Die Inkakultur hat sich im Laufe der Jahrhunderte aus verschiedenen, davor existierenden Kulturen entwickelt, die die Grundlage für das reiche und facettenreiche Erbe des Andenraums legten. Ohne die Einflüsse und Errungenschaften dieser Vorgängerkulturen würde das, was heute als die faszinierende Welt der Inkas bekannt ist, niemals in dieser Form entstanden sein. Um die Inka-Zivilisation in ihrer vollen Tiefe zu verstehen, ist es unerlässlich, auf die Kulturen einzugehen, die vor ihr existierten und deren Erbe die Basis für die Entstehung des Inkareiches bildete.

Die Andenregion, ein gewaltiges Gebirgssystem, das sich über Südamerika erstreckt, war seit den frühesten Zeiten von unterschiedlichen Völkern bewohnt. Über die Jahrhunderte hinweg entstand hier eine Vielzahl von Kulturen, die in verschiedenen Ökosystemen – von den tropischen Regenwäldern des Amazonas bis zu den hochgelegenen Andenregionen – ihre Spuren hinterließen. Diese Kulturen entwickelten sich in einer einzigartigen Wechselwirkung mit ihrer Umgebung und schufen Systeme, die mit den schwierigen geographischen und klimatischen Bedingungen harmonierten.

Die Chronologie dieser Zivilisationen wird üblicherweise in sieben große Perioden unterteilt, die eine beeindruckende kulturelle Vielfalt und Innovationskraft widerspiegeln. Dabei werden die frühesten Zeiten, die als „Früher Horizont“ bezeichnet werden (ca. 1000 v. Chr. bis zum Beginn der Gemeinsamen Ära), als eine Phase großer kultureller Einheit betrachtet. Die „Mittlere Horizonte“ (ca. 650 bis 1100 n. Chr.) und der „Jüngere Horizont“ (ca. 1450 bis 1550 n. Chr.) markierten ebenfalls eine Ära bedeutender kultureller Entwicklungen, während die Übergangszeiten zwischen diesen Epochen, wie der „Früh-Intermediäre“ und „Spät-Intermediäre“ Zeitraum, das Entstehen und Wachsen regionaler Gesellschaften wie die Nazca, Moche und Chimú prägten.

Die Anfänge der Zivilisationen im Andenraum reichen weit zurück, in die prä-keramische Zeit (ca. 30. bis 19. Jahrhundert v. Chr.), als die ersten sesshaften Gemeinschaften entstanden. Diese Zeit war geprägt durch die Einführung von Keramik, textilen Webtechniken und dem Aufkommen von großen zeremoniellen Zentren, die als religiöse und gesellschaftliche Knotenpunkte dienten. Besonders bemerkenswert ist das Chavín-Zentrum, das als eines der frühesten großen zeremoniellen Zentren gilt und im sogenannten „Alten Horizont“ (ca. 1000 bis 200 v. Chr.) erblühte. Chavín de Huántar, ein mystischer Ort im Hochland von Peru, wurde nicht nur als religiöses Zentrum berühmt, sondern auch als ein Marktplatz für den Austausch von Ideen und Waren, der weite Teile der Andenwelt miteinander verband.

Die Chavín-Kultur, die diesen Tempel mit seinen eindrucksvollen Monumenten, wie dem Lanzón (eine anthropomorphe Gottheit mit einem Faltengesicht und Schlangenhaaren) hervorbrachte, spielte eine Schlüsselrolle bei der Schaffung eines kulturellen und religiösen Erbes, das weite Teile der Andenregion beeinflusste. Dieser prächtige Komplex war mehr als ein einfaches religiöses Zentrum; er war ein Wahrzeichen für die soziale und politische Macht der Priester, die sowohl durch ihre religiösen Praktiken als auch durch ihre astronomischen Kenntnisse über den Himmel und den landwirtschaftlichen Zyklus immense Macht ausübten.

Ein markantes Merkmal der Chavín-Zivilisation war der intensive Austausch von Kunst und Symbolik, die nicht nur die Küstenregion, sondern auch das Hochland und das tropische Tiefland umfassten. Ihre Kunstwerke, die sich in Architektur, Skulptur, Keramik und Textilien manifestierten, zeigen die Vielseitigkeit und das künstlerische Talent der Chavín-Künstler. Die abstrakten Formen und die zoomorphen Darstellungen der göttlichen Wesen bezeugen ein tiefes Verständnis für die Mystik und Symbolik der Natur.

