Die Verbreitung von Fake News ist keine neue Erscheinung, sondern hat sich im Laufe der Zeit an die technologischen und kommerziellen Möglichkeiten des Internets sowie an die Entwicklungen der sozialen Medien angepasst. Was jedoch neu ist, ist die gezielte Ausnutzung dieser Technologien, um Falschinformationen zu verbreiten und den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen. Die heutigen Akteure der Desinformation nutzen ausgeklügelte Techniken, die sowohl auf menschlicher Psychologie als auch auf den Algorithmen der sozialen Plattformen basieren. Dieser Wandel hin zu einem zunehmend algorithmisch gesteuerten Informationsumfeld verändert die Art und Weise, wie Fake News produziert, verbreitet und konsumiert werden.

Frühere Formen der Propaganda und der falschen Nachrichten beruhen oft auf emotionalen Appellen und simplen, manchmal sogar primitiven, Wahrnehmungsmanipulationen. Der Kern des modernen Phänomens liegt jedoch nicht nur in der Schaffung ansprechender, oftmals sensationeller Inhalte, sondern vielmehr in der maßgeschneiderten Anpassung dieser Inhalte an die Funktionsweise von Algorithmen, die die sozialen Netzwerke betreiben. Diese Algorithmen, die beispielsweise bei Facebook oder YouTube zum Einsatz kommen, ordnen, priorisieren und fördern Inhalte in einer Art und Weise, die den Nutzern immer wieder bestimmte emotionale Reaktionen entlockt. Dies führt zu einer verstärkten Verbreitung von Inhalten, die auf diese emotionalen Auslöser abzielen, wodurch der Einfluss von Fake News weiter verstärkt wird.

Das Fundament für diese Entwicklung legten unter anderem die rechten Talkshows der letzten Jahrzehnte, die eine Plattform für die Verbreitung von Meinungen boten, die sich gegen die gängigen politischen Narrative der etablierten Medien richteten. Insbesondere in den USA hat die Systematik der rechten Medienwelt einen entscheidenden Einfluss auf die Verbreitung von Desinformation genommen. In jüngerer Zeit haben Akteure wie der libertäre ehemalige Hedgefonds-Manager Robert Mercer dazu beigetragen, Netzwerke von Webseiten und sozialen Medien zu schaffen, die absichtlich falsche oder verzerrte Informationen verbreiten.

Die technische Seite dieser Entwicklung bezieht sich auf die Funktionsweise der sozialen Medien selbst. Facebook, YouTube und andere Plattformen verwenden ausgeklügelte Algorithmen, die Inhalte basierend auf Interaktionen wie Likes, Kommentaren und Shares an die Nutzer ausspielen. Diese Algorithmen setzen auf „heiße“ kognitive Reaktionen, die schnell und emotional sind und die Nutzer stärker in den Bann ziehen als eine rationale Auseinandersetzung mit Informationen. Ein einfacher Like oder ein Share kann in der digitalen Welt als eine Art Zustimmung gedeutet werden, wobei die Absicht hinter einer Interaktion oft unklar bleibt – eine retweetete Nachricht kann Zustimmung, Ironie, Kritik oder einfach nur eine Teilnahme an einem Gespräch ausdrücken.

Diese Unsicherheit in der Bedeutung von Online-Interaktionen hat zur Folge, dass das Teilen von Fehlinformationen mit einer eingebauten Plausibilitätsverleugnung erfolgt. Nutzer können jederzeit behaupten, dass sie lediglich ironisch oder humorvoll waren, oder dass sie etwas „nur zum Nachdenken“ gepostet haben. Dies senkt die Hemmschwelle für die Verbreitung von Fake News erheblich. Darüber hinaus können Akteure gezielt Fake-Accounts und Bots einsetzen, um gezielt Posts zu verbreiten und künstlich zu verstärken. Dies ist besonders in politischen Kontexten von Bedeutung, in denen jede Form der Meinungsmache Einfluss auf Wahlergebnisse und öffentliche Debatten nehmen kann.

Ein weiteres Schlüsselaspekt der modernen Verbreitung von Fake News liegt in den Algorithmen selbst. Plattformen wie Google, YouTube und Facebook verwenden Systeme, die darauf abzielen, die Nutzer möglichst lange zu binden. Bei YouTube beispielsweise werden Algorithmen genutzt, um die Zuschauer dazu zu bringen, immer extremere Inhalte zu konsumieren, da diese das Engagement verstärken. Dies kann dazu führen, dass Nutzer zunehmend radikaleren und extremistischen Ideen ausgesetzt werden, ohne dass sie sich dessen bewusst sind.

