In der späten Phase der Harappa-Kultur offenbart sich eine vielschichtige und differenzierte Besiedlungsstruktur, die sich sowohl im westlichen Raum des indischen Subkontinents als auch in der Mittel-Ganga-Ebene im Osten entfaltet. Die archäologischen Funde in Gujarat, insbesondere entlang des Flusses Hiran, belegen eine klare stratigraphische Unterscheidung: eine frühere Phase ohne glänzend rote Keramik und eine spätere, in der diese Art von Keramik in Verbindung mit spät-harappischer Ware erscheint. Ein aus Steinquadern und Lehmmörtel errichteter Gebäudekomplex mit unterteilten Kammern wurde als Lagerhaus interpretiert. Die Funde reichen von Steatit-Siegel-Amuletten, segmentierten Fayence-Perlen und würfelförmigen Hornstein-Klingen bis hin zu Kupferobjekten, Karneol-, Achat- und Chalcedonperlen sowie einem goldenen Ohrring.
An der Küste Gujarats, insbesondere in Dwarka und auf der Insel Bet Dwarka, kamen unterseeische Siedlungsreste zum Vorschein. Archäologen identifizierten Stadtmauern, Bastionen und einen monumentalen Anlegeplatz. Glänzend rote Keramik, Steinanker, ein harappisches Siegel mit einem dreiköpfigen Tier, eine Inschrift auf einem Keramikgefäß in Harappa-Schrift und Werkzeuge eines Kupferschmieds deuten auf intensive maritime und wirtschaftliche Aktivitäten hin. Thermolumineszenzdatierungen von Bet Dwarka ergaben ein Datum um 1570 v. Chr. – deutlich in der spät-harappischen Zeit verortet. Die Siedlungen im Rupen-Tal Nord-Gujarats zeigen eine Tendenz zur Kleinstrukturierung – viele befanden sich auf alten Sanddünen nahe Wasserquellen, oft mit dünnen Kulturschichten, was auf saisonale Lagerplätze pastoraler Gemeinschaften schließen lässt.
Kanewal, an der Mündung des Golfs von Khambhat, bietet ergänzende Hinweise auf runde Hütten in Flecht- und Lehmtechnik mit gestampften Böden. Die Artefakte – Terrakotta-Kuchen, Perlen aus Karneol, Fayence, Muschel und Ton, Spinnwirtel, Netzsenker, Kupferobjekte – spiegeln eine bemerkenswerte materielle Vielfalt wider. Harappa-Graffiti auf Keramikfragmenten legen ein Minimum an Schriftlichkeit nahe.
Im Osten, im fruchtbaren Tal des mittleren Ganga, besonders jenseits des Sarayu, eröffnet sich eine andere archäologische Szenerie. In Narhan, am nördlichen Ufer des Sarayu im heutigen Uttar Pradesh, wurde eine Besiedlungsabfolge vom 2. Jahrtausend v. Chr. bis ins 7. Jahrhundert n. Chr. freigelegt. Die früheste Phase (1300–700 v. Chr.), bekannt als Narhan-Kultur, war durch Flecht-Lehm-Häuser mit Herdstellen und Pfostenlöchern sowie charakteristische Keramik – weißbemalte Schwarz-Rot-Ware (BRW), schwarz geschlickerte Ware und schlichte rote Keramik – geprägt. Artefakte umfassten Knochenspitzen, Töpferscheiben, Terrakotta-Perlen, Wischer und Kugeln. Kupferobjekte wie Ringe und Angelhaken wurden chemisch analysiert und als niederzinnhaltige Bronze identifiziert. Die Metallverarbeitungstechniken umfassten Legierung, Kaltbearbeitung, Glühen und Guss – Hinweise auf ein hohes technologisches Niveau. Die Kupfererze stammten mutmaßlich aus den Rakha-Minen in Bihar.
Eine ungewöhnlich breite Palette pflanzlicher Reste – darunter kultivierter Reis, sechszeilige Gerste, verschiedene Weizensorten, Hülsenfrüchte, Ölsaaten, Früchte wie Jackfrucht und wild wachsende Arten – zeugen von einer komplexen Agrarwirtschaft. Tierknochen belegen die Haltung von Buckelrindern, Schafen, Ziegen, Wildtieren, Pferden und Fischen. Besonders bemerkenswert war der Fund eines Angelhakens mit Textilfaserabdruck, wobei die Analyse die Verwendung von Ramie (Boehmeria nivea), einer widerstandsfähigen Faserpflanze, belegte. Erste Eisenfunde traten bereits am Ende der frühesten Phase auf, die Zahl der Eisenobjekte nahm in späteren Schichten zu.