In der Übergangszeit zwischen dem „Frühen Horizont“ und dem „Mittleren Horizont“ gewannen andere Kulturen wie die Nazca und Mochica zunehmend an Bedeutung. Diese Gesellschaften, die im sogenannten „Zwischenhorizont“ aufblühten, schufen beeindruckende Kunstwerke und Bauwerke, die durch ihre beeindruckende Handwerkskunst und Symbolik berühmt wurden. Die Nazca sind vor allem für ihre gigantischen Scharrbilder bekannt, die noch immer ein Rätsel für Archäologen darstellen. Die Mochica hingegen hinterließen ein einzigartiges Erbe in Form von Keramiken, die detailreiche Darstellungen von Menschen und Tieren zeigen und auf die sozialen und religiösen Strukturen ihrer Gesellschaft hinweisen.

Mit dem Aufstieg der Wari und Tiwanaku im „Mittleren Horizont“ begann eine Ära der Expansion und politischen Organisation, die die Grundlage für die spätere Inkazivilisation legte. Diese Reiche, die für ihre weitreichenden Handelsnetzwerke und architektonischen Innovationen bekannt waren, beeinflussten nicht nur die Kulturen ihrer unmittelbaren Umgebung, sondern auch die späteren Inka. Die Wari beispielsweise entwickelten ein komplexes System von Straßen und städtischen Zentren, das die Grundlage für das Straßennetz der Inkas bildete. Ebenso war die Bedeutung von Tiwanaku als religiöses Zentrum nicht zu unterschätzen, und es beeinflusste die religiösen Praktiken der Andenregion bis in die Zeit der Inka.

Die Krönung der Anden-Kulturen kam jedoch mit dem Aufstieg des Inkareiches, das innerhalb weniger Jahrzehnten ein riesiges Gebiet beherrschte, das sich von der heutigen südlichen Grenze Perus bis nach Chile, Nordargentinien und Bolivien erstreckte. Die Inka schafften es, die kulturellen Errungenschaften ihrer Vorgänger zu vereinen und zu erweitern, und integrierten in ihr Reich eine Vielzahl von Völkern und Kulturen. Die Verwaltung und Organisation dieses riesigen Reiches erforderten sowohl außergewöhnliche technische als auch logistische Fähigkeiten. Die Entwicklung eines Netzwerks von Straßen, Brücken und Kommunikationssystemen sowie das fortschrittliche Agrarsystem waren entscheidend für den Erfolg des Inkareiches.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass die Kultur der Inkas nicht aus dem Nichts entstand, sondern das Ergebnis einer langen Geschichte von Interaktionen, Erneuerungen und kulturellen Überlagerungen war. Jede dieser Kulturen trug auf ihre Weise zur Entstehung einer Zivilisation bei, die in ihrer Höhe eine der beeindruckendsten der Weltgeschichte darstellt.

Wie die Astronomie das religiöse und landwirtschaftliche Leben der Anden-Gesellschaften prägte

Die Astronomie hatte in den andinen Kulturen eine zentrale Bedeutung, da sie eine Brücke zwischen religiösen Vorstellungen und den täglichen oder saisonalen landwirtschaftlichen Praktiken bildete. In einer Gesellschaft, in der Politik und Kosmogonie eng miteinander verflochten waren, wurde der Himmel nicht nur als ein Ort des göttlichen Einflusses betrachtet, sondern auch als ein praktisches Werkzeug für die Bestimmung von Zeiten für die Ernte, religiöse Feste und Rituale. Die Himmelsphänomene boten den Menschen in den Anden eine Orientierung, die weit über den unmittelbaren Nutzen für die Landwirtschaft hinausging. Sie waren eine Manifestation der göttlichen Ordnung, die die Grundlage für die kulturellen Praktiken und den politischen Kosmos der Inka und ihrer Vorfahren bildete.

