Fake News ist ein Begriff, der zunehmend in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Diskussionen gerückt ist. Dabei ist es wichtig, Fake News nicht mit problematischem, aber dennoch wahrheitsgemäßem Journalismus zu verwechseln. Der Begriff „Fake News“ bezieht sich auf Inhalte, die absichtlich falsche Informationen verbreiten, unabhängig davon, ob sie eine politische oder anderweitige Agenda verfolgen. Doch auch wenn diese Informationen oftmals in einer Form präsentiert werden, die der echten Nachricht ähnlich ist, haben sie grundlegende Unterschiede, die sie von tatsächlichen Nachrichten unterscheiden.
Eine der zentralen Fragen ist, was genau Fake News ausmacht. Um dies zu verstehen, müssen wir die Unterscheidung zwischen „guten“ und „schlechten“ Nachrichten sowie zwischen „effektiven“ und „ineffektiven“ Fake News betrachten. Es ist wichtig zu verstehen, dass „ineffektive Fake News“ nicht weniger Fake News sind, nur weil sie nicht erfolgreich in die Irre führen. Selbst wenn eine Falschmeldung leicht erkennbar und kaum in der Lage ist, die Öffentlichkeit zu täuschen, bleibt sie Fake News. Ein einfaches Beispiel: Ein schlecht gemachter Propagandaartikel, der klar falsche Informationen enthält, könnte für viele Leser unauffällig erscheinen, aber es bleibt ein Versuch, absichtlich die Wahrheit zu verzerren.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Fake News immer in schlechter oder ungeschickter Weise verbreitet werden. Eine effektivere Form von Fake News wäre beispielsweise eine Webseite, die falsche Berichte in einen wahren Kontext einbettet, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Indem die falschen Informationen so formuliert werden, dass sie plausibel erscheinen, und indem mögliche Einwände bereits adressiert werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Leser getäuscht werden. Dies zeigt, dass der Unterschied zwischen einer erfolgreichen und einer weniger erfolgreichen Falschmeldung weniger in der Absicht liegt, sondern in der Art und Weise, wie sie präsentiert wird.
In dieser Hinsicht unterscheidet sich Fake News von satirischen Nachrichtenquellen. Auch wenn Satire absichtlich irreführend sein kann, hat sie eine andere Absicht. Ihr Ziel ist es nicht, den Leser zu täuschen, sondern eine kritische Reflexion zu fördern, oft mit Humor und überzogenen Darstellungen. Fake News hingegen zielt immer darauf ab, den Leser zu irreführen – auch wenn sie in einer Form präsentiert wird, die einer echten Nachricht ähnelt.
Es gibt jedoch eine weit verbreitete Fehleinschätzung: Fake News muss immer eine politische Agenda oder eine tiefere strategische Absicht verfolgen. Das ist jedoch nicht immer der Fall. Fake News kann aus unterschiedlichen Gründen verbreitet werden, sei es zur Unterhaltung, als Teil eines Scherzes oder auch aus reiner Fahrlässigkeit. Ein Beispiel könnte eine bewusst erfundene Geschichte sein, die keinerlei politische Intention verfolgt, aber dennoch eine erhebliche Anzahl von Menschen in die Irre führt.
Das Erkennen von Fake News erfordert eine spezielle Kompetenz. Man muss in der Lage sein, zwischen echter und falscher Information zu unterscheiden, selbst wenn die Fake News professionell aufbereitet und gut recherchiert erscheinen. Diese Fähigkeit ist nicht mit der Kompetenz identisch, die notwendig ist, um die epistemischen Qualitäten von echten Nachrichten zu bewerten. Während die Beurteilung echter Nachrichten oft auf der Überprüfung von Quellen, der Genauigkeit von Daten und der Glaubwürdigkeit der berichtenden Institution beruht, ist das Erkennen von Fake News komplexer. Hier geht es nicht nur darum, die Wahrheit oder die Quellen zu überprüfen, sondern auch die Intention hinter der Nachricht zu erkennen.
Um Fake News zu erkennen, muss man sich nicht nur auf die Oberflächeninformationen verlassen, sondern auch die Art und Weise verstehen, wie Nachrichten gestaltet werden, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Es geht darum, Muster zu erkennen, wie Falschinformationen in eine Nachricht eingebettet werden, und zu hinterfragen, wer davon profitiert, wenn diese Information verbreitet wird.
