Die niederländischen Händler gehörten zu den Pionieren moderner Börsenmärkte. In Städten wie Amsterdam entstand eine Handelsumgebung, die es Investoren ermöglichte, Aktien zu tauschen. Doch mit der Konzentration vieler Händler in einem Raum wurde die Versuchung groß, mit allem zu handeln, auch mit Dingen, die man zum Zeitpunkt des Handels gar nicht besaß. Daraus entwickelte sich der Handel mit sogenannten Futures-Kontrakten – Vereinbarungen, etwas zu einem zukünftigen Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen.
Während das Rechtssystem in Holland damals das Vereinbaren von zukünftigen Käufen erlaubte, war das Verkaufen von etwas, das man nicht besaß, verboten. Das Ziel war es, spekulative Wetten auf steigende oder fallende Preise zu begrenzen, da diese Praktiken dem Glücksspiel ähnelten und als moralisch fragwürdig galten. Tatsächlich ist das Risiko beim Verkauf von nicht vorhandenen Gütern vergleichbar mit einem Glücksspiel, weil es oft auf reiner Spekulation basiert. Dennoch fanden solche Transaktionen, insbesondere mit Tulpenzwiebeln, in informellen Rahmen wie Tavernen statt, fernab der regulären Börsen, wo Futures eigentlich nicht erlaubt waren.
Diese informellen Märkte waren von einem Mangel an finanziellen Sicherheiten geprägt: Händler mussten kaum Geld hinterlegen, und die Verträge waren rechtlich kaum durchsetzbar. Dies schuf eine fast risikofreie Spekulationsplattform, die eine große Anzahl von Teilnehmern anlockte. Gerade bei standardisierten Tulpenzwiebeln waren die Einsätze zu Beginn niedrig, was das Aufkommen einer Spekulationsblase förderte. Die Preise stiegen rasant, sodass eine einzelne Pfund Tulpenzwiebeln innerhalb weniger Monate Hunderte von Gulden wert wurde, ein Betrag, der für viele Händler abschreckend wirkte.
Der Zusammenbruch der Tulpenblase 1637 geschah, als Käufer und Verkäufer sich nicht mehr auf Preise einigen konnten und viele ihre Verträge einfach ignorierten oder nur einen Bruchteil der Forderungen zahlten. Trotz der dramatischen Preissteigerungen und dem anschließenden Einbruch gab es keine Hinweise auf weitreichende wirtschaftliche Schäden oder zahlreiches persönliches Ruinieren, da die meisten Transaktionen auf spekulativem „Luftgeld“ beruhten. Die Tulpenpreise kehrten bald zu ihren ursprünglichen Niveaus zurück, und die traditionelle Tulpenzucht blieb unversehrt.
Dieses historische Beispiel illustriert, wie das Fehlen von ausreichenden finanziellen Sicherheiten und das Ignorieren rechtlicher Absicherungen zu übermäßigen Risiken führen können. Wenn Marktteilnehmer kaum eigenes Kapital riskieren müssen, sind sie eher geneigt, spekulative Blasen zu befeuern, ohne die möglichen Konsequenzen zu tragen. Die Mechanismen von Futures und Spekulationen wirken auch heute noch ähnlich und verdeutlichen die Bedeutung von Regulierung und Kontrolle in Finanzmärkten.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass spekulative Manien oft durch soziale und psychologische Faktoren verstärkt werden. So könnten etwa externe Ereignisse wie Epidemien die Risikobereitschaft beeinflussen, indem sie Menschen kurzfristig weniger risikoscheu machen. Ebenso trägt das „Hausgeld-Effekt“-Phänomen dazu bei, dass Händler mit vermeintlich „freiem“ Kapital eher bereit sind, hohe Risiken einzugehen.
Endtext
Wie Arbitragetrades und Konvergenzgeschäfte das Finanzsystem beeinflussten: Die Geschichte von John Meriwether und Long-Term Capital Management
Im Jahr 1977, in einem der führenden Broker-Dealer-Unternehmen an der Wall Street – Salomon Brothers, das für sein Anleihegeschäft bekannt war – erhielt der ehrgeizige Trader John Meriwether die Erlaubnis, eine Gruppe für den Handel mit Anleihen im Namen des Unternehmens zu gründen. Diese Gruppe, die „Domestic Fixed-Income Arbitrage Group“, sollte eine neue Ära des Arbitragehandels einläuten. Meriwether, der zu den ersten auf der Wall Street gehörte, die sogenannte „Quants“ – mathematisch und informatisch versierte Trader – einstellte, war überzeugt, dass der Erfolg des Anleihehandels nicht nur in Erfahrung und Intuition lag, sondern vor allem in der Entwicklung von mathematischen Modellen, die den Markt prädizieren konnten. So entstand eine der erfolgreichsten Handelsgruppen der damaligen Zeit.
