber in Wahrheit keine wissenschaftliche Grundlage haben.

Ein Fall, der die Problematik eindrucksvoll illustriert, ist eine schwedische Studie aus dem Jahr 2016, die im angesehenen Fachjournal Science veröffentlicht wurde. Die Studie behauptete, dass Fische Plastik fressen und dies dramatische Auswirkungen auf das Ökosystem hätte. Diese Behauptung wurde von vielen Nachrichtenagenturen übernommen, darunter auch von der BBC, die den Artikel als wissenschaftlich fundiert präsentierte. Der durchschnittliche Leser würde wahrscheinlich die Schlussfolgerung ziehen, dass diese Studie wahr sei, da sie in einem prestigeträchtigen Journal erschienen war und von einer etablierten Nachrichtenquelle wie der BBC abgedeckt wurde.

Ein Jahr später wurde die Studie jedoch von Science aufgrund von wissenschaftlichem Betrug zurückgezogen. Dies führte zu einer breiten Entschuldigung und einer öffentlichen Klarstellung, dass die Ergebnisse der Studie auf gefälschten Daten beruhten. Doch was passierte mit der Informationsverbreitung im Internet? Eine Untersuchung zeigte, dass der ursprüngliche Artikel der BBC auf Google nach wie vor hoch gerankt war, sogar Wochen nach der Rücknahme der Studie. Der Hinweis auf die Rücknahme und die wissenschaftlichen Entgegnungen wurden von Google so stark in den Suchergebnissen zurückgesetzt, dass viele Nutzer, die nach dem Thema suchten, auf der ersten Seite der Suchergebnisse nur noch die falsche Darstellung der Studie fanden.

Das Problem ist nicht nur die falsche Darstellung von wissenschaftlichen Ergebnissen, sondern auch, wie Google diese falschen Informationen weiterhin als relevant einstuft. Die technische Infrastruktur von Google, die für die Anzeige von Suchergebnissen verantwortlich ist, neigt dazu, ältere, „beliebte“ Inhalte höher zu platzieren, selbst wenn diese mittlerweile widerlegt wurden. In diesem Fall wurde die nachträgliche Entlarvung der Studie als Betrug – obwohl sie von einer Vielzahl unabhängiger Stellen bestätigt wurde – von Google als weniger „relevant“ oder „wichtig“ eingestuft als die ursprüngliche, mittlerweile widerlegte Information.

Dies hat weitreichende Implikationen für das Vertrauen der Öffentlichkeit in wissenschaftliche Informationen und die Art und Weise, wie Wissen in der digitalen Ära verbreitet wird. Wenn eine wissenschaftlich falsche Information immer wieder in den Suchergebnissen auftaucht, ohne dass die Entlarvung ihrer Unwahrheit ebenfalls prominent sichtbar gemacht wird, wird das Vertrauen in die Quellen und in die Gültigkeit des dargestellten Wissens untergraben. Dies betrifft nicht nur Themen wie Umweltschutz oder Gesundheit, sondern auch viele andere Gebiete, in denen falsche oder fehlerhafte wissenschaftliche Erkenntnisse einen erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung und politische Entscheidungen haben können.

Ein weiteres Problem ist, dass die Nutzer von Google oft nicht über die erforderlichen Fähigkeiten oder Ressourcen verfügen, um die Richtigkeit der Informationen zu überprüfen. In vielen Fällen verlassen sich Menschen auf die Suchergebnisse, ohne sich die Mühe zu machen, alternative Quellen zu konsultieren. Die Tatsache, dass Google seine Suchalgorithmen so anpasst, dass die Originalberichte zu betrügerischen wissenschaftlichen Arbeiten bevorzugt werden, trägt dazu bei, dass sich falsches Wissen weiterverbreitet. Auch wenn die Entlarvung der Fälschung später bekannt wird, bleibt das Vertrauen in die ursprüngliche Information häufig bestehen, da sie zunächst in einem hoch angesehenen Medium veröffentlicht wurde und von prominenten Quellen zitiert wurde.

Ein weiteres zentrales Problem ist die Herausforderung der sogenannten „epistemischen Blasen“ oder „Echokammern“, die durch die Verbreitung von Fake News im Internet verstärkt werden. Wenn Menschen wiederholt mit Informationen konfrontiert werden, die ihre vorgefassten Meinungen und Überzeugungen bestätigen, besteht die Gefahr, dass sie diese Informationen als „wahr“ akzeptieren, ohne sie kritisch zu hinterfragen. Dieses Phänomen tritt nicht nur bei allgemeinen Fake-News-Verschwörungen auf, sondern auch in wissenschaftlichen Kontexten, in denen Menschen wissenschaftliche Ergebnisse unkritisch übernehmen, weil sie diese in einer vertrauten und „glaubwürdigen“ Quelle gefunden haben.

Wichtig ist auch, dass die Zensur von falschen wissenschaftlichen Artikeln durch Plattformen wie Google nicht einfach nur eine technische Herausforderung ist. Es handelt sich um ein komplexes epistemisches Problem, das die Verantwortung der Suchmaschinen und Informationsvermittler im digitalen Zeitalter in den Fokus rückt. Die Art und Weise, wie Suchmaschinen wie Google Information gewichten und präsentieren, beeinflusst nicht nur, was Menschen glauben, sondern auch, wie sich wissenschaftliche Diskurse in der breiten Öffentlichkeit entwickeln. Ein nicht unwesentlicher Teil der Verantwortung für die Verbreitung von korrektem Wissen liegt daher auch in den Händen der Betreiber solcher Plattformen.