Zu den weiteren Herausforderungen gehört die Vielzahl der Quellen, durch die Fake News verbreitet werden. Während viele Menschen erkennen können, wenn eine Nachricht aus zweifelhaften Quellen kommt, wie etwa obskuren Webseiten oder sozialen Medien, ist es schwieriger, wenn diese Quellen bereits etabliert und scheinbar vertrauenswürdig sind. Auch große Plattformen können als Verstärker für Fake News dienen, sodass eine detaillierte Analyse der Herkunft einer Information immer wichtiger wird.
Neben den praktischen Fähigkeiten, Fake News zu erkennen, ist es ebenso wichtig zu verstehen, dass Fake News nicht immer mit einer klaren politischen Agenda verbunden sein müssen. Sie können ebenso aus kommerziellen Interessen oder schlicht aus einem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Sensation entstehen. Sie können auch als Teil eines größeren kulturellen Phänomens existieren, das bestimmte Narrative unterstützt oder widerspricht, ohne dass eine bewusst manipulierte Absicht dahintersteckt.
Fake News ist ein äußerst komplexes Phänomen, das durch seine Vielschichtigkeit und die unterschiedlichsten Motive, die zu seiner Entstehung führen, schwer zu fassen ist. Es ist daher entscheidend, die verschiedenen Facetten und Techniken zu verstehen, mit denen Fake News produziert und verbreitet werden, um sich nicht von ihr täuschen zu lassen.
Wie Informationskriege die epistemische Autonomie untergraben
In der politischen Landschaft der Gegenwart spielt die Manipulation des Informationsökosystems eine immer größere Rolle, insbesondere in autoritären Regimen und demokratischen Gesellschaften, die von massiven Medienblasen durchzogen sind. Die gezielte Kontrolle über die Ströme von Informationen, sowohl durch Propaganda als auch durch Zensur, hat nicht nur Auswirkungen auf das politische Geschehen, sondern auch auf die Art und Weise, wie Individuen Wissen und Wahrheit konstruieren. Die grundlegende Aufgabe eines totalitären Systems, wie sie von Hannah Arendt beschrieben wurde, ist es, die epistemische Autonomie der Menschen zu untergraben – das Recht und die Fähigkeit eines Individuums, sich eine eigene, unvoreingenommene Meinung zu bilden.
Das Ziel totalitärer Regime ist es, nicht nur die politische, sondern auch die epistemische Freiheit der Individuen zu unterdrücken. In solchen Systemen wird die Kontrolle über die Informationen, die ein Individuum empfängt, durch Propaganda, Zensur und die gezielte Manipulation von Fakten erreicht. Wie Arendt zutreffend feststellt, ist es in diesen Regimen das erklärte Ziel der Machthaber, die Vorstellung von einer objektiven Wahrheit zu zerstören, sodass „alles möglich und nichts wahr“ ist. Diese verzerrte Wahrnehmung der Realität wird durch eine systematische Beeinflussung des öffentlichen Diskurses erreicht, wobei die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge zunehmend verschwimmen.
In einer solchen Umgebung sind die Opfer dieser Manipulationen nicht nur der politischen Unterdrückung ausgesetzt, sondern auch einem verzerrten epistemischen Raum, in dem es schwierig ist, zwischen Fakten und Fiktionen zu unterscheiden. Ein markantes Beispiel für diese Art der Manipulation ist die Informationspolitik Russlands unter Wladimir Putin, das seit den 1990er Jahren eine Strategie zur Steuerung und Verzerrung öffentlicher Meinungen entwickelt hat. Pseudo-journalistische Inhalte, wie sie unter dem Label „Fake News“ verbreitet werden, sind ein zentrales Element dieser Strategie. Diese fiktiven Erzählungen, die sich als Journalismus tarnen, verbreiten nicht nur Verwirrung über bestimmte Ereignisse, sondern zielen auch darauf ab, den Glauben an objektive Quellen wie etablierte Medien und Wissenschaftler zu untergraben.