Das geographische und klimatische Umfeld der Anden ist von Natur aus extrem vielfältig. Vom Pazifik bis zum Amazonasbecken erstreckt sich die zentrale Andenregion, die sowohl Küstengebirgsketten als auch fruchtbare Täler und trockene Wüstengebiete umfasst. Diese geographische Diversität beeinflusste nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch das religiöse und kosmologische Verständnis der Bewohner. Die unterschiedlichsten ökologischen Zonen boten den Menschen in verschiedenen Höhenlagen eine breite Palette von Anbauflächen. Auf den fruchtbaren Terrassen der Hochgebirgstäler wuchsen Quinoa, Amaranth und Kartoffeln, während in den trockenen Wüstenregionen der Küste unter sorgfältiger Bewässerung Baumwolle, Mais und Kürbis gedeihen konnten. Die Menschen passten ihre landwirtschaftlichen Methoden an die lokalen Gegebenheiten an, was die hohe kulturelle und technologische Anpassungsfähigkeit der Andenkulturen zeigt.

Das sich ständig ändernde Klima und die jahreszeitlichen Schwankungen wurden nicht nur als natürliche Gegebenheiten wahrgenommen, sondern auch als eine kosmologische Ordnung, die die Menschen beeinflusste. Der Wechsel zwischen der Trocken- und der Regenzeit war für die Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung und spiegelte sich auch in den religiösen Zeremonien wider, die den Himmelsphänomenen gewidmet waren. In der Landwirtschaftexpertise der Anden wurde eine tief verwurzelte Beziehung zwischen der Erde und dem Kosmos sichtbar. So wie die Götter und spirituellen Wesen den Himmel bestimmten, so bestimmte der Himmel das Leben auf der Erde. Astronomische Ereignisse wie die Sonnenwende oder der Aufgang bestimmter Sterne galten als Schlüsselereignisse, die den Beginn von Erntezyklen oder religiösen Feiertagen markierten.

Die landwirtschaftlichen Techniken selbst – wie die Terrassenfelder, die sowohl Bewässerung als auch Bewahrung der Bodenfruchtbarkeit ermöglichten – zeugen von einer bemerkenswerten Fähigkeit, das schwierige Terrain zu nutzen. Diese Praktiken wurden von den Andenbewohnern über Generationen hinweg perfektioniert und bildeten die Grundlage für ihre Ernährungssicherheit. Diese enge Verknüpfung zwischen landwirtschaftlicher Praxis und den kosmologischen Vorstellungen führte zu einem Lebensrhythmus, der stark von den Zyklen der Natur und den himmlischen Bewegungen geprägt war.

In den höheren Regionen der Anden, wie der Puna, einem hochgelegenen Grasland, wurde die Zucht von Lamas und Alpakas zur Grundlage der landwirtschaftlichen Praxis. Diese Gebirgsländer boten nicht nur reichlich Platz für die Viehzucht, sondern auch die Möglichkeit, spezifische Nutzpflanzen wie Quinoa und spezielle Kartoffelsorten anzubauen, die in den kalten Höhenlagen gedeihen. Die Region, in der sich auch der Titicacasee befindet, hatte eine besondere Bedeutung, da hier die alte Technik der schwimmenden Felder verwendet wurde, die eine nachhaltige Landwirtschaft auch in extremen Bedingungen ermöglichte. Die Fertilität des Titicacasees und seiner Umgebung trug zur Entwicklung bedeutender Kulturen wie Tiwanaku bei.

Die unterschiedlichen Klimazonen, die in den Andenregionen vorherrschten, beeinflussten auch die saisonalen Schwankungen der Landwirtschaft und hatten Auswirkungen auf die religiösen Praktiken. Besonders die Küstenregionen, die vom Humboldtstrom beeinflusst werden, erlebten jahreszeitliche Veränderungen, die sowohl die Fischerei als auch die landwirtschaftliche Produktion beeinträchtigten. Der El Niño, ein klimatisches Phänomen, das regelmäßig auftrat, brachte sowohl extreme Regenfälle als auch erhöhte Wassertemperaturen mit sich, was zu erheblichen Schwankungen in den Lebensbedingungen der Menschen führte. Diese unvorhersehbaren Klimaschwankungen waren eine ständige Herausforderung für die Andenkulturen und prägten das tägliche Leben und die religiösen Überzeugungen, die mit den Naturphänomenen verbunden waren.

Neben der direkten Landwirtschaft ist es ebenfalls wichtig zu erkennen, dass die Andenbevölkerung tief in ihrem Verständnis der Welt und ihrer Natur verwurzelt war. Die Wechselwirkungen zwischen Land, Himmel und den unsichtbaren Kräften, die das Leben lenkten, hatten Einfluss auf die soziale Struktur und die Organisation der Gesellschaft. Die Landwirtschaft war nicht nur eine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern auch ein spirituelles Unternehmen, das im Einklang mit den Zyklen des Universums und den Göttern der Anden betrieben wurde.

