Im Jahr 1915 begann die militärische Intervention der Vereinigten Staaten in Haiti, die zunächst mit einer Besetzung der Insel durch US-Marines begann und bis 1934 andauerte. Diese militärische Präsenz war keine zufällige Reaktion auf ein akutes Problem, sondern das Ergebnis jahrelanger politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme. Die Besetzung, die Haiti de facto unter eine Kolonialherrschaft stellte, hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die soziale, politische und wirtschaftliche Struktur des Landes, die weit über die Dauer der militärischen Präsenz hinausgingen.

Zunächst war es der wirtschaftliche Druck, der den Weg für die US-Militärintervention ebnete. Im Jahr 1914 zog eine amerikanische Bank, die eine Schlüsselrolle in der haitianischen Finanzverwaltung spielte, plötzlich ihre Unterstützung zurück und verweigerte kurzfristige Kredite, die für das Überleben des haitianischen Staates notwendig waren. Dies führte zu einer schweren Finanzkrise, die die haitianische Regierung fast zahlungsunfähig machte. Angesichts dieser Instabilität entschlossen sich die USA, ihre Marines nach Haiti zu entsenden, um die Kontrolle über die öffentliche Ordnung und die Finanzen zu übernehmen.

Die US-Besatzung dauerte nahezu zwanzig Jahre und umfasste nicht nur die militärische Präsenz, sondern auch die Kontrolle über die haitianische Regierung und Wirtschaft. Unter der sogenannten Haitian-American Convention von 1915 erlangten die Vereinigten Staaten umfassende Rechte: Sie kontrollierten die öffentliche Finanzen, die Sicherheit und die Außenpolitik Haitis. Ein Generalempfänger, der von den USA ernannt wurde, hatte das Recht, alle Zollgebühren zu sammeln und die Verwendung dieser Gelder zu überwachen, wobei ein erheblicher Teil davon in die Staatskassen der USA floss. Diese Vereinbarung führte zu einer Entmachtung der haitianischen Regierung und einer verstärkten wirtschaftlichen Ausbeutung des Landes.

Die unmittelbaren Folgen der Besatzung waren dramatisch. Ein System der Zwangsarbeit, bekannt als corvée, wurde eingeführt, bei dem haitianische Bauern gezwungen wurden, ohne Bezahlung an öffentlichen Bauprojekten zu arbeiten. Gleichzeitig wurde ein neues Verfassungssystem erlassen, das es Ausländern ermöglichte, Land zu erwerben, was den Weg für die amerikanische Kapitalinvestition in die haitianische Landwirtschaft, insbesondere in Zucker, Bananen und Sisal, ebnete. Diese wirtschaftlichen Veränderungen führten zu einem tiefgreifenden sozialen Ungleichgewicht, da sie die Interessen der haitianischen Bevölkerung nicht nur wirtschaftlich benachteiligten, sondern auch ihre politische Autonomie infrage stellten.

Trotz der anfänglichen militärischen Überlegenheit stieß die amerikanische Besatzung auf erbitterten Widerstand. Die haitianische Bevölkerung, die eine lange Tradition nationalistischer und antiimperialistischer Bewegungen hatte, begann, sich gegen die US-Intervention zu erheben. Guerillakämpfer, bekannt als cacos, führten langwierige und blutige Aufstände gegen die Besatzungstruppen. In den ersten fünf Jahren wurden mehr als 2.000 Haitians getötet. Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch die US-Marines und die neu gegründete haitianische Gendarmerie, die unter der Besatzung als Sicherheitskräfte agierte, verbreiteten sich rasch. Solche Vorfälle führten zu internationaler Kritik und trugen zur Verschärfung der politischen Spannungen bei.

Die US-Militärs in Haiti hatten kaum Verständnis für die sozio-kulturellen Unterschiede innerhalb der haitianischen Gesellschaft. Ein bedeutendes Missverständnis war die Unfähigkeit der US-Offiziere, zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen innerhalb Haitis, insbesondere zwischen den „Schwarzen“ und den „Mulatten“, zu unterscheiden. Diese soziale Trennung spielte eine entscheidende Rolle in der haitianischen Gesellschaft und Politik, was von den amerikanischen Besatzern nicht anerkannt wurde. Das Missachten dieser Unterscheidung führte zu sozialen Spannungen und trug indirekt zur Entstehung der négritude-Bewegung bei, einer intellektuellen Bewegung, die von haitianischen Intellektuellen und später auch von François „Papa Doc“ Duvalier unterstützt wurde.