Die Abfolge der Narhan-Kultur findet sich an zahlreichen Fundstellen entlang der Mittel-Ganga-Ebene wieder. In Khairadih, südlich des Sarayu, datiert Period I auf 1395–848 v. Chr. und war durch BRW und begleitende Keramik charakterisiert. In Rajghat bei Varanasi dominierte eine schwarz geschlickerte Ware. Am Karamnasa-Fluss zeigte Raja Karna Ka Tila Spuren mikrolithischer Werkzeuge, Knochenspitzen, Tonperlen, Terrakottascheiben und frühe Agrarprodukte wie Reis, Hirse, Linsen und Erbsen.
Imlidih Khurd, an der Kuwana, dokumentiert eine Vorstufe der Narhan-Kultur um 1300 v. Chr. mit handgeformter Keramik, durch Abdruck von Schnüren oder Matten strukturiert. Wohnarchitektur bestand aus Flecht-Lehm-Häusern mit Vorratsgruben und Öfen. Die Funde umfassen Halbedelsteinperlen, Fayence, Terrakotta-Objekte und Tierskelette – domestizierte
Die militärische Sklaverei und die Entstehung der Sultanate in Nordindien
Die Geschichte der militärischen Invasionen in Nordindien im frühen Mittelalter ist vielschichtiger, als es oft dargestellt wird. Häufig wird sie vereinfacht als eine Geschichte von „muslimischen Invasoren“ beschrieben, die aus der westlichen Perspektive als homogen und religiös motiviert erscheinen. Doch diese Sichtweise greift zu kurz und ignoriert die komplexen politischen und sozialen Strukturen dieser Zeit. Um das Geschehen und seine Akteure wirklich zu verstehen, ist es notwendig, präzisere Begriffe und historische Kontexte zu berücksichtigen.
Zunächst einmal sind die Ghaznaviden und Ghuriden keineswegs als einheitliche muslimische Invasoren zu betrachten. Es handelt sich vielmehr um Völker mit sehr unterschiedlichen Ursprüngen und Motivationen. Die Ghaznaviden, die das Sultanat von Ghazni gründeten, waren ursprünglich türkische Sklaven, die durch ihre militärischen Fähigkeiten und Loyalitäten an Macht und Einfluss gelangten. Die Institution der militärischen Sklaverei, die ihren Ursprung im Irak während des Abbasidenkalifats hatte, spielte eine zentrale Rolle. Militärische Sklaven stammten oft aus Zentralasien und waren Kriegsgefangene, die in ihre neue Rolle als Soldaten eingeführt wurden. Diese Sklaven hatten keine Bindung mehr an ihre Herkunftsregionen und ihre Loyalität galt einzig ihren Herren, was sie zu äußerst disziplinierten und kampferprobten Kriegern machte.
Ein entscheidender Moment in der Geschichte der frühen Sultanate war der Niedergang des Abbasidenkalifats, das zu Beginn des 11. Jahrhunderts seine Macht verlor. Dies führte dazu, dass muslimische Herrscher wie die Ghaznaviden zwar nominale Loyalität gegenüber dem Kalifen anerkannten, aber in der Praxis völlig unabhängig wurden. Einer der ersten Sklavenherrscher, der diese Unabhängigkeit demonstrierte, war Alptagin, ein ehemaliger Sklave der Samaniden, der um das Jahr 975 das Sultanat von Ghazni gründete und es durch militärische Eroberungen weiter ausbaute.
Alptagins Nachfolger, Sabuktigin und später sein Sohn Mahmud, setzten diese Expansion fort. Mahmud, der von 997 bis 1030 regierte, führte insgesamt 17 Feldzüge in den indischen Subkontinent durch, um Gold und Silber zu plündern, das für die Finanzierung seiner Armee und Verwaltung notwendig war. Die Expeditionen waren weniger religiös motiviert, sondern eher wirtschaftlich ausgerichtet. Dies änderte jedoch wenig an der Darstellung Mahmuds als religiösen Eiferer, insbesondere in Bezug auf die Zerstörung des Shiva-Tempels in Somnath im Jahr 1025, was eine bleibende Legende hinterließ. Mahmuds Armee war multikulturell, bestehend aus Türken, Zentralasiaten, Dailamis, Kurden und Arabern, was die transregionale Natur seiner Herrschaft unterstreicht.