Wie die Inkas den Himmel lasen: Astronomie, Rituale und Landschaftsbezug in Machu Picchu und Umgebung

Der Intiwatana, ein außergewöhnliches archäologisches Monument in Machu Picchu, liegt an einem Ort, der ideal für solare Beobachtungen geeignet ist. Der Name selbst bedeutet „die Stelle, an der die Sonne gefangen wird“, was auf seine primäre Funktion als Sonnenuhr hinweist. Der Stein des Intiwatana ist nicht nur ein astronomisches Instrument, sondern auch ein Symbol für die spirituelle Verbindung zwischen den Inkas und den heiligen Bergen und Himmelskörpern. Auffallend ist, dass der Stein die Form des benachbarten Berges Huayna Picchu nachbildet, was auf den Glauben hinweist, dass der Intiwatana den „Geist“ dieses Berges repräsentierte. Solche Symbole sind in der Inka-Kultur weit verbreitet, wie auch die verehrten Steine, die die Formen der Berge Huanacauri und Salqantay widerspiegeln.

Das Phänomen der astronomischen Beobachtungen an Orten wie Machu Picchu zeigt eine tiefgreifende Verbindung zwischen der Inka-Zivilisation und den Himmelskörpern. Besonders die Konstellation des Südkreuzes spielte eine bedeutende Rolle. Diese Sternengruppe erhebt sich bei Machu Picchu genau im Osten und sinkt im Westen von Salqantay, einem heiligen Berg, der eine zentrale Rolle im Inka-Kosmos spielte. Der Himmel über Machu Picchu war ein Ort lebendiger Rituale, die den Inkas halfen, landwirtschaftliche Zyklen und klimatische Bedingungen vorherzusagen.

Die Beobachtung des Südkreuzes und anderer Konstellationen hatte nicht nur eine symbolische Bedeutung, sondern auch eine praktische Funktion, die eng mit der Landwirtschaft verbunden war. Das Sternbild Llama, das vor und während der Regenzeit sichtbar war, wurde als ein Himmelswesen angesehen, das eng mit der landwirtschaftlichen Fruchtbarkeit verbunden war. Die Lamas selbst galten als geschützte Tiere der Ausangate-Berge, deren göttliche Präsenz das Wohl der Ernte und der Tiere sicherte.

Mit der Ankunft der Regenzeit gingen auch die symbolischen Bilder des Himmels einher, wie etwa die Konstellationen der Kröte, der Schlange und des Tinamou-Vogels. Diese Sternbilder, die mit Wasser und Fruchtbarkeit assoziiert wurden, erschienen zu unterschiedlichen Zeiten des Jahres und wurden als Vorboten für die landwirtschaftliche Ernte gedeutet. Die Kröte symbolisierte die bevorstehende Regenzeit, während der Tinamou-Vogel den Gottheiten der Berge und die Regenbogen darstellte, die in dieser Jahreszeit häufig am Himmel erschienen.

Das Observatorium in Machu Picchu – insbesondere der Tempel der Sonne oder Torreón – verdeutlicht die enge Verbindung zwischen Architektur und astronomischen Beobachtungen. In diesem Tempel konnten die Inka das Licht des aufgehenden Sonnen während des Wintersonnwendpunkts beobachten. Die präzise Ausrichtung der Struktur ermöglichte es, solare Ereignisse wie den Sonnenaufgang genau zu registrieren, was von großer Bedeutung war, um landwirtschaftliche Zyklen zu planen und religiöse Feste zu gestalten. Auch die Pleiaden, eine Sternengruppe, die in Verbindung mit der Wettervorhersage und der Erntezeit stand, wurden hier während des Wintersonnwendpunkts beobachtet.

Der Intimachay, eine kleine Höhle unter dem Tempel des Kondors, diente als Observatorium für den Dezember-Sonnenwendpunkt. Bei Sonnenaufgang fiel das Licht während der Tage um diesen Zeitpunkt direkt in die Höhle und traf auf die hintere Wand. Solche präzisen Beobachtungen ermöglichten es den Inkas, die Zeit zu messen und ihre rituellen Handlungen in Einklang mit der Natur zu gestalten.

