Aktivismus wird oft als Aufruf zur Erneuerung des linken Denkens verstanden, das weniger naiv ist und den Anspruch verfolgt, „einen nicht-dogmatischen, nicht-religiösen, nicht-absurden Marxismus“ zu schaffen. Doch stellt sich die Frage, wie eine solche Vision mit der Ideologiekritik in Einklang gebracht werden kann. In seinem Essay „The Problem of Ideology: Marxism Without Guarantees“ (1996a) zeigt Stuart Hall auf, wie eine theoretische und epistemologische Reform erforderlich ist: „Ich möchte die auffälligsten Schwächen und Begrenzungen der klassischen marxistischen Formulierungen zur Ideologie identifizieren; und bewerten, was gewonnen wurde, was verloren gehen sollte und was beibehalten und vielleicht neu überdacht werden muss“ (S. 28). Doch inwiefern kann die Ideologiekritik in der heutigen Zeit überhaupt noch bestehen? Kann die Linke das Konzept von „Wahrheit“ zugunsten einer „Post-Wahrheit“-Politik ablegen, oder erfordert die zeitgenössische Politik nicht vielmehr eine Wiederaufnahme und Neubewertung der Fragen der Epistemologie und des Wahrheitsbegriffs?

Slavoj Žižek stellt in diesem Zusammenhang eine zentrale Frage: „Ist das Konzept der Ideologie in Anbetracht des heutigen Standes der epistemologischen Reflexion nicht selbstwidersprüchlich?“ (1994b, S. 3). Er möchte eine radikale Skepsis gegenüber der Ideologiekritik entwickeln – basierend auf spezifischen Fehlschlägen der Linken. Doch zugleich verteidigt er auch weiterhin das Konzept der Ideologie und der Wahrheit. Für Žižek bleiben diese epistemologischen Fragen entscheidend für die Möglichkeit radikaler demokratischer Kämpfe in der Gegenwart. Auch Ernesto Laclau (1989) hebt in seinem Vorwort zu einem früheren Text von Žižek hervor, dass Žižek „einer der wichtigsten Bezugspunkte des sogenannten ‚Slowenischen Frühlings‘ war, der Demokratisierungskampagnen, die in den letzten Jahren stattfanden“ (S. xi).

Die zunehmenden Spannungen mit dem Populismus und die Frage der „Wahrheit“ – sowohl in der Rechten als auch der Linken – werfen eine neue Perspektive auf die politische Landschaft. Einige Kommentatoren, die den Erfolg der „Alt-Right“ beobachten, argumentieren, dass die Linke bestimmte Aspekte der rechten Rhetorik übernehmen müsse, etwa im Hinblick auf Fragen der Einwanderungspolitik. Andere warnen davor, dass das Nachahmen der Populistischen Rechten der Linken nichts bringen wird. Diese letzte Ansicht vertritt Gas Muddle (2019) in seinem wichtigen Artikel „How to Save Social Democracy“. Muddle argumentiert, dass die Mitte-Links-Parteien zwar seit zwei Jahrzehnten an Boden verlieren, die Antwort der Linken jedoch nicht darin liegen kann, sich der rechten Populismusrhetorik anzupassen. Dieser Gedankengang verweist auf ein grundsätzliches epistemologisches Problem, das in vielen politischen Debatten der Gegenwart übersehen wird: Der Wissensbegriff („Wie kann ich wissen?“) wird zugunsten taktischer oder pragmatischer Zwecke von Macht und Überzeugung in den Hintergrund gedrängt.

Die strategische Mimikry der Rechten durch einige linke Denker birgt jedoch das Risiko, dass sich die Linke – wie einst der italienische Faschismus – einer politischen „Eklektizität“ hingibt, die es ihr ermöglicht, ihre Perspektiven flexibel zu verändern, ohne eine feste ideologische Position zu vertreten. Diese problematische Flexibilität führt zu einer Gefahr: Die klare ideologische Trennung zwischen Links und Rechts verschwimmt. Muddle zieht eine Parallele zur italienischen Faschismusbewegung, die – durch ihre Widersprüchlichkeit und mangelnde Epistemologie – in einer historischen Krise auf die Herausforderung einer kritischen Bürgerschaft und fundierter Wissensaneignung nicht vorbereitet war. Diese eklektische Haltung mag kurzfristig politische Erfolge ermöglichen, entpuppt sich jedoch auf lange Sicht als fatal.