Mit dem Untergang der Ghaznaviden und dem Aufstieg der Ghuriden änderte sich die geopolitische Landschaft im nordwestlichen Indien erneut. Die Ghuriden waren zunächst ein untergeordneter Herrscherzweig innerhalb des Ghaznavidenreiches, aber sie nahmen mit dem Verlust von Ghazni durch die Seljuken und ihrer eigenen militärischen Erfolge eine zunehmend dominante Rolle ein. Der berühmteste Ghuridenherrscher war Muhammad Ghuri, der ab 1173 regierte. Unter seiner Führung expandierte das Ghuridenreich über den Indus hinaus nach Indien, wo die militärischen Invasionen der Ghuriden ebenso wie bei den Ghaznaviden mehr durch politische und territoriale Ambitionen als durch religiösen Eifer motiviert waren.
Die Ghuriden etablierten sich in Nordindien, wobei ihre Schlüsselfiguren, wie Qutb al-Din Aibek, eine militärische Eroberung nach der anderen durchführten. Aibek selbst wird oft als Gründer des Delhi Sultanats angesehen, das zu einem bedeutenden politischen Zentrum in Indien werden sollte. Unter Iltutmish, einem weiteren der Sklavenkommandeure, wurde das Sultanat weiter gestärkt und von seinen ursprünglichen Bindungen an Ghazni befreit.
Ein weiteres bemerkenswertes Merkmal dieser militärischen Expansion ist die Verwendung des Iqta-Systems, das den Militärs Landzuteilungen als Entlohnung statt regulärer Bezahlung ermöglichte. Dieses System, das ursprünglich aus dem Ghuridenreich stammte, wurde in Indien übernommen und spielte eine Schlüsselrolle bei der Konsolidierung der Macht durch die militärische Aristokratie.
Interessanterweise spiegelt die Numismatik dieser Zeit die Mischung der kulturellen Einflüsse wider. Die Münzen der Ghaznaviden und Ghuriden, die in ihren indischen Gebieten geprägt wurden, wiesen eine bemerkenswerte Kontinuität mit früheren indischen Münztraditionen auf. Diese Münzen trugen nicht nur muslimische Namen und Titel, sondern auch hinduistische Symbole wie den Stier oder die Göttin Lakshmi, was die Vermischung von Kulturen und Herrschaftspraktiken verdeutlicht.
Die Geschichte dieser militärischen Sklaverei und der damit verbundenen Sultanate zeigt eine bemerkenswerte soziale und politische Mobilität, die in vielen anderen historischen Kontexten nicht zu finden ist. Die militärischen Sklaven, die zu Herrschern wurden, hatten keine Verbindungen zu traditionellen aristokratischen Familien und brachen somit mit bestehenden sozialen Strukturen. Diese Entwicklung spielte eine zentrale Rolle bei der Schaffung neuer politischer Landschaften und Verwaltungsstrukturen in Nordindien, die das Fundament für das spätere Sultanat Delhi legten.
Es ist jedoch auch wichtig zu betonen, dass trotz dieser weitreichenden politischen und kulturellen Veränderungen die indische Gesellschaft nach wie vor stark durch lokale Herrschaften und Traditionen geprägt war. Die Einführung von „Brahmadeyas“ oder königlichen Landgeschenken an Brahmanen war ein weiteres Schlüsselelement in der politischen Struktur Indiens, das die Beziehungen zwischen Herrschern und religiösen Führern bestimmte. Diese Landzuteilungen waren nicht nur ein Akt des Gebens, sondern auch ein politisches Werkzeug, um Loyalität und Unterstützung in einem zunehmend fragmentierten und regionalisierten politischen Umfeld zu sichern.
Wie beeinflussten weibliche Spenderinnen, Göttinnenverehrung und Shankaras Philosophie die religiöse Landschaft des frühen Mittelalters?