Der Andenraum, in dem sich diese wichtigen Orte befinden, wird nicht nur durch geografische Merkmale, sondern auch durch spirituelle Bedeutungen geprägt. So hat der Titicacasee eine zentrale Bedeutung in der Mythologie der Inkas. Der Legende nach erhoben sich von seinen Gewässern die Gründergestalten des Inka-Reiches, Manco Cápac und seine Schwester-Wife Mama Ocllo. Der See war nicht nur ein geographisches Zentrum, sondern auch ein heiliger Ort, der mit den Ursprüngen der Zivilisation in Verbindung gebracht wurde.

Neben der Bedeutung für Astronomie und religiöse Rituale war das Leben der Menschen in dieser Region auch stark von der natürlichen Umgebung und den damit verbundenen Ressourcen abhängig. Die lokale Bevölkerung, die sich auf den Hochflächen der Anden niederließ, lebte in enger Wechselwirkung mit der Natur, wobei Landwirtschaft und Viehzucht zentrale Bestandteile des täglichen Lebens waren. Das hochgelegene Altiplano, das sowohl reich an natürlichen Ressourcen als auch von harschen klimatischen Bedingungen geprägt ist, stellte eine Herausforderung für die Menschen dar. Dennoch blühte hier eine Kultur auf, die in der Lage war, den Rhythmus der Jahreszeiten und den Wandel des Himmels zu verstehen und mit ihm in Einklang zu leben.

Das Verständnis der komplexen Zusammenhänge zwischen den Inka und ihrem Himmel, ihrer Natur und ihren Rituali ist entscheidend für das Verständnis der Kultur und des Weltbildes dieser Zivilisation. Es wird deutlich, dass die Inkas den Himmel nicht nur als ein weit entferntes, unnahbares Phänomen betrachteten, sondern als einen aktiven Teil ihrer täglichen Existenz. Die Himmelskörper waren für sie lebendig und eng mit der Erde und ihren Zyklen verbunden. Dieses Wissen gab ihnen die Möglichkeit, ihre Umgebung zu verstehen und zu beeinflussen, um so ein harmonisches und fruchtbares Leben zu führen.

Wie die Inka den Mond und seine Eklipsen interpretierten und was dies über ihre kosmologische Sichtweise verrät

Die Darstellung der Anden-Kosmogonie, wie sie auf den Wänden des Qorikancha in Cuzco zu finden ist, zeigt eindrucksvoll, wie die Inka das Universum als ein vielschichtiges Gefüge aus Sternen, Planeten und mythologischen Figuren verstanden. Besonders das Bild von Juan de Santa Cruz Pachakuteq Yamki Salqamaywa, das eine Synthese der andinen Kosmologie bildet, enthält tiefgehende astronomische und religiöse Symbole. In der Mitte der Darstellung sieht man ein Kreuz, das aus fünf Sternen besteht, drei horizontal angeordnet und je einer oberhalb und unterhalb dieses Musters. Diese Anordnung wird oft mit dem Gürtel des Orion verglichen, der in den Huarochirí-Handschriften erwähnt wird, was darauf hinweist, dass die Inka das Himmelsbild des Orion gut kannten. Zu den zusätzlichen Sternen gehören Betelgeuse und Rigel, zwei der hellsten Sterne des Nachthimmels. Diese Konstellation wird in der Darstellung durch das Symbol der Chakana, des Inka-Kreuzes, sowie durch die Göttin der Maispflanzen, Saramama, ergänzt, was auf die tiefe Verbindung zwischen Kosmos und Landwirtschaft bei den Inka hinweist.

In der Darstellung finden sich weitere interessante Bezüge zu bekannten Sternbildern. Auf der rechten Seite, der weiblichen Hälfte des Bildes, ist der Mond abgebildet, zusammen mit Wolken, Wasser, einem Abendstern namens Choquechinchay und einer Katze, die denselben Namen trägt. Diese Katze wird als Stern des Jaguars interpretiert, einer Figur, die sowohl in den Schriften von Polo de Ondegardo als auch in denen von Cobo erwähnt wird. Die Vorstellung, dass der Mond und die mit ihm verbundenen Sterne eine wichtige Rolle im täglichen Leben der Inka spielten, wird durch die Symbolik der weiblichen Seite des Himmels und die Verbindung zu Erntezyklen und Fruchtbarkeit unterstrichen.