Die Spezialität der Arbitragegruppe war das sogenannte „Konvergenzgeschäft“. Dabei handelte es sich um eine Wette darauf, dass die Renditen zweier Vermögenswerte im Laufe der Zeit zusammenlaufen würden. In einfachen Worten bedeutet dies, dass die Renditedifferenz zwischen zwei Anleihen voraussichtlich kleiner werden würde. Ein praktisches Beispiel lässt sich leicht erklären: Wenn eine sechsmonatige Staatsanleihe 3% Jahresrendite erzielt und eine dreimonatige Staatsanleihe nur 2,5%, so gibt es eine Differenz von 0,5%. Ein Konvergenzgeschäft ist nun die Wette, dass sich diese Differenz mit der Zeit verringern wird.
Die Grundlage dieses Geschäftsmodells liegt im inversen Zusammenhang zwischen dem Preis einer Anleihe und ihrer Rendite: Eine Anleihe mit höherer Rendite wird einen niedrigeren Preis haben, und umgekehrt. In diesem Beispiel würde der Preis der sechsmonatigen Anleihe mit 3% Rendite niedriger sein als der der dreimonatigen Anleihe mit 2,5%. Der Trader würde nun die sechsmonatige Anleihe kaufen, in der Hoffnung, dass ihr Preis steigen wird, und gleichzeitig die dreimonatige Anleihe verkaufen, in der Erwartung, dass ihr Preis fallen wird.
Ein erfolgreicher Trader würde in einem solchen Fall auf beiden Seiten des Geschäfts einen Gewinn erzielen. Sollte sich jedoch die Situation nicht wie erwartet entwickeln, so würde der Verlust auf einer Seite durch den Gewinn auf der anderen Seite kompensiert werden, solange die Konvergenz tatsächlich eintritt. In einem typischen Arbitragegeschäft verkauft der Trader also das Asset mit dem höheren Preis und kauft das mit dem niedrigeren Preis, um von der Konvergenz der Renditen zu profitieren.
Jedoch ist es wichtig zu betonen, dass es sich bei einem Konvergenzgeschäft nicht um echtes Arbitrage handelt – es bleibt eine spekulative Strategie. Wahre Arbitragegeschäfte garantieren Gewinne unabhängig von den Marktbewegungen, da sie auf Marktineffizienzen setzen, die mit nahezu null Risiko ausgenutzt werden können. Solche Gelegenheiten sind jedoch äußerst selten. Auch beim Konvergenzhandel bleibt ein gewisses Risiko bestehen: Es gibt keine Garantie, dass sich die Renditedifferenzen tatsächlich verringern; im Gegenteil, diese könnten sogar weiter auseinanderdriften.
Mathematische und statistische Modelle spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Sie helfen den Händlern, Zeiträume zu identifizieren, in denen die Differenz zwischen den Renditen zweier Vermögenswerte voraussichtlich konvergieren wird. Diese Modelle berechnen das durchschnittliche Spread zwischen den beiden Assets. Sobald der Spread signifikant breiter ist als im historischen Durchschnitt, wird der Trader das Konvergenzgeschäft aktivieren, in der Hoffnung, dass sich der Markt wieder normalisieren wird.
Für mehr als ein Jahrzehnt erzielte die Arbitragegruppe von Salomon kontinuierliche Gewinne durch ihre Konvergenzgeschäfte, nicht nur mit Anleihen, sondern auch mit derivativen Finanzinstrumenten. Meriwether stieg in der Folge zum Leiter des gesamten Anleihengeschäfts bei Salomon auf, doch die Tatsache, dass er sich weiterhin überwiegend auf die Arbitragegruppe konzentrierte, sollte ihm letztlich zum Verhängnis werden. 1991 wurde ein Vorfall öffentlich, bei dem ein Salomon-Händler, Paul Mozer, bei einer Auktion von US-Staatsanleihen manipulierte, um für das Unternehmen einen größeren Anteil an den neu ausgegebenen Anleihen zu erhalten. Meriwether versäumte es, den Vorfall angemessen zu verfolgen, was zu einem Skandal führte, der ihm seinen Job kostete.