Die Konsequenzen für die Linke sind ernst: Der Verlust des Wahrheitsbegriffs und die Ablehnung einer festen ideologischen Grundlage führen zu einer Politik der kurzfristigen Effizienz, die weder langfristige Werte noch die tief verwurzelte sozialdemokratische Vision einer gerechten Gesellschaft retten kann. Muddle selbst argumentiert, dass die Linke einen grundlegenden Kurswechsel vornehmen müsse, um ihre eigene Vision zu retten: „Der Schlüssel zur Wiederbelebung der Sozialdemokratie ist die Rückkehr zu ihren fundamentalen Ideen und politischen Zielen – Egalitarismus, soziale Gerechtigkeit, Solidarität, das Recht auf soziale Absicherung und ein umfassendes Wohlfahrtssystem“ (S. 10).

Im Gegensatz dazu betont Žižek in seiner Auseinandersetzung mit der Ideologie, dass der Begriff der Ideologie, trotz seiner Mängel und der häufigen Korrekturen, die durch die Kritiken vorgenommen wurden, nach wie vor notwendig und relevant bleibt. In der Sammlung „Mapping Ideology“ (1994a), die er herausgibt, zieht er den Schluss, dass „obwohl es keine klare Linie gibt, die Ideologie von der Realität trennt, obwohl Ideologie bereits in allem wirkt, was wir als ‚Realität‘ erfahren, wir dennoch die Spannung aufrechterhalten müssen, die die Ideologiekritik lebendig hält“ (Žižek, 1994b, S. 17).

Die Frage, ob die Ideologiekritik ihre Relevanz im politischen Diskurs verloren hat, lässt sich nicht pauschal beantworten. Es bleibt eine ständige Herausforderung für die Linke, ihre Positionen zu definieren, ohne sich in einer populistischen oder post-ideologischen Logik zu verlieren, die der Wahrheit und einer fundierten Epistemologie den Rücken kehrt. Gerade die kritische Auseinandersetzung mit der Wahrheit, der Ideologie und der Wissensproduktion sollte als zentrales Anliegen linker politischer Theorie und Praxis bleiben. Denn nur durch das Aufrechterhalten einer kontinuierlichen, selbstreflexiven Auseinandersetzung mit den epistemologischen Grundlagen der eigenen politischen Position kann eine wirklich progressive, demokratische und gerechte Gesellschaft hervorgebracht werden.

Wie kann ein Lehrer den Schülern dialektisches Denken beibringen, um eine kritische Haltung gegenüber gesellschaftlichen Problemen zu entwickeln?

Das dialektische Denken stellt eine wichtige Fähigkeit dar, die es den Schülern ermöglicht, komplexe gesellschaftliche Themen zu verstehen und sie differenziert zu betrachten. Ein Beispiel aus der Praxis verdeutlicht, wie diese Denkweise in einem Klassenzimmer angewendet werden kann, um kritische und unabhängige Urteile zu fördern. Ein Geschichtsprofessor an einer amerikanischen Universität könnte zum Beispiel die Civil Rights Movement im Unterricht behandeln und dabei eine aktuelle, kontroverse Frage aufgreifen: den Protest von Colin Kaepernick, dem ehemaligen Quarterback der San Francisco 49ers, der sich weigerte, während der Nationalhymne im Fußballstadion zu stehen. Dies führte zu einer landesweiten Debatte über Rassismus, Respekt und Patriotismus, die noch immer in der amerikanischen Gesellschaft nachhallt.

Die Professorin könnte zu Beginn des Gesprächs mit einer detaillierten Analyse der Protesthandlungen von Kaepernick und anderen schwarzen Sportlern beginnen. Es geht dabei um den Protest gegen Polizeigewalt und rassistische Diskriminierung. Um das Thema zu vertiefen, könnten die Studierenden ein Artikel über die rassistische Voreingenommenheit in der Polizeiarbeit lesen und die spezifischen Fakten kennenlernen, die Kaepernicks Aktion untermauern. Anhand solcher Informationen wird der differenzierte Blick auf das Thema geschärft. Die Studierenden sind gefordert, ihre eigenen emotionalen Reaktionen auf den Protest zu hinterfragen und sich mit den tiefer liegenden gesellschaftlichen und politischen Mechanismen auseinanderzusetzen.

Wichtig ist, dass eine solche Diskussion nicht oberflächlich bleibt. Die Professorin müsste die Geschichte von Protesten durch schwarze Athleten in den USA thematisieren und die Parallelen zur Bürgerrechtsbewegung und den gewaltfreien Protesten jener Zeit aufzeigen. Sie könnte den Protest von Tommie Smith und John Carlos bei den Olympischen Spielen in Mexiko-Stadt 1968 ansprechen, bei dem beide Athleten während der Siegerehrung den Black Power Gruß zeigten. Diese historische Perspektive würde den Studierenden helfen, die Proteste von Kaepernick und anderen Sportlern in einen größeren sozialen Kontext einzuordnen.