Darüber hinaus ist die Nutzung von sozialen Medien nicht mehr nur ein Medium der politischen Diskussion, sondern hat sich zu einem Werkzeug für eine neue Form der politischen Manipulation entwickelt. Diese Manipulation geschieht nicht mehr über direkte Zensur, wie es in totalitären Regimen der Fall ist, sondern durch die Schaffung einer Flut von Informationen, in der es schwierig ist, zwischen wahr und falsch zu unterscheiden. Diese Informationsflut – auch als „Zensur durch Lärm“ bezeichnet – hat das Potenzial, den öffentlichen Diskurs zu verwässern und die Aufmerksamkeit der Menschen von relevanten Themen abzulenken.

Die moderne Fake-News-Industrie basiert also auf zwei wesentlichen Aspekten: dem menschlichen Verhalten und den Algorithmen der Plattformen. Es ist das Zusammenspiel dieser beiden Faktoren, das die Verbreitung von Fehlinformationen effizienter und gezielter macht als je zuvor. Die Plattformen sind nicht nur passive Kanäle der Informationsverbreitung, sondern aktive Akteure, die durch ihre Algorithmen die Art und Weise steuern, wie Nachrichten konsumiert werden. In diesem Zusammenhang sind Fake News nicht nur ein Problem der Inhaltserstellung, sondern auch der systemischen Funktionsweise der Plattformen selbst.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Bekämpfung von Fake News nicht nur in der Verbreitung von Fakten und der Aufklärung über falsche Informationen liegen kann. Vielmehr muss die Aufmerksamkeit auf die Mechanismen gerichtet werden, die die Verbreitung von Fehlinformationen fördern. Die technologischen Möglichkeiten, die soziale Medien heute bieten, schaffen ein neues Paradigma, in dem Desinformation nicht nur leichter verbreitet wird, sondern auch schwerer zu bekämpfen ist. Das Verständnis dieser Prozesse und der dahinterliegenden Algorithmen ist von zentraler Bedeutung, um in der digitalen Ära eine informierte Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten.

Wie soziale Medien Vertrauen in falsche Quellen fördern

Die Verbreitung von Artikeln in sozialen Medien ist mittlerweile eine weitverbreitete Praxis. Mit nur einem Klick können Artikel und Nachrichten an ein großes Publikum weitergegeben werden. Diese einfache Möglichkeit des "Repostens" hat nicht nur die Art und Weise verändert, wie Nachrichten verbreitet werden, sondern auch die Quellen, denen wir vertrauen. Eine Studie des Pew Research Centers aus dem Jahr 2017 zeigte, dass 67 Prozent der Erwachsenen in den USA zumindest teilweise Nachrichten über soziale Medien beziehen. Diese Zahl steigt jedes Jahr, was die Bedeutung von sozialen Plattformen als Hauptquelle für Informationen unterstreicht.

Der Akt des Repostens bringt jedoch zwei wesentliche Risiken in Bezug auf epistemische Schäden mit sich. Zunächst einmal ist jede Form der Zeugenschaft – also das Weitergeben von Informationen von einer Person an eine andere – mit der Gefahr verbunden, falsche Überzeugungen zu vermitteln. Wenn wir der Aussage einer anderen Person vertrauen, besteht immer die Möglichkeit, dass sie selbst einer falschen Überzeugung anhängt, die sie dann an uns weitergibt. Dies ist ein klassisches Problem der Zeugenschaft, das besonders in den Theorien zur Wahrheit von Überzeugungen thematisiert wird, wie etwa im Veritismus. Der Veritismus betont den Wert der wahren Überzeugung und die schädlichen Auswirkungen falscher Überzeugungen und fordert soziale Systeme, die diesen epistemischen Wert für ihre Mitglieder maximieren.