Die vergleichende Analyse von Schenkungen, Sprachgebrauch und Epitheta über verschiedene religiöse Traditionen hinweg zeigt, dass die Spender in Inschriften meist im Rahmen von Verwandtschafts- und Berufsbeziehungen genannt wurden, während königliche Schirmherrschaft eine untergeordnete Rolle spielte. Besonders hervorzuheben ist die aktive Teilnahme von Frauen am religiösen Leben, wie sich durch ihre Schenkungen deutlich belegen lässt. Im untersuchten Zeitraum übersteigen jainische Frauen die männlichen Spender fast um das Dreifache. Diese Dominanz weiblicher Spender beschränkt sich jedoch nicht auf den Jainismus allein: Am Ort Mathura überwiegen Frauen als Spenderinnen in allen religiösen Traditionen betrachtet sogar im Verhältnis zwei zu eins.
Ein markantes Merkmal des Jainismus im frühen Mittelalter ist die große Bedeutung der Göttinnen im populären Kult. Während die Tirthankaras als distanziert gelten und nicht in das Weltgeschehen eingreifen, richten sich Gläubige dennoch in großem Maße an weibliche Gottheiten, welche keine Erleuchtung versprechen, aber weltliche Ziele erleichtern können. So sind Göttinnen nicht Hauptobjekt des Kultes, jedoch stark präsent in den Tempeln. Die Wände und Decken vieler jainischer Heiligtümer sind mit kunstvoll gestalteten weiblichen Figuren geschmückt. Diese Göttinnen wohnen in verschiedenen Ebenen: in den oberen Bereichen finden sich bekannte Gottheiten wie Sarasvati und Lakshmi, die sowohl im Hinduismus als auch Jainismus verehrt werden. Die mittlere Ebene beheimatet sechzehn tantrische Vidyadevis mit magisch-okulten Kräften, während die unteren Bereiche den Yakshis, Begleiterinnen der 24 Tirthankaras, vorbehalten sind. Die Grenzen zwischen diesen Kategorien sind oft fließend.
Die beliebtesten weiblichen Jaina-Gottheiten sind Ambika, Padmavati und Jvalamalini. Ambika, mit der Geburt assoziiert, sitzt auf einem Löwen und wird von ihren Söhnen begleitet. Padmavati war ursprünglich eine Schlangengöttin und wurde später zur Begleiterin des 23. Tirthankara Parshvanatha. Sarasvati, die Göttin des Wissens, findet sich in den pantheistischen Vorstellungen von Hinduismus, Buddhismus und Jainismus gleichermaßen, ihre früheste Darstellung stammt sogar aus einer jainischen Stätte in Mathura. Lakshmi, die Göttin des Reichtums, wurde von Händlern unterschiedlicher Religionen verehrt.
Parallel zu diesen religiösen Entwicklungen vollzog sich eine intensive philosophische Reflexion, die besonders durch Shankara geprägt wurde, der im späten 8. und frühen 9. Jahrhundert lebte. Seine historische Gestalt ist schwer von späteren Legenden zu trennen, denn die wichtigsten Biographien stammen aus dem 14. Jahrhundert und später. In diesen Hagiographien erscheint Shankara als weit gereister Philosoph, der mit verschiedensten Gelehrten diskutiert und alle Argumente besiegt habe. Er gilt als bedeutendster Vertreter der Advaita Vedanta, einer nicht-dualistischen Interpretation der Upanishaden, die Shankaras Lehrer Gaudapada bereits angedeutet hatte. Gaudapada stellte die Welt als Traum oder Illusion (Maya) dar, während die einzig wahre Realität das ungeteilte Brahman sei.
Shankaras Werk, insbesondere sein Kommentar zu den Brahmasutras, zielt darauf ab, die Upanishaden als zusammenhängendes, einheitliches System zu erklären. Für ihn sind die vedischen Opferhandlungen nur Mittel zur Erlangung weltlicher Vorteile, während der wahre Weg im Wissen um das Brahman liegt. Brahman ist das höchste Wesen, frei von jeglichen Eigenschaften (nirguna).