Die nächste Phase des dialektischen Denkens ist es, Widersprüche in den aktuellen Ansichten der Studierenden zu finden und zu thematisieren. Hierbei ist es entscheidend, dass die Professorin die Studierenden zu einer kritischen Reflexion ihrer eigenen Überzeugungen anregt. Sie könnte Fragen stellen wie: „Warum fühlen sich weiße Amerikaner anders als schwarze Amerikaner in Bezug auf solche Proteste?“ oder „Inwiefern unterscheidet sich der Protest von Kaepernick von den gewaltfreien Protesten der Bürgerrechtsbewegung?“ Diese Fragen sollen den Studierenden helfen, eigene Widersprüche und Missverständnisse zu erkennen und ihre Haltung zu überdenken.

Ein wichtiger Bestandteil dieser Diskussion könnte es auch sein, zu hinterfragen, warum Kaepernick trotz seiner umstrittenen Protestaktion 2018 den „Amnesty International Ambassador of Conscience Award“ erhielt. Diese Anerkennung deutet darauf hin, dass Kaepernicks Engagement über die einfache Frage des Respekts hinausgeht. Es gibt tiefere, politisch und sozial motivierte Gründe für seine Entscheidung, und diese sollten im Unterricht ebenfalls thematisiert werden.

Der letzte Schritt im dialektischen Prozess besteht darin, das Thema zu organisieren und zu evaluieren. Es ist wichtig, dass die Studierenden am Ende des Unterrichts ihre Perspektiven reflektieren. Vielleicht haben sie ihre Meinungen geändert oder zumindest neue Einsichten gewonnen. Eine Reflexionsarbeit, in der die Studierenden ihre ursprünglichen Gedanken zum Thema mit ihren neuen Erkenntnissen vergleichen, könnte ein effektives Mittel sein, um das Lernen zu vertiefen.

Dialektisches Denken lehrt uns, gesellschaftliche Themen nicht als einseitige Fragen zu betrachten, sondern sie in ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit zu verstehen. Es geht nicht nur darum, eine Position zu vertreten, sondern darum, die verschiedenen Perspektiven zu erkennen und in einen historischen und sozialen Kontext zu setzen. Lehrer, die ihren Schülern diese Denkweise vermitteln, leisten einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung kritischer, selbstständiger Denker, die in der Lage sind, komplexe gesellschaftliche Probleme differenziert zu betrachten.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Lehrer sich nicht scheuen, kontroverse Themen im Unterricht anzusprechen. Die Fähigkeit, kritisch und dialektisch zu denken, ist eine der wichtigsten Kompetenzen, die junge Menschen benötigen, um in einer zunehmend polarisierten Welt fundierte Entscheidungen treffen zu können. Nur durch den offenen und differenzierten Umgang mit solchen Themen kann eine aufgeklärte und engagierte Gesellschaft entstehen.

Die Auswirkungen von Fehlinformationen und politischer Impulsivität auf die Gesellschaft

In der heutigen Ära, in der Fernsehen und soziale Medien eine dominante Rolle spielen, erleben wir, wie entscheidende politische Entscheidungen zunehmend auf der Basis von Inhalten getroffen werden, die eng mit einer Handvoll Verschwörungstheoriesites verbunden sind. Dies geschieht häufig unter der Dominanz einer „Bauchgefühl“-Tyrannei, die als rationale Entscheidungsfindung maskiert wird. Die Folgen dieser impulsiven Entscheidungen, die von Verschwörungstheorien genährt werden, werden dann so dargestellt, als ob sie gut durchdacht und faktisch fundiert seien – oder sie werden im Namen der „journalistischen Fairness“ verbreitet, wodurch die Grenze zwischen Wahrheit und Falschinformationen weiter verwischt wird.

Ein klares Beispiel dafür ist die Untersuchung der Amtsenthebung von Donald Trump, bei der viele republikanische Politiker anstatt auf konkrete Fragen zu Trumps Verhalten gegenüber der Ukraine ein ums andere Mal die gleichen Verschwörungstheorien wiederholten. Diese Strategien nahmen während der Anhörungen sogar die Form von lauten, wiederholten Fragen an, die im Wesentlichen nichts anderes waren als die Wiederholung der Verschwörungspunkte. Trump selbst, der sich weigerte, unter Eid auszusagen, machte dennoch keine Pause, seine Gedanken auf Twitter zu teilen und dabei dieselben Verschwörungstheorien über die Ukraine und Hunter Biden, den Sohn des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden, zu verstärken.