Die Besatzung wurde erst im Jahr 1934 offiziell beendet, jedoch blieben die USA in vielerlei Hinsicht als Schutzmacht Haitis präsent. Die Kontrolle über die haitianische Wirtschaft, insbesondere die Zollverwaltung, blieb bestehen und wurde erst 1947 vollständig beendet, nachdem alle von den USA übernommenen Schulden beglichen waren. Obwohl die Präsenz der US-Marine zu dieser Zeit endete, blieb Haiti weiterhin ein de facto abhängiger Staat. Die politischen Verhältnisse in Haiti unter der Herrschaft von Duvalier und seinem Sohn Jean-Claude „Baby Doc“ Duvalier, die die USA zunächst tolerierten, waren von schwerer politischer Repression und Menschenrechtsverletzungen geprägt.

Die Auswirkungen der US-Besatzung auf Haiti sind bis heute spürbar. Sie hinterließ ein Land, das nicht nur ökonomisch ausgebeutet wurde, sondern dessen politische und soziale Strukturen durch externe Eingriffe nachhaltig gestört wurden. Die amerikanische Intervention hatte langfristige Folgen für die Entwicklung Haitis, da sie sowohl die Unabhängigkeit des Landes einschränkte als auch eine Kultur des Widerstands und des Nationalismus förderte, die später in den Diktaturen der Duvalier-Dynastie eine Rolle spielte. Dieser Widerstand gegen die ausländische Herrschaft prägte das politische Denken und Handeln der kommenden Generationen in Haiti.

Wie Multinationale Unternehmen die Weltwirtschaft und internationale Politik beeinflussen: Die Symbiose zwischen Geschäft und Staat

Ab den 1970er Jahren nahmen große Unternehmen in den USA eine zunehmend aktivere Rolle in der politischen Landschaft ein. Dies begann mit der verstärkten Finanzierung von Kandidaten der beiden Hauptparteien, die auf allen politischen Ebenen stattfand – vom Präsidenten bis hinunter zu den lokalen Wahlen. Obwohl direkte Zahlungen von Unternehmen und nationalen Banken für Bundeswahlkämpfe durch das Gesetz von 1907 illegal waren, öffnete das Federal Election Campaign Act (FECA) von 1971 die Tür für politische Aktionskomitees (PACs), über die Unternehmen legitime Kanäle fanden, um Ressourcen in die Wahlkämpfe zu investieren. Diese Veränderungen wurden durch die Aufhebung von finanziellen Obergrenzen durch das Oberste Gericht im Jahr 2010 noch verstärkt, was den Weg für eine noch tiefere Einflussnahme durch multinationale Unternehmen (MNEs) ebnete.

Mit dieser finanziellen Macht wuchsen auch die politischen Einflussmöglichkeiten der großen Unternehmen, und sie begannen, aktiv die öffentliche Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen. Besonders markant wurde dieser Trend in der Ära der Globalisierung, als der freie Handel und die Kapitalströme liberalisiert wurden. Multinationale Unternehmen, die nun auch auf internationale Verhandlungen Einfluss nahmen, begannen, neue Themen auf die Agenda zu setzen, wie den Handel mit geistigem Eigentum, handelsbezogene Investitionsmaßnahmen und den Schutz vor Nationalisierungen. Diese Themen fanden nicht nur in den USA, sondern auch in Europa und Japan breite Unterstützung. Für die US-Regierung war dieser politische Druck von entscheidender Bedeutung, da das Überleben des "semiglobalen Imperiums" eng mit dem Erfolg der amerikanischen Unternehmen im Ausland verbunden war.