Interessant ist, dass die spätere Überlieferung Shankara oft als eifrigen Anhänger Shivas schildert, der sich in zahlreichen Debatten mit Vertretern verschiedener philosophischer Richtungen auseinandersetzte, darunter die Shaktas, Shaiva-Dualisten, Jainas und andere. Allerdings enthalten diese Berichte kaum konkrete philosophische Inhalte und müssen mit Vorsicht betrachtet werden. Die Hagiographien spiegeln oft die Anliegen und das Selbstverständnis späterer Zeiten wider, etwa die Betonung von Siegen über rivalisierende Schulen als Ausdruck der religiösen und politischen Dynamiken.
Die Einbettung Shankaras in die Tradition der vedischen Philosophie, seine Reformen und die systematische Darstellung der Advaita Vedanta hatten nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der indischen Philosophie. Sein Konzept, dass die Vielfalt der Welt eine Illusion ist, fordert das Verständnis vom Selbst und der Wirklichkeit grundlegend heraus.
Neben der Rolle der Göttinnen im populären Glauben und dem Einfluss bedeutender Philosophenschulen ist es wichtig, das Zusammenspiel von religiösem Engagement, Geschlechterrollen und philosophischem Diskurs im Kontext des frühen Mittelalters zu betrachten. Die herausragende Rolle weiblicher Spenderinnen deutet auf ein komplexes Geflecht von sozialer und religiöser Praxis hin, das über einfache patriarchale Strukturen hinausweist. Ebenso eröffnet die Verehrung weiblicher Gottheiten Einblicke in die spirituellen Bedürfnisse und weltlichen Anliegen der Gläubigen, die nicht immer im Zentrum der offiziellen religiösen Doktrin standen.
Die philosophischen Ideen Shankaras schließlich verdeutlichen, wie sich das Denken jener Zeit mit grundlegenden Fragen von Wirklichkeit, Erkenntnis und Befreiung auseinandersetzte – Themen, die bis heute in der indischen Philosophie nachhallen.
Wie lässt sich die Harappan-Zivilisation und ihre verschiedenen Phasen interpretieren?
Die Harappan-Zivilisation, benannt nach der gleichnamigen Stadt Harappa, zählt zu den frühesten und komplexesten städtischen Kulturen des alten Indiens und Pakistans. Sie erlangt zunehmend Aufmerksamkeit, vor allem durch die kontinuierliche Ausgrabung neuer Stätten und die Anwendung fortschrittlicher wissenschaftlicher Techniken. Dennoch bleibt die Zivilisation in vielerlei Hinsicht ein Rätsel, dessen Facetten durch archäologische und historische Studien nur allmählich entschlüsselt werden. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die verschiedenen Interpretationen von Strukturen und Artefakten, die nicht nur unsere Vorstellung von der Harappan-Kultur prägen, sondern auch weitreichende Auswirkungen auf das Verständnis ihrer sozialen und politischen Systeme haben.
Eine zentrale Debatte der letzten Jahrzehnten betrifft die sogenannte „Granaries“-Theorie. Früher wurden die großen, häufig als Lagerhäuser interpretierten Strukturen in Harappa als Beweis für einen zentralisierten Staat angeführt. Diese Annahme ist jedoch zunehmend in Frage gestellt worden, da sie nur eine von vielen möglichen Deutungen darstellt. Ebenso gibt es weiterhin Diskussionen über die genaue Funktion des Hafen- oder Dockgeländes von Lothal, das von Leshnik (1968) fälschlicherweise als Bewässerungsreservoir interpretiert wurde, statt als Hafen. Diese Reinterpretationen sind nicht nur von akademischem Interesse, sondern werfen auch ein neues Licht auf die sozialen und politischen Strukturen der Zivilisation. Die vielfältigen Deutungen und die ständig wachsende Zahl an entdeckten Stätten haben dazu beigetragen, dass unser Wissen über das kulturelle Erbe der Harappan immer differenzierter wird.
Die archäologischen Ausgrabungen der letzten Jahre heben sich durch eine detailliertere Untersuchung der kulturellen Abfolgen und der Stadtstruktur hervor. Man konzentriert sich vermehrt auf die Analyse von Wohnbereichen und deren Entwicklung im Laufe der Zeit. Zahlreiche Studien haben das Verständnis der kulturellen Prozesse verbessert, die den urbanen Aufstieg und Fall der Harappan begleitet haben. Ein entscheidender Aspekt hierbei ist die Erforschung von Pflanz- und Knochenresten, die präzise Informationen über die Ernährung und die Gesundheit der Harappanbevölkerung liefern. In der Zukunft wird die Genomanalyse voraussichtlich ebenfalls wichtige Erkenntnisse über die Herkunft und Entwicklung der Menschen dieser Zivilisation liefern.