Nach der Ermordung von General Soleimani verwandelte sich dieses endlose Gerede in nachträgliche Rechtfertigungen für Trumps Handlungen, wobei iranische Beamte als Terroristen dargestellt wurden, die angeblich amerikanische Bürger ins Visier genommen hatten und bereits „Amerikaner getötet“ hätten. Diese Narrative wurden schnell von Trump in seinen Tweets verbreitet und stützten sich auf einige dubiose Verschwörungsseiten.

Ein besonders erschreckendes Phänomen in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass ein Teil der Bevölkerung jetzt nur noch Trump als den letzten „Wahrheitsrichter“ anerkennt. Diese Situation lässt sich durch die Linse der Religiosität und der weißen Identität erklären, wie Jeremy Godwin in einem Kapitel treffend darlegt. Evangelikale Wähler, die Trump als eine messianische Figur betrachten, übersehen seine offensichtlichen Widersprüche und akzeptieren unkritisch alles, was er sagt und tut, als „Wahrheit“. Jede Kritik an Trump, selbst von anderen Republikanern, wird sofort als „voreingenommen“ abgewiesen. Dies betrifft auch die Medien, die entweder ignoriert oder direkt angegriffen werden. Die evangelikalen Unterstützer Trumps sahen in der Ermordung von Soleimani einen wichtigen Schritt, um die Endzeit herbeizuführen und die Prophezeiungen zu erfüllen, ähnlich wie sie während der Bush-Ära die „Intelligenz“ über Massenvernichtungswaffen im Irak akzeptierten.

Die Ironie liegt darin, dass Trumps Handlungen nicht das Ergebnis einer durchdachten politischen Philosophie sind, sondern vielmehr reine Impulse, die als kluge politische Kalkulationen getarnt werden. Dennoch betrachten seine Anhänger ihn als einen „Wahrheitsbringer“, dessen jeder Schritt göttlich interpretiert werden kann.

Eine weitere Dimension dieses Problems ist der wachsende Rassismus, wie Daniel Rubin in einem weiteren Kapitel beschreibt. Dies führte letztlich dazu, dass eine Mehrheit weißer Amerikaner, die Trump 2016 wählten, in seiner Unterstützung verblieb. Auch wenn seine Popularität unter dieser Demografie nun etwas gesunken ist, hat die Republikanische Partei ihre Rolle als politische Organisation weißer Nationalisten gefestigt. Sie setzt weiterhin auf das antiquierte Wahlkollegesystem, parteiische Wahlkreismanipulation und Wählerunterdrückung, um ihre politischen Siege zu sichern, während sie gleichzeitig die demografische Vielfalt verliert.

Trotzdem bleibt die übergeordnete Herausforderung bestehen: Das Fortbestehen eines politischen Systems, in dem eine der beiden großen Parteien nach wie vor um jeden Preis absolute politische Macht behalten möchte. Die Rationalität der politischen Entscheidungsfindung scheint innerhalb der Republikanischen Partei de facto tot zu sein, aber es gibt Hoffnung, dass eine wachsende Aktivismusbewegung unter jungen und marginalisierten Wählern, die genug von diesem Chaos haben, die Oberhand gewinnen könnte.

Parallel dazu verdeutlichen die verheerenden Buschfeuer in Australien, die seit Oktober 2019 die Landschaft und die Tierwelt zerstören, die Dringlichkeit, sich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen. Trotz des offensichtlichen Beweises für die Rolle des Menschen in der globalen Erwärmung, wie es der Tod von 500 Millionen Tieren und 24 Menschen belegt, schieben rechte Social-Media-Aktivisten immer noch die Schuld auf andere Ursachen wie Brandstiftung. Es ist jedoch wichtig zu erkennen, dass die Verbreitung falscher Informationen und die Priorisierung von Unternehmensinteressen über das Leben von Menschen und Tieren noch weitreichendere und nachhaltigere Folgen haben könnten. Während wir uns zu Recht auf lokale Ungerechtigkeiten und die mangelnde Rechenschaftspflicht der herrschenden Klasse konzentrieren, bleibt der Klimawandel ein unbestreitbares, globales Problem, das nicht einfach weggetwittert werden kann.

Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass wir uns nicht nur mit den direkten, kurzfristigen politischen und sozialen Problemen auseinandersetzen, sondern auch mit den langfristigen Herausforderungen, die sich durch die Vernachlässigung von Fakten und die Förderung von Desinformation auf globaler Ebene ergeben. Der Klimawandel ist ein solches Problem, das nicht von den impulsiven Handlungen oder den falschen Narrativen politischer Führer übertüncht werden kann.