Im Kontext der Variationsrechnung und Sobolev-Räume stellt sich die Frage nach der Existenz eines Minimierers für Funktionale, die in diesen Räumen definiert sind. Ein häufig betrachtetes Beispiel ist das Funktional

F(u)=ΩH(u)dxΩfG(u)dx,F(u) = \int_\Omega H(\nabla u) \, dx - \int_\Omega f G(u) \, dx,

wobei uu eine Funktion aus einem Sobolev-Raum ist, Ω\Omega ein offenes Teilgebiet des RN\mathbb{R}^N, und HH, GG sowie ff gegebene Funktionen sind. Das Ziel ist es, das Infimum dieses Funktionals zu bestimmen und zu zeigen, dass es mindestens einen Minimierer gibt.

Existenzaussage eines Minimierers

Zunächst wird gezeigt, dass das infimale Funktional nicht unendlich negativ wird. Sei unW01,p(Ω)u_n \in W^{1,p}_0(\Omega) eine Familie von Funktionen, die das Funktional erfüllen, d.h.

ΩH(un)dxΩfG(un)dxm+ϵn,\int_\Omega H(\nabla u_n) \, dx - \int_\Omega f G(u_n) \, dx \leq m + \epsilon_n,

für jedes nNn \in \mathbb{N}. Diese Funktionalreihe hat eine obere Schranke, was es ermöglicht, die Beschränktheit der Sequenz {un}\{u_n\} in W01,p(Ω)W^{1,p}_0(\Omega) nachzuweisen. Eine wichtige Rolle spielt hier die Poincaré-Ungleichung, die sicherstellt, dass die {un}\{u_n\}-Sequenz in W01,p(Ω)W^{1,p}_0(\Omega) beschränkt bleibt. Diese Beschränktheit garantiert nach einem bekannten Resultat (siehe Satz 3.3.6), dass eine schwache Konvergenz der Sequenz in den Sobolev-Raum W1,p(Ω)W^{1,p}(\Omega) existiert, wobei ein subsequenter Grenzwert vv gefunden wird. Dabei zeigt die schwache Konvergenz, dass der Funktionswert vv ebenfalls ein Minimierer des Funktionals ist.

Durch die Verwendung von Halbstetigkeit und den oben genannten Schätzungen erhält man schließlich die Ungleichung

ΩH(v)dxΩfG(v)dxm,\int_\Omega H(\nabla v) \, dx - \int_\Omega f G(v) \, dx \geq m,

was die Existenzaussage eines Minimierers vW01,p(Ω)v \in W^{1,p}_0(\Omega) bestätigt.

Euler-Lagrange-Gleichung

Nach der Existenz eines Minimierers vv müssen wir noch zeigen, dass dieser Minimierer eine schwache Lösung der zugehörigen Euler-Lagrange-Gleichung erfüllt. Die Euler-Lagrange-Gleichung für ein Variationsproblem lautet

ΩH(v),φdx=ΩfG(v)φdx,φC0(Ω),\int_\Omega \langle \nabla H(\nabla v), \nabla \varphi \rangle \, dx = \int_\Omega f G'(v) \varphi \, dx, \quad \forall \varphi \in C_0^\infty(\Omega),

wobei φ\varphi eine Testfunktion ist. Um dies zu beweisen, betrachten wir die Funktionalgleichung, die durch Variation von vv in Richtung einer Testfunktion φ\varphi aufgestellt wird. Die Minimierung des Funktionals führt zu der Bedingung, dass die erste Variation des Funktionals an der Stelle t=0t = 0 verschwindet, was durch den Satz von Fermat zu einer Gleichung für die Ableitungen führt. Diese Bedingungen garantieren, dass die Minimierer die Euler-Lagrange-Gleichung erfüllen.

Weitere Überlegungen

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Schwäche der Konvergenz in Sobolev-Räumen eine zentrale Rolle spielt, weil sie es ermöglicht, die existierenden Minimierer trotz der möglichen Nicht-Beschränktheit von ΩH(u)dxΩfG(u)dx\int_\Omega H(\nabla u) \, dx - \int_\Omega f G(u) \, dx zu finden. Diese Art der Konvergenz erfordert die Verwendung von Halbstetigkeitssätzen und anderen topologischen Überlegungen, die typischerweise bei der Behandlung von Problemen in nichtkompakten Räumen eine Rolle spielen.

Es muss auch beachtet werden, dass in einigen Fällen das Funktional nicht unter den Annahmen des Theorems minimiert werden kann. Beispielsweise für den Fall qpq \geq p kann es passieren, dass das Funktional nicht beschränkt ist und daher kein Minimierer existiert. Ein solches Beispiel wurde bereits im Zusammenhang mit dem harmonischen Oszillator besprochen.

Es ist zudem entscheidend, dass die Euler-Lagrange-Gleichung nicht nur für die Minimierer gilt, sondern dass die schwache Lösung dieser Gleichung auch als Grenzwert einer Folge von Funktionen unu_n in einem geeigneten Sobolev-Raum betrachtet werden kann. Dies garantiert die Existenz von Lösungen auch unter weniger idealen Bedingungen, wie sie in realen Anwendungen vorkommen können.

Wie man die Euler-Lagrange-Gleichung als schwache Formulierung betrachtet und Lösungen findet

Die schwache Formulierung der Euler-Lagrange-Gleichung lautet:

δF(u)[φ]=0,fu¨r alle φC0((1,1)),\delta F(u)[\varphi] = 0, \quad \text{für alle } \varphi \in C_0^\infty((-1, 1)),

was sich explizit in die Form

11u(t)2u(t)φ(t)dt11f(t)φ(t)dt=0\int_{ -1}^{1} |u'(t)|^2 u'(t) \varphi'(t) \, dt - \int_{ -1}^{1} f(t) \varphi(t) \, dt = 0

übersetzen lässt. Die schwache Formulierung hat den Vorteil, dass sie auch für Funktionen gilt, die nicht notwendigerweise in den klassischen Funktionalanalysen beheimatet sind.