Auf der linken Seite der Darstellung erscheinen die Sonne, ein Morgenstern namens Lucero, sowie die Venus, die unter dem Namen Ch’aska Coyllur bekannt war. Diese Sterne repräsentieren die Sommerzeit und deuten darauf hin, wie die Inka die Jahreszeiten nicht nur als naturbedingte Phänomene, sondern auch als kosmische Ereignisse interpretierten, die Einfluss auf ihre Kultur und ihre religiösen Rituale hatten. Ein weiteres Starengruppenmuster wird als die Plejaden identifiziert. Es gibt jedoch ein Element in dieser Darstellung, das eine sofortige Interpretation erschwert: Choquechinchay, der „weinende“ Jaguar, könnte auf eine dunkle Konstellation hinweisen. Eine solche Konstellation hätte durch ihre Dunkelheit und die damit verbundene Bedeutung für Regen und Aussaat eine zentrale Rolle in der Landwirtschaft und der religiösen Praxis der Inka gespielt.

Das Zusammenspiel von Himmelskörpern und der irdischen Welt manifestierte sich auch in der Stadtplanung von Cuzco, die symbolisch als Puma dargestellt wurde. Der Puma, ein zentrales Tier in der Mythologie der Inka, konnte im Himmelsbild möglicherweise als dunkle Konstellation zwischen den Sternbildern Cygnus (Schwan) und Vulpecula (Fuchs) lokalisiert werden. Diese Konstellation hätte mit der südlichen Milchstraße in Verbindung gestanden und eine zentrale Bedeutung für die Inka in Bezug auf ihre religiösen Rituale und Vorhersagen gehabt.

Ein weiteres faszinierendes Thema in der Kosmologie der Inka sind die Mond- und Sonnenfinsternisse. Diese natürlichen Ereignisse, die leicht zu beobachten, aber schwer zu erklären waren, erzeugten unter den Inka große Angst. Das plötzliche Verdunkeln des Himmels, sei es durch die Sonne oder den Mond, wurde als ein dramatisches Zeichen wahrgenommen, das Vorboten von Unglück und Veränderungen in der Welt symbolisierte. Eklipsen – sowohl Sonnen- als auch Mondfinsternisse – wurden als Angriffe von übernatürlichen Wesen, wie einem Jaguar oder einer Schlange, auf den Mond oder die Sonne gedeutet. Diese Sichtweise ist auch in den Schriften von Garcilaso de la Vega, Cobo und Polo de Ondegardo dokumentiert, die übereinstimmend berichten, dass die indigene Bevölkerung bei einer Mondfinsternis laute Geräusche machte, um das angebliche „bösartige“ Tier zu vertreiben. Man schlug auf Töpfe, trommelte, ließ Hunde bellen oder geißelte sie, um die Tiere zu erschrecken und das Himmelsphänomen zu beenden. Diese Rituale waren tief mit der Angst verbunden, dass die Welt in Dunkelheit versinken könnte, sollte das Tier den Mond oder die Sonne „verschlingen“.

Die Inka glaubten, dass Eklipsen nicht nur natürliche Phänomene waren, sondern auch bedeutende Ereignisse im kosmologischen Plan der Götter und die Vorhersage von wichtigen Ereignissen im politischen und sozialen Leben. Besonders bei Sonnenfinsternissen wurde der Himmel als Zorn Gottes oder als Strafe für begangene Verfehlungen wahrgenommen. Im Falle der Mondfinsternis glaubten die Inka, dass der Mond erkrankt sei und, wenn er vollständig verfinstert würde, das Leben der Menschen in Gefahr sei. Diese Vorstellungen unterstreichen die enge Verbindung zwischen dem täglichen Leben der Inka, ihren religiösen Überzeugungen und ihrem tiefen Verständnis des Himmels und seiner Bewegungen.

Neben diesen symbolischen und religiösen Interpretationen war es für die Inka von zentraler Bedeutung, die Bewegungen des Himmels genau zu beobachten, um ihre landwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entscheidungen zu treffen. Die präzise Kenntnis der Mondzyklen, der Eklipsen und der Konstellationen ermöglichte es ihnen, den richtigen Zeitpunkt für die Aussaat und Ernte zu bestimmen und ihre religiösen Rituale in Einklang mit den kosmischen Zyklen zu vollziehen. In gewissem Sinne waren die Inka nicht nur auf der Erde, sondern auch im Kosmos tief verbunden, und ihre Stadtplanung, Architektur und Rituale spiegelten diese kosmische Ordnung wider.