Die Technik, Fake News zu verbreiten, basiert auf einer systematischen Kampagne, die darauf abzielt, die Öffentlichkeit in einen Zustand epistemischer Unsicherheit zu versetzen. Dies geschieht durch die Herstellung und Verbreitung von Falschinformationen, die traditionelle Quellen diskreditieren. Historisch gesehen war diese Strategie bereits in der Tabakindustrie zu beobachten, die wissenschaftliche Studien, die den Zusammenhang zwischen Rauchen und Krebs belegten, zu untergraben versuchte. Die Taktik war immer dieselbe: Zweifel säen und alternative, weniger belastbare Studien fördern, um den wissenschaftlichen Konsens in Frage zu stellen.
Die Einführung von sozialen Medien und der ungehinderte Zugang zu Informationen haben die Reichweite und Effektivität solcher Manipulationen weiter verstärkt. In diesem Kontext sind die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion zunehmend durchlässig geworden, was das Vertrauen in traditionelle Informationsquellen erschüttert. Ein Beispiel dafür ist die Strategie, die von russischen Akteuren genutzt wurde, um die öffentliche Meinung zu destabilisieren, indem sie gezielt desinformative Narrative verbreiteten und gleichzeitig traditionelle Medien als „Fake News“ brandmarkten. Ein zentrales Merkmal dieser Kampagnen ist die systematische Zerstörung des Vertrauens in etablierte Institutionen, die über die Bereitstellung verlässlicher Informationen wachen.
Die Auswirkungen dieser Taktiken sind weitreichend. Wenn der Begriff „Fake News“ einmal so umfassend verbreitet ist, dass er jede Art von Information disqualifiziert, entsteht ein Klima, in dem nur noch die Erzählungen der Machthaber als „wahr“ gelten. Dieses Phänomen ist ein Angriff auf die epistemische Autonomie, weil es den Einzelnen in seiner Fähigkeit behindert, eine fundierte und unabhängige Meinung zu bilden. Die Informationen, die er erhält, sind durchzogen von Manipulationen und Verzerrungen, die das Fundament einer freien Gesellschaft untergraben.
Das Konzept der epistemischen Heteronomie, das die totale Kontrolle über das Denken und die Wahrnehmung der Menschen beschreibt, ist der Kern dieser manipulativen Praktiken. In totalitären Regimen wird nicht nur die politische Freiheit unterdrückt, sondern auch die geistige Autonomie der Menschen. Sie sind gezwungen, in einem Umfeld zu leben, in dem alle relevanten Informationen einer Verzerrung oder Zensur unterzogen werden. Selbst in demokratischen Gesellschaften, in denen der Zugang zu freien Informationsquellen gewährleistet ist, können ähnliche Taktiken durch die Bildung von medialen Echokammern auftreten, die den Zugang zu objektiven Wahrheiten blockieren und alternative Narrative in den Hintergrund drängen.
Doch trotz all dieser Bemühungen bleibt ein entscheidender Punkt: Die epistemische Autonomie der Individuen lässt sich nicht vollständig unterdrücken. Auch in repressiven Systemen gibt es immer wieder Menschen, die sich dem Druck widersetzen und gegen die Manipulationen ankämpfen. Der Widerstand kann in Form des Verbreitens verbotener Informationen, der Illegalität oder der risikobehafteten Suche nach Wahrheit erfolgen. Dies zeigt, dass der Drang nach epistemischer Freiheit eine grundlegende Eigenschaft des menschlichen Wesens ist, die selbst in den dunkelsten Zeiten nicht völlig ausgelöscht werden kann.
Insgesamt wird die aktuelle Dynamik der Desinformation und der Manipulation des öffentlichen Diskurses durch die ständige Verbreitung von „Lärm“ und Falschinformationen verstärkt. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass wir uns der Gefahren dieser Praktiken bewusst sind und weiterhin auf die Wahrung der epistemischen Autonomie hinwirken, um die Wahrheit in einer zunehmend unsicheren Welt zu bewahren.