Um jedoch zur klassischen Formulierung zu gelangen, genügt es, den ersten Integralterm partiell zu integrieren. Dies führt zur umgekehrten Form der Euler-Lagrange-Gleichung:

\int_{ -1}^{1} \left( - \left( |u'(t)|^2 u'(t) \right)'\varphi(t) \, dt - \int_{ -1}^{1} f(t) \varphi(t) \, dt = 0.

Daraus folgt mit dem Du Bois-Reymond Lemma:

(u(t)2u(t))=f(t)im Intervall (1,1).\left( |u'(t)|^2 u'(t) \right)' = f(t) \quad \text{im Intervall} \ (-1, 1).

Dieser Schritt setzt jedoch voraus, dass die Funktion u(t)2u(t)|u'(t)|^2 u'(t) mindestens einmal differenzierbar auf dem Intervall [1,1][-1, 1] ist, was eine zusätzliche Regularität voraussetzt.

Versuch einer Lösung durch Annahmen und Integration

Nun versuchen wir, eine Lösung zu vermuten, indem wir die Gleichung formell manipulieren. Die Gleichung lautet nun:

(u(t)2u(t))=1auf (1,1).\left( |u'(t)|^2 u'(t) \right)' = 1 \quad \text{auf} \ (-1, 1).

Durch Integration erhalten wir eine Lösung der Form:

u(t)2u(t)=Ct,|u'(t)|^2 u'(t) = -C - t,

wobei CC eine geeignete Konstante ist. Eine mögliche Lösung für u(t)u'(t) ist die Funktion:

u(t)=(C+t)1/3.u'(t) = -\left( C + t \right)^{1/3}.

Nun integrieren wir diese Gleichung, um eine Lösung für u(x)u(x) zu finden:

u(x)=1x(C+t)1/3dt.u(x) = -\int_{ -1}^{x} \left( C + t \right)^{1/3} dt.

Durch die Anwendung der Integration erhalten wir:

u(x)=3((C43)3/4(C+x)3/4).u(x) = 3\left( \left(C - \frac{4}{3} \right)^{3/4} - (C + x)^{3/4} \right).

Die Konstante CC wird nun durch die Randbedingungen u(1)=u(1)=0u(1) = u(-1) = 0 bestimmt, und wir erhalten:

u(x)=3((14)3/4(C+x)3/4).u(x) = 3\left( \left(\frac{1}{4} \right)^{3/4} - (C + x)^{3/4} \right).

Überprüfung der Lösung als schwache Lösung

Nun überprüfen wir, ob diese Lösung tatsächlich eine schwache Lösung der Euler-Lagrange-Gleichung ist. Wir berechnen die Variation der Funktion, indem wir den Term 11u(t)2u(t)φ(t)dt\int_{ -1}^{1} |u'(t)|^2 u'(t) \varphi'(t) \, dt und den Term 11f(t)φ(t)dt\int_{ -1}^{1} f(t) \varphi(t) \, dt für jede Funktion φC0((1,1))\varphi \in C_0^\infty((-1, 1)) betrachten. Wir stellen fest, dass die Differenz dieser beiden Ausdrücke null ist, was bestätigt, dass u(x)u(x) eine schwache Lösung ist.

Einzigartigkeit der Lösung

Nun untersuchen wir die Einzigartigkeit der Lösung. Angenommen, vC1([1,1])v \in C^1([-1, 1]) ist eine andere schwache Lösung der gleichen Gleichung mit den Randbedingungen v(1)=v(1)=0v(-1) = v(1) = 0. Wenn wir die schwache Formulierung für uu und vv subtrahieren, erhalten wir:

11(u(t)2u(t)v(t)2v(t))φ(t)dt=0fu¨r alle φC0((1,1)).\int_{ -1}^{1} \left( |u'(t)|^2 u'(t) - |v'(t)|^2 v'(t) \right) \varphi'(t) \, dt = 0 \quad \text{für alle } \varphi \in C_0^\infty((-1, 1)).

Dieser Ausdruck zeigt, dass u(t)2u(t)v(t)2v(t)|u'(t)|^2 u'(t) - |v'(t)|^2 v'(t) konstant auf [1,1][-1, 1] ist. Da beide Lösungen dieselbe Form haben, müssen uu und vv übereinstimmen, was die Einzigartigkeit der Lösung zeigt.

Zusätzliche Betrachtungen

Die obigen Überlegungen führen uns zu einer soliden mathematischen Grundlage, um die Existenz und Einzigartigkeit von Lösungen der Euler-Lagrange-Gleichung im schwachen Sinne zu etablieren. Es wird jedoch auch deutlich, dass die Regularität der Lösung von entscheidender Bedeutung ist. Besonders hervorzuheben ist, dass die Lösung u(x)u(x) nicht notwendigerweise in C2([1,1])C^2([-1, 1]) ist, sondern nur in C1([1,1])C^1([-1, 1]). Dies bedeutet, dass die Lösung möglicherweise an bestimmten Stellen nicht differenzierbar ist, was die Notwendigkeit der Verwendung schwacher Lösungen unterstreicht.

Die Wahl der geeigneten Funktionalform und der zusätzlichen Regularitätsbedingungen ist für die korrekte Anwendung der Variationsmethoden entscheidend. Wenn man die Lösung für verschiedene Werte von pp betrachtet, kann man ebenfalls die Stabilität der Lösung und ihre Sensibilität gegenüber Veränderungen in den Randbedingungen oder in der Funktionalform analysieren.