Neben dem Risiko von falschen Überzeugungen birgt das Reposten auf sozialen Medien jedoch noch ein weiteres, oft übersehenes Risiko: das der fehlgeleiteten Vertrauenswürdigkeit einer Quelle. Wenn wir auf sozialen Plattformen einen Artikel weiterverbreiten, implizieren wir sowohl die Unterstützung des Inhalts als auch eine Art von "Zertifizierung" der Quelle, die den Artikel ursprünglich veröffentlicht hat. Dies entspricht einer Art der Quellenzertifizierung, die dem Empfänger nicht nur den Inhalt, sondern auch die Quelle als vertrauenswürdig nahelegt. Indem wir eine Quelle zitieren oder einen Link zu einem Artikel teilen, laden wir den Leser ein, Vertrauen in diese Quelle zu setzen. Dabei kann der Leser jedoch nicht wissen, dass die Quelle selbst fehlerhaft oder unzuverlässig sein könnte. Dieses Vertrauen in eine unzuverlässige Quelle kann, abgesehen von den Risiken falscher Überzeugungen, selbst ein ernstzunehmender epistemischer Schaden sein.

Missverstandenes Vertrauen in eine Quelle kann tiefere epistemische Probleme verursachen. Es geht nicht nur darum, falsche Überzeugungen über den Inhalt zu entwickeln, sondern auch darum, eine falsche Vorstellung über die eigene Position im Wissensspektrum zu haben. Wenn wir davon ausgehen, dass Wissen und ein korrektes Verständnis über die Welt epistemische Güter sind, dann ist ein Missverständnis darüber, wem man vertrauen sollte, ein ernstzunehmender Rückschlag für das individuelle epistemische Verständnis. Wer in die falsche Quelle vertraut, kann nicht nur falsche Überzeugungen entwickeln, sondern auch grundlegende Unsicherheiten über seine eigene Stellung im Wissensgefüge erlangen.

Der entscheidende Punkt hierbei ist, dass solche Fehleinschätzungen in Bezug auf Quellen durch das Reposten besonders gefährlich werden, weil sie dem Leser eine vermeintliche Nähe zur Quelle verschaffen. Während wir bei der klassischen Zitation eines Artikels lediglich auf den Inhalt und den Namen der Quelle verweisen, ermöglicht das Reposten eine unmittelbare Kontaktaufnahme mit der Quelle. Diese unmittelbare Verbindung kann das Vertrauen in die Quelle verstärken und den Leser in die Falle einer falschen Glaubwürdigkeit der Quelle führen.

Es gibt verschiedene Arten von Quellen, die zu dieser Art von fehlgeleitetem Vertrauen führen können, auch wenn sie nicht notwendigerweise als "Fake News" im engeren Sinne gelten. Ein prominentes Beispiel sind politisch motivierte Falschmeldungen. So wie etwa die Internet Research Agency, die Tausende von Mitarbeitern einsetzte, um pro-russische und pro-Trump-Nachrichten zu verbreiten, kann das Reposten solcher Artikel unabsichtlich die Wahrnehmung der Öffentlichkeit verzerren und zu Fehleinschätzungen führen. Dies ist kein neues Phänomen. Schon in der mittelalterlichen Geschichte, wie etwa beim sogenannten "Blutbeschuldigung" gegen jüdische Gemeinden, wurden Geschichten veröffentlicht, die die Öffentlichkeit in die Irre führten und zu Gewalt aufriefen. Auch hier spielte das Vertrauen auf eine scheinbar autoritative Quelle eine zentrale Rolle, um Fehlinformationen zu verbreiten.

Es ist wichtig, dass wir uns der Problematik bewusst sind, dass das Reposten von Artikeln nicht nur die Verbreitung von falschen Überzeugungen, sondern auch das Vertrauen in problematische Quellen fördert. Re-Posten kann, besonders wenn es nicht ausreichend kritisch hinterfragt wird, als eine Form der Quellenzertifizierung missverstanden werden. Es kann dem Leser das Gefühl geben, dass die geteilte Quelle vertrauenswürdig ist, auch wenn sie es nicht ist. Das führt zu einem tiefergehenden epistemischen Schaden, der nicht nur falsche Überzeugungen umfasst, sondern auch das Verständnis darüber, wem man vertrauen kann und wie man seine eigene epistemische Position bestimmt.

Zudem spielt auch die schnelle und unkritische Verbreitung von Informationen in sozialen Netzwerken eine Rolle. Die Digitalisierung und die zunehmende Verfügbarkeit von Nachrichten machen es immer schwieriger, zwischen vertrauenswürdigen und weniger vertrauenswürdigen Quellen zu unterscheiden. In einer Zeit, in der die Quellenvielfalt nahezu unbegrenzt ist, sollte der Leser stets in der Lage sein, die Herkunft und die Qualität von Informationen kritisch zu hinterfragen, um sich vor den Gefahren des fehlgeleiteten Vertrauens zu schützen.