Ein weiteres Schlüsselelement bei der Erforschung der Harappan-Zivilisation ist die Frage der Schriftnutzung. Trotz zahlreicher Versuche ist das Harappan-Schriftzeichen noch immer nicht vollständig entschlüsselt. Verschiedene Studien haben jedoch versucht, die Veränderungen im Schriftmaterial und den Motiven über die Zeit hinweg zu dokumentieren. Die Entdeckung und Analyse von Harappan-Stätten, die über den Indus und seine Nebenflüsse hinausreicht, hat die räumliche Ausdehnung der Zivilisation auf ca. 680.000 bis 800.000 Quadratkilometer erweitert. Archäologen haben nicht nur in Pakistan und Indien zahlreiche Harappan-Stätten entdeckt, sondern auch in Afghanistan, was die Bedeutung der Zivilisation in einem noch größeren Kontext stellt.
Der Begriff „Indus-Zivilisation“ ist mittlerweile von vielen Experten als unzureichend betrachtet worden, da sie sich über die Täler des Indus und des Ghaggar-Hakra hinaus erstreckt. Andere Begriffe wie „Indus–Sarasvati“ oder „Sindhu–Sarasvati“ Zivilisation haben sich etabliert, um die Bedeutung der Ghaggar-Hakra-Strecke zu betonen, die von einigen Gelehrten mit der in den Rigveda genannten Sarasvati identifiziert wird. Trotzdem bleibt der Begriff „Harappan“ als archäologische Bezeichnung für die Zivilisation weiterhin präferiert, da er neutral und auf den ursprünglichen Fundort bezogen ist. Diese Entscheidung verdeutlicht die Komplexität der Zivilisation, die sowohl Elemente kultureller Einheitlichkeit als auch regionale Unterschiede aufweist.
Die Harappan-Kultur lässt sich in drei Hauptphasen unterteilen: die frühharappanische, die reifharappanische und die spät- oder postharappanische Phase. Die frühharappanische Phase stellt den proto-urbanen Ursprung dar, in der erste Anfänge von Stadtstrukturen und landwirtschaftlicher Intensivierung sichtbar werden. In der reifharappanischen Phase, der urbanen Blütezeit, erlangte die Zivilisation ihre größte Ausdehnung, mit hochentwickelten städtischen Zentren, einem weitläufigen Handelsnetz und fortgeschrittener Technologie. Die spät- oder postharappanische Phase markiert den langsamen Niedergang der Städte, dessen Ursachen bis heute nicht abschließend geklärt sind. In der Forschung werden dabei verschiedene Erklärungsansätze diskutiert, die von Klimawandel über äußeren Druck bis hin zu internen gesellschaftlichen Umwälzungen reichen.
Die archäologische Chronologie, die vor der Einführung der Radiokarbon-Datierung auf Vergleich mit der mesopotamischen Chronologie angewiesen war, hat sich dank neuer wissenschaftlicher Methoden deutlich präzisiert. Die wichtigsten Funde aus dieser Zeit stammen von Ausgrabungen in Harappa und anderen wichtigen Stätten, bei denen die Verwendung von Radiokohlenstoff-Datierungen eine Zeitspanne von etwa 2600 bis 1900 v. Chr. für die reifharappanische Phase bestätigt hat. Dies steht im Einklang mit den datierten Funden aus Mesopotamien, die Harappan-Perlen und andere Artefakte umfassen, die Rückschlüsse auf den kulturellen Austausch zwischen den beiden Zivilisationen zulassen.
Die Forschung über die Harappan-Zivilisation ist noch lange nicht abgeschlossen, und zukünftige Entdeckungen sowie technologische Fortschritte werden sicherlich weiterhin neue Erkenntnisse liefern. Dabei ist es entscheidend, sich der Tatsache bewusst zu sein, dass die Zivilisation in ihrer Gesamtheit äußerst komplex und vielschichtig war. Dies erfordert von den Forschern eine sorgfältige und differenzierte Herangehensweise an alle Aspekte ihrer Kultur, von der Architektur über die Materialkultur bis hin zur sozialen Organisation.

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