Trotz dieses Rückschlags blieb Meriwether als Händler eine bekannte Größe und gründete einen Hedgefonds, Long-Term Capital Management (LTCM), der den Versuch unternahm, mit Hilfe von Modellen-basierter Handelsstrategien überdurchschnittliche Renditen zu erzielen. Der Begriff „Hedgefonds“ selbst stammt ursprünglich von der Praxis, gleichzeitig Aktien zu kaufen und andere zu verkaufen, um das Risiko zu „hedgen“. Diese Fonds haben jedoch wenig mit wirklichem Hedging zu tun; stattdessen erfordert die Erzielung von Marktrenditen erhebliche Risiken.
LTCM konnte auf Anhieb 1,25 Milliarden Dollar Kapital sammeln, was zu dieser Zeit die größte Summe für einen Hedgefonds war. Das Ziel von Meriwether war es, mit seinem „Traumteam“ aus hochrangigen Finanztheoretikern, darunter Robert Merton und Myron Scholes, sowie dem stellvertretenden Vorsitzenden der Federal Reserve, David Mullins, eine neue Ära der Finanzmarktmodellierung einzuleiten. Doch trotz des vielversprechenden Starts beinhaltete die Strategie von LTCM oft sehr kleine Zinsspreads, was die Risiken im Handel mit Anleihen und derivativen Instrumenten enorm erhöhte.
Die Philosophie hinter den Konvergenzgeschäften und Arbitrage handelt von der Nutzung von Markteffizienzen und der Hoffnung auf eine Normalisierung. Was oft übersehen wird, ist, dass ein solches Vorgehen trotz mathematischer Modellierung von enormen Risiken begleitet ist. Ein gewisses Maß an Unsicherheit bleibt immer bestehen. Besonders in volatilen Märkten können solche Modelle auch versagen, was durch das spätere Scheitern von LTCM eindrucksvoll belegt wird.
Wie entstand die Krise bei Long-Term Capital Management und welche Lehren zieht man daraus?
Long-Term Capital Management (LTCM) geriet Ende der 1990er Jahre in eine dramatische Krise, die exemplarisch für die Risiken steht, die entstehen, wenn Vertrauen in komplexe mathematische Modelle und unzureichende Marktliquidität aufeinandertreffen. Trotz eines zunächst beeindruckenden Erfolgs führte die Kombination aus hochgradig gehebelten Positionen und unerwarteten Marktbewegungen dazu, dass LTCM innerhalb weniger Wochen Milliarden an Kapital verlor. Die große Anzahl von Handelspositionen über diverse Anlageklassen machte es nahezu unmöglich, neue Investoren zu gewinnen. Vier Wochen intensiver Kapitalakquise blieben erfolglos, während weitere zwei Milliarden US-Dollar aus dem Fondsvermögen verdampften. Die Insolvenz des Hedgefonds wurde zu einer realen Bedrohung – nicht nur für LTCM selbst, sondern auch für die Banken, die diesem Milliarden an Krediten gewährt hatten.
Eine Zwangsliquidation hätte angesichts der angespannten Marktbedingungen zu massivem Wertverlust der Vermögenswerte geführt, was die Verluste der Kreditgeber dramatisch erhöht hätte. Die beteiligten Banken standen vor dem Problem, dass sie individuell hohe Verluste erleiden würden, jedoch keine klare Instanz existierte, die eine koordinierte Rettungsmaßnahme anführen konnte. Dieses sogenannte Koordinationsversagen, ein klassisches wirtschaftliches Dilemma, blockierte zunächst jegliche kollektive Lösung. Keine Bank wollte die Rolle des Organisators übernehmen, aus Furcht, von den anderen übervorteilt zu werden.
Erst durch das Eingreifen der Federal Reserve Bank von New York, die widerwillig als Koordinator auftrat, konnten Vertreter von 14 großen Banken aus den USA und Europa zusammengebracht werden, um eine gemeinsame Kapitalzufuhr von 3,6 Milliarden US-Dollar zu vereinbaren. Die Geschäftsführung von LTCM blieb unter strenger Aufsicht weiterhin für das Management der Handelspositionen verantwortlich. Trotz fortdauernder Verluste beruhigte sich der Markt im Verlauf einiger Monate, wodurch das Kapital des Fonds wieder auf über drei Milliarden anstieg. Danach entschieden sich die Banken für eine schrittweise Auflösung des Fonds.