Die erste Schlacht um die neue Agenda fand während der Uruguay-Runde der Handelsverhandlungen statt, die 1985 ins Leben gerufen wurde. Diese Verhandlungen standen vor erheblichen Hindernissen, doch nach fast einem Jahrzehnt war der Erfolg der US-Regierung und ihrer multinationalen Unternehmen fast vollständig. Besonders bemerkenswert ist hierbei die Vereinbarung über die handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS), die maßgeblich von Pfizer, einem führenden US-Pharmaunternehmen, beeinflusst wurde. Zuvor war die Verwaltung des geistigen Eigentums dem World Intellectual Property Organization (WIPO) unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen überlassen, jedoch war diese Institution weitgehend ineffektiv. Pfizer und andere US-Unternehmen begannen, in politisch einflussreiche Gremien einzutreten und die internationale Politik aktiv zu beeinflussen, um ihre eigenen Interessen zu wahren.

Pfizer's Vorgehensweise war beispielhaft für die enge Zusammenarbeit zwischen multinationalen Unternehmen und der US-Regierung. Das Unternehmen infiltrierte politische Entscheidungsprozesse weltweit, bildete starke Koalitionen mit anderen großen Unternehmen und nutzte die US-amerikanischen Verhandlungsmacht in internationalen Handelsgesprächen, um seine eigenen Ziele durchzusetzen. Der Erfolg der US-amerikanischen MNEs in dieser Hinsicht zeigte sich insbesondere in der Schaffung der Welthandelsorganisation (WTO), die für die Umsetzung der neuen Agenda zuständig wurde. Dabei spielte die Macht der US-Regierung eine entscheidende Rolle, da kein anderes Land über vergleichbaren politischen Einfluss verfügte, um ähnliche Reformen in den internationalen Handelsregeln durchzusetzen.

Gleichzeitig stellte sich mit zunehmender Globalisierung auch die Frage nach der Loyalität multinationaler Unternehmen gegenüber den Vereinigten Staaten. In einer Zeit, in der Unternehmen global agierten, wurde die enge Bindung an die USA zunehmend infrage gestellt. Die Steuerzahlungen und die Loyalität der Unternehmen gegenüber den Heimatländern wurden kritisch hinterfragt. Das führte zu einer neuen Dynamik in der Beziehung zwischen multinationalen Unternehmen und dem US-Staat, deren langfristige Auswirkungen noch nicht vollständig abzusehen sind.

Ein weiteres bedeutendes Element in der Wechselwirkung zwischen Unternehmen und Staaten stellen nichtstaatliche Akteure dar, insbesondere nichtstaatliche Organisationen (NGOs). Diese Organisationen sind oft Teil der Gegenkultur und werden häufig mit Protesten und politischen Bewegungen in Verbindung gebracht. Trotz ihres manchmal radikalen Erscheinungsbildes unterstützen viele NGOs – insbesondere die größeren und international tätigen – in ihrer Arbeit Werte, die mit den Zielen des "semiglobalen Imperiums" übereinstimmen. Dies zeigt sich besonders in den NGOs, die in den internationalen Angelegenheiten aktiv sind.

Die historische Verbindung zwischen den US-Regierungen und NGOs, die sich auf Außenpolitik konzentrieren, geht auf das frühe 20. Jahrhundert zurück. Während des Ersten Weltkriegs versammelte "Colonel" Edward M. House, ein Berater von Präsident Wilson, eine Gruppe von jungen Experten, um Ideen für die Nachkriegsordnung zu entwickeln. Diese Gruppe bildete den Kern des späteren Council on Foreign Relations (CFR), der eine maßgebliche Rolle bei der Gestaltung der US-Außenpolitik spielte. Der CFR und ähnliche Organisationen sind der Überzeugung, dass die USA als größte Weltmacht eine führende Rolle in der Gestaltung der internationalen Ordnung spielen sollten. Die von diesen Organisationen ausgearbeitete Agenda hat immer wieder dazu beigetragen, dass die US-Außenpolitik und die Wirtschaftsinteressen der multinationalen Unternehmen in Einklang gebracht wurden.

Die enge Zusammenarbeit zwischen großen Unternehmen und nichtstaatlichen Organisationen hat den Weg für die Schaffung einer globalen Ordnung geebnet, in der wirtschaftliche und politische Interessen miteinander verflochten sind. In vielen Fällen haben NGOs dazu beigetragen, die US-amerikanischen Positionen in internationalen Verhandlungen zu unterstützen und den politischen Druck zu verstärken. Sie haben damit eine wichtige Rolle in der Fortsetzung des wirtschaftlichen und politischen Einflusses der USA gespielt.