Warum Lügen schneller verbreitet werden als Wahrheit: Die Rolle von Bots und sozialen Netzwerken
Zwischen 2006 und 2017 wurden im Rahmen einer Untersuchung mehr als 126.000 Gerüchte von über 3 Millionen Menschen mehr als 4,6 Millionen Mal verbreitet. Die Autoren der Studie fanden heraus, dass „Falschmeldungen signifikant weiter, schneller, tiefer und breiter verbreitet wurden als wahre Informationen in allen Kategorien“ (Vosoughi et al. 2018, S. 1147). Ein besonders auffälliger Befund war, dass Falschmeldungen weitaus mehr Menschen erreichten als wahre Informationen. So erreichten falsche Nachrichtenkaskaden zwischen 1.000 und 100.000 Menschen, während wahre Informationen selten mehr als 1.000 Menschen erreichten. Zudem dauerte es etwa sechsmal länger, bis die Wahrheit 1.500 Menschen erreichte, als es bei falschen Informationen der Fall war.
Noch auffälliger war diese Diskrepanz bei politischen Nachrichten: Falsche politische Nachrichten erreichten mehr als 20.000 Menschen und verbreiteten sich fast dreimal schneller als alle anderen Arten von Nachrichten, die 10.000 Menschen erreichten (Vosoughi et al. 2018, S. 1148). Was für die vorliegende Fragestellung besonders wichtig ist, ist der Umstand, dass diese Ergebnisse nicht durch strukturelle Merkmale der Netzwerke oder der Nutzer erklärt werden konnten. Die Forscher stellten fest, dass die Nutzer, die falsche Informationen verbreiteten, in allen relevanten Aspekten weniger aktiv und weniger einflussreich waren. Sie hatten weniger Follower, folgten weniger Menschen, waren weniger oft verifiziert und waren kürzer auf Twitter aktiv. Dennoch verbreiteten sich ihre falschen Nachrichten schneller und weiter als die wahren, und zwar trotz dieser Unterschiede, nicht aufgrund davon.
Dies wirft die Frage auf, warum falsche Informationen so viel erfolgreicher sind als wahre. Die Antwort scheint in der Natur des Inhalts selbst zu liegen. Falschmeldungen waren laut der Untersuchung in jeder Hinsicht einzigartiger und noveler als wahre Informationen. Sie riefen stärkere Reaktionen wie Überraschung oder Ekel hervor, während wahre Nachrichten eher Trauer, Vorfreude, Freude oder Vertrauen auslösten (Vosoughi et al. 2018, S. 1150). Die Forschung legt nahe, dass die menschliche Neigung, auf Neues und Überraschendes zu reagieren, der Hauptfaktor hinter dieser ungleichen Verbreitung ist. Falsche Informationen faszinieren und ziehen die Aufmerksamkeit auf sich, während wahre Informationen häufig weniger Emotionen auslösen und daher leichter übersehen werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der in dieser Diskussion berücksichtigt werden muss, sind die sogenannten „Bots“. Diese automatisierten Accounts, die in sozialen Netzwerken agieren, verstärken die Ausbreitung von Nachrichten, sowohl wahrer als auch falscher. In einer weiteren Untersuchung wurde festgestellt, dass Bots zwar sowohl wahre als auch falsche Nachrichten beschleunigen, jedoch nicht in einem Ausmaß, das die ursprüngliche Forschungserkenntnis widerlegt. Die Studien zeigten, dass Falschmeldungen auch ohne die Hilfe von Bots schneller und weiter verbreitet wurden als die Wahrheit. Bots mögen also die Geschwindigkeit der Verbreitung beeinflussen, aber sie sind nicht der Hauptgrund für den Erfolg von Falschmeldungen.
Interessanterweise wurde in der Studie von Pew Research Center (2017) herausgefunden, dass 66 Prozent aller Links, die auf populäre Nachrichten- und Ereignis-Websites geteilt werden, von Bots stammen. Unter bestimmten Arten von Nachrichtenseiten, wie Aggregator-Websites, liegt dieser Anteil sogar bei 89 Prozent. Auch in Bezug auf die Aktivität von Bots wurde festgestellt, dass eine kleine Anzahl besonders aktiver Bots für einen überproportional großen Anteil an Links verantwortlich ist. Die 500 aktivsten Bots machen 22 Prozent der gesamten Links zu wichtigen Nachrichtenwebseiten aus, während die 500 aktivsten menschlichen Nutzer nur 6 Prozent ausmachen. Dies weist darauf hin, dass Bots eine bedeutende Rolle bei der Verbreitung von Informationen spielen und diese effizienter verbreiten als menschliche Nutzer.