Die LTCM-Krise offenbart fundamentale Schwächen im Umgang mit Modellrisiken. John Meriwethers Team war überzeugt, dass ihre Modelle den Markt schlagen könnten. Doch der Markt zeigte sich resistent gegen Vorhersagen, die von mathematischen Modellen ausgehen, und widersetzte sich über längere Zeit deren Prognosen, was zum Untergang des Fonds führte. Dies illustriert die Grenzen quantitativer Modelle, die trotz großer Komplexität und vermeintlicher Präzision niemals vollständige Sicherheit bieten können.
Parallel zu LTCM entwickelte sich Value at Risk (VaR) als eines der zentralen Instrumente des modernen Risikomanagements. Die große Herausforderung für Banken wie J.P. Morgan lag darin, die vielfältigen und komplexen Risiken ihrer Händler zu messen und dadurch begrenzbar zu machen. VaR war ein innovatives statistisches Instrument, das die potenziellen Verluste eines Portfolios innerhalb eines bestimmten Zeitraums mit einer festgelegten Wahrscheinlichkeit quantifizierte. Dadurch wurde es möglich, Kapitalreserven angemessen zu bemessen und individuelle Risikolimits für Händler zu setzen. Die einfache, dennoch aussagekräftige Sprache des VaR-Modells ermöglichte es Managern, Risiken zu verstehen und zu kommunizieren, ohne alle Details der Einzelpositionen kennen zu müssen. Zudem ließ sich VaR flexibel auf unterschiedliche Risikotypen anwenden, von Markt- bis zu Kredit- und operationellen Risiken.
Trotz seiner Vorteile blieb VaR ein Modell mit inhärenten Schwächen, die vielfach ignoriert wurden, solange die Märkte stiegen und Gewinne erzielten. Die blind vertrauende Nutzung von VaR führte dazu, dass Händler immer größere Risiken eingingen, in dem Glauben, die Verluste durch das Modell absichern zu können. Dies zeigte sich besonders in der Finanzkrise von 2008, als Verluste die prognostizierten Grenzen des VaR bei Weitem überschritten. Die Krise offenbarte, dass Modelle nie als absolute Garantien verstanden werden dürfen, sondern immer mit Vorsicht und zusätzlicher kritischer Kontrolle eingesetzt werden müssen.
Neben den offensichtlichen Risiken in den Modellen und der Marktstruktur zeigt die LTCM-Geschichte auch, wie wichtig eine sorgfältige Due-Diligence-Prüfung ist. Die Tatsache, dass LTCM als „Dream Team“ von Superstars galt, führte dazu, dass Kreditgeber ihre Überprüfungen und Kontrollen lockerten. Diese Problematik besteht weiterhin: Die Anziehungskraft von berühmten Managern, Regierungsbeamten oder Akademikern kann dazu führen, dass die Risikobewertung und Aufsicht bei der Gründung neuer Fonds unzureichend bleibt. Es ist daher unerlässlich, dass institutionelle Investoren und Aufsichtsbehörden bei der Bewertung von Fondsgründungen und neuen Investitionsstrategien eine unabhängige und gründliche Prüfung sicherstellen.
Das Verhalten der Finanzinstitutionen während der LTCM-Krise zeigt zudem die Wichtigkeit koordinierter Interventionen in Systemkrisen. Ohne die Rolle der Federal Reserve Bank als Vermittler hätte die Krise wohl zu einem weit größeren finanziellen Kollaps geführt. Dies unterstreicht die Bedeutung stabiler und handlungsfähiger Regulierungs- und Aufsichtssysteme, die im Notfall rasch und effektiv eingreifen können.
Wichtig zu verstehen ist, dass die Finanzmärkte inhärent unvorhersehbar sind und die Modelle, so ausgefeilt sie auch sein mögen, nur Annäherungen an eine viel komplexere Realität bieten. Vertrauen in mathematische Modelle darf nicht zur Selbsttäuschung führen. Darüber hinaus sollten Risiko- und Kreditgeber stets die systemischen Auswirkungen ihrer Entscheidungen berücksichtigen und sich der Gefahr eines Koordinationsversagens bewusst sein. Nur durch kritische Reflexion der eigenen Annahmen, transparente Kommunikation und interinstitutionelle Zusammenarbeit lassen sich die Risiken auf den Finanzmärkten besser steuern und größere Krisen verhindern.
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