Die Entwicklung multinationaler Unternehmen und ihre Beziehungen zu Staaten und NGOs sind eine zentrale Komponente des internationalen Wirtschafts- und Machtgefüges. In einer Welt, in der der Einfluss von Staaten zunehmend mit dem von Unternehmen und internationalen Organisationen verschmilzt, wird die Bedeutung dieser Verflechtungen in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen.

Wie und warum die USA in Lateinamerika intervenierten: Strategien, Ziele und Folgen

Der Sturz von Salvador Allende 1973 war das Ergebnis einer jahrzehntelangen Kampagne der USA, ihn politisch zu isolieren und zu destabilisieren. Allende, Mitglied der chilenischen Sozialistischen Partei, hatte bereits 1958 fast die Präsidentschaft gewonnen und stellte für die USA eine Bedrohung dar, insbesondere nach seinem vehementen Widerstand gegen die Schweinebucht-Invasion Kubas 1961. Die US-amerikanischen Geheimdienste begannen daraufhin, umfassende verdeckte Operationen gegen ihn durchzuführen. Ein Bericht eines US-Senatsausschusses hebt hervor, dass „geheime amerikanische Aktivitäten in nahezu allen wichtigen Wahlen in Chile zwischen 1963 und 1973 eine Rolle spielten“. Dabei flossen Millionen Dollar zur Unterstützung des christdemokratischen Kandidaten Eduardo Frei, oft ohne dessen Wissen. Die Wahl 1964 wurde so massiv beeinflusst, dass Allende eine klare Niederlage erlitt, wenngleich die späteren Versuche, seinen Wahlsieg 1970 zu verhindern, scheiterten.

Nach Allendes Wahlsieg begann die US-Regierung eine gezielte Kampagne, die auf seine Diskreditierung und die Destabilisierung der chilenischen Wirtschaft abzielte. Unter Leitung des „40 Committee“, einem interagency-Gremium unter Henry Kissinger, wurden Kredite von US-geführten Institutionen blockiert und Oppositionsparteien sowie Medien finanziert. Diese Vorgehensweise vermittelte eine deutliche Botschaft: Sollte ein aus Sicht der USA strategisch unliebsamer Regierungschef an die Macht kommen, würde das US-Regime eine militärische Intervention nicht scheuen. In der Folge kam es in Argentinien, Uruguay und anderen Ländern Südamerikas zu Militärputschen, die autoritäre Regimes an die Macht brachten, welche US-Interessen garantierten.

Ein vergleichbares Muster zeigte sich in Mittelamerika, wo bereits 1954 mit dem Sturz von Jacobo Arbenz eine ähnliche Strategie verfolgt wurde. Die Überraschung für die USA kam 1979 mit dem Sandinistischen Aufstand gegen das Somoza-Regime in Nicaragua, das seit Jahrzehnten von den USA unterstützt wurde. Die Administration Carter bemühte sich zunächst um einen Ausgleich, doch unter Ronald Reagan verschärfte sich die Strategie deutlich. Die Unterstützung der Contra-Rebellen gegen die Sandinisten erfolgte trotz Kongressverboten und führte zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen. Die USA führten zudem Sabotageakte gegen den nicaraguanischen Hafen durch, obwohl kein Krieg zwischen den Staaten herrschte. Die wirtschaftliche Zerstörung führte letztlich zum Wahlsieg der Opposition 1990.

Im selben Zeitraum sicherten die USA ihre Kontrolle in der Region weiter ab – unter anderem durch die Invasion Grenadas 1983 und Panamas 1989, letztere offiziell mit dem Ziel, die Sicherheit US-amerikanischer Bürger zu schützen, Drogenhandel zu bekämpfen und die Integrität des Panamakanals zu wahren. Diese Interventionen erfolgten trotz vielfacher Kritik und oft unter dem Deckmantel vermeintlicher Rechtfertigungen, wobei das strategische Eigeninteresse im Vordergrund stand.

Mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 öffnete sich für die USA eine neue Phase der globalen Dominanz. Das Fehlen einer gleichwertigen Gegenmacht ermöglichte es Washington, eine weltweite Vorherrschaft anzustreben, besonders durch die Förderung eines globalen Systems des freien Marktes. Die Durchsetzung kapitalistischer Prinzipien und die Sicherung amerikanischer Unternehmensinteressen in Schlüsselindustrien wie der Informations- und Kommunikationstechnologie wurden zum zentralen Anliegen. Trotz Hoffnungen auf eine „Friedensdividende“ blieb die militärische Präsenz der USA weltweit auf hohem Niveau, die Qualität und Reichweite der Ausrüstung wuchs sogar. Militärbasen vermehrten sich global, da keine geopolitischen Beschränkungen des Kalten Krieges mehr bestanden.

Das Verständnis dieser historischen Vorgänge ist essentiell, um die langfristigen Auswirkungen und die Kontinuität US-amerikanischer Außenpolitik zu begreifen. Die verdeckten Operationen und offenen Interventionen dienten nicht nur kurzfristigen Machtzielen, sondern strukturierten die politischen Landschaften ganzer Regionen neu. Dabei wurden demokratische Prozesse häufig manipuliert oder ausgehebelt, um geopolitische und wirtschaftliche Interessen zu sichern. Die Folgen für die betroffenen Länder waren oft politische Instabilität, Menschenrechtsverletzungen und wirtschaftliche Rückschläge, deren Nachwirkungen bis heute spürbar sind. Ebenso wichtig ist es, die Verbindung zwischen den historischen Interventionen und der heutigen globalen Ordnung zu erkennen: Die US-amerikanische Strategie, Macht durch wirtschaftliche Dominanz, politische Einflussnahme und militärische Präsenz zu erhalten, hat sich im post-kalten Krieg Zeitalter weiterentwickelt, aber keineswegs abgeschwächt.

Warum „Smart Power“ die US-Imperialismusstrategie nicht verändert hat

Die Nutzung von „harter“ Macht hat nicht nur in den Ländern, in denen sie ausgeübt wurde, sondern auch in vielen anderen, die nicht direkt betroffen waren, den Antiamerikanismus angeheizt. Gleichzeitig zeigte sich, dass „weiche“ Macht, verstanden als die Fähigkeit, zu gewinnen und zu beeinflussen statt zu zwingen, mit Gewalt oder Geld zu agieren, als Mittel der Überzeugung, eindeutig nicht funktionierte. Nach und nach entwickelte sich die Idee von „Smart Power“, in der „harte“ und „weiche“ Machtformen kombiniert werden sollten, um die Interessen der USA zu sichern, ohne zu viel Feindseligkeit hervorzurufen. Das Ergebnis war die erste „Quadrennial Diplomacy and Development Review“ (QDDR) von 2010, die aufzeigte, dass die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen US-Behörden weiterhin ein imperialistisches Programm zur Folge hatte, bei dem Smart Power oft einseitig ausgeübt wurde.

Die offizielle Darstellung der US-amerikanischen Außenpolitik im QDDR von 2010 war klar: die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Institutionen schützt die Interessen Amerikas, projiziert seine Führung und hilft, fragile Staaten vor dem Abstieg ins Chaos zu bewahren. Es wird wirtschaftliches Wachstum gefördert, amerikanische Geschäfte und Investitionen gesichert, Märkte eröffnet und Arbeitsplätze geschaffen. Die Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Gruppen weltweit, die sich für demokratische Regierungsführung einsetzen, sollte ebenfalls das amerikanische Engagement unterstreichen. Diese Agenda wurde als eine affirmative Darstellung des amerikanischen Einflusses präsentiert, die sowohl die nationale Sicherheit schützt als auch die Werte der USA vorantreibt. Doch in Wirklichkeit änderte sich wenig. Smart Power war letztlich eine raffinierte Methode, die imperialen Interessen der USA voranzutreiben, ohne die direkte Feindseligkeit, die der Einsatz harter Macht hervorrufen konnte.

Die politische Praxis des imperialen Handelns, sowohl unilateral als auch multilateral, setzte sich unverändert fort. Für viele, insbesondere für Antimperialisten, erschien es so, als würde das amerikanische Imperium weiterhin expandieren. Doch das Gegenteil war der Fall: Das Imperium war bereits auf dem Rückzug, ein Prozess, der sich seit Jahren fortsetzte und eine tiefere Bedeutung für die Zukunft der US-Außenpolitik hatte. Dies ist der Kern des amerikanischen Antimperialismus, der im Laufe der Geschichte eine bedeutende Rolle spielte und auch in der Gegenwart noch eine wichtige Quelle der politischen Diskussion darstellt.

Die Geschichte des amerikanischen Antimperialismus geht bis zur Gründung der Republik zurück und hat sich seitdem weiterentwickelt. Bereits während des Unabhängigkeitskrieges gegen das britische Empire wendeten sich die Bürger der neuen Nation gegen die Tyrannei des Empire, nicht aber gegen das Konzept des Empire selbst. Der Widerstand gegen eine imperialistische Ausweitung der Vereinigten Staaten fand seinen ersten Ausdruck in der Ablehnung territorialer Expansion. Dies führte zu einer Tradition des Anti-Expansionismus, die in den frühen Jahren der Republik entstand. Dieser Anti-Expansionismus entwickelte sich später zu einer breiteren Ablehnung von Interventionismus und imperialer Einmischung.

Nach dem Ersten Weltkrieg nahm der Antimperialismus zunehmend die Form des Isolationismus an, der ebenfalls eine lange Tradition in der US-Politik hatte. Isolationismus, wie er von George Washington in seiner Abschiedsrede von 1796 formuliert wurde, hatte immer wieder Bedeutung für die amerikanische Politik. Obwohl nicht alle Isolationisten Antimperialisten waren, wurde der Isolationismus häufig als Deckmantel für eine Ablehnung internationaler imperialer Ambitionen genutzt. Der Widerstand gegen den Militarismus und die damit verbundenen imperialistischen Bestrebungen war ebenfalls ein bedeutender Bestandteil der amerikanischen Antimperialismustradition. Während des Vietnamkrieges erreichte dieser Widerstand seinen Höhepunkt, als Antimilitarismus und die Ablehnung imperialer Kriege besonders lautstark und weit verbreitet waren.

Der antimilitaristische Widerstand hat eine lange Geschichte in den USA und bleibt eine zentrale Komponente des modernen Antimperialismus. Auch wenn der Militarismus nach den Ereignissen des 11. Septembers zunächst eine weitgehende Akzeptanz fand, kehrte der antimilitaristische Widerstand bald zurück. Diese Tradition ist auch heute noch in den politischen Debatten der USA von Bedeutung und beeinflusst die Haltung vieler Amerikaner gegenüber imperialer Expansion und militärischer Intervention.

Ein weiterer Aspekt des amerikanischen Antimperialismus ist die Ablehnung des Konzeptes der „amerikanischen Exzeptionalität“. Viele Gegner des amerikanischen Imperialismus lehnen die Vorstellung ab, dass die USA aufgrund ihrer Geschichte und ihrer Werte fundamental anders sind als andere Nationen, die ebenfalls imperialistische Praktiken anwenden. Diese Haltung der Antiexzeptionalisten hat an Bedeutung gewonnen, insbesondere bei jüngeren Generationen, die zunehmend die Vorstellung ablehnen, dass die USA eine „außergewöhnliche“ Nation sind, die ein Recht auf weltweite Vorherrschaft habe. In der heutigen politischen Landschaft wird der Begriff der „amerikanischen Exzeptionalität“ immer häufiger infrage gestellt, und immer mehr junge Menschen in den USA glauben nicht mehr an diese Mythologie.

Trotz der wachsenden Unterstützung für Antimperialismus und der damit verbundenen politischen Strömungen bleibt der imperialistische Glaube in den USA weiterhin stark. Dieser Widerspruch zwischen den traditionell imperialen Zielen und den wachsenden internen Kräften des Antimperialismus führt zu einem Spannungsfeld, das die amerikanische Außenpolitik der kommenden Jahre prägen wird. Auch wenn das „imperiale Projekt“ auf dem Rückzug ist, sind die internen und externen Kräfte, die diesen Prozess vorantreiben, zunehmend komplex und ineinandergreifend.