In Anbetracht dieser Erkenntnisse ergibt sich ein dringendes Problem für unsere heutige Nachrichtenkultur. Besonders in Zeiten, in denen politische Akteure soziale Medien wie nie zuvor nutzen, um Falschinformationen zu verbreiten, wird die Situation immer problematischer. Ein Paradebeispiel ist Donald Trump, dessen Tweets häufig falsche Informationen verbreiten. Die einzigartige Art und Weise, wie er Twitter nutzt, und die oft schockierende Natur seiner Aussagen sorgen dafür, dass seine Tweets eine große Aufmerksamkeit erhalten. Diese Falschmeldungen werden dann von Nutzern aufgegriffen, geteilt und weiterverbreitet, während Korrekturen oder gegenteilige Informationen oft ignoriert oder unterdrückt werden.
Wichtig ist, dass nicht nur die Technik der sozialen Netzwerke oder die Verwendung von Bots die Verbreitung von Falschmeldungen erklärt, sondern auch die Natur des Inhalts selbst. Falsche Nachrichten, die oft neu und einzigartig sind, ziehen die Aufmerksamkeit auf sich und verbreiten sich schneller. Dies führt zu einem Zyklus, in dem die Aufmerksamkeit auf immer neue Falschmeldungen gelenkt wird, während wahre Informationen, die weniger aufregend erscheinen, in den Hintergrund rücken.
Es muss jedoch betont werden, dass nicht alle Echo-Kammern epistemisch problematisch sind. Wenn es sich bei den geteilten Informationen um wahre und wichtige Fakten handelt, kann die Verbreitung durch eine Vielzahl von Personen in sozialen Netzwerken durchaus epistemisch wertvoll sein. Doch eine falsche Information, die aufgrund ihrer Neuheit oder ihrer Quelle – sei es Trump oder Fox News – verbreitet wird, erodiert die Zuverlässigkeit von Wissen und untergräbt letztlich das Vertrauen in die Wahrheit. Der Schaden entsteht nicht durch die Art der sozialen Netzwerke selbst, sondern durch den Inhalt, der sich dort verbreitet. Wenn dieser Inhalt nicht kritisch hinterfragt wird, wird er zu einer Bedrohung für das epistemische Vertrauen und die Wahrheit selbst.
Wie der "Top-Link-Heuristik" in Suchmaschinen das Verständnis von wissenschaftlichen Rückrufen beeinflusst
Suchergebnisseiten (SERPs) von Suchmaschinen sind oft die erste Anlaufstelle für Internetnutzer auf der Suche nach Informationen. In der Vergangenheit wurde wiederholt dokumentiert, wie Suchergebnisse die Aufmerksamkeit der Nutzer beeinflussen und ihre Entscheidungen, welche Webseiten sie auswählen. Eine weit verbreitete Nutzergewohnheit ist dabei die sogenannte "Top-Link-Heuristik". Diese besagt, dass die Nutzer vorwiegend die ersten wenigen Treffer auf den Suchergebnisseiten ansehen und anklicken, ohne alle weiteren Treffer zu berücksichtigen. Diese Herangehensweise ermöglicht eine schnelle und effiziente Informationsbeschaffung, da Suchmaschinen in der Regel relevante Seiten zuerst listen, besonders bei einfachen Fakten.
Doch gerade bei kontroversen Themen, wie etwa dem Klimawandel, kann sich diese Strategie als ineffizient erweisen. Der Hauptgrund hierfür ist, dass die Nutzer, indem sie nur die obersten Ergebnisse betrachten, wichtige Informationen verpassen könnten. Besonders problematisch wird diese Heuristik, wenn Suchergebnisse kommerziell gefärbte Webseiten enthalten oder wenn Nutzer die Beziehungen zwischen den Seiten, die sie in den SERPs finden, nicht reflektieren. Dies ist besonders problematisch, wenn es um die Ermittlung der Wahrheit bei wissenschaftlichen Rückrufen geht, die oft von Betrug oder Fehlverhalten in der Forschung zeugen.
Unsere Untersuchung zeigt, dass die Top-Link-Heuristik nicht nur bei komplexen Themen wie dem Klimawandel ineffizient sein kann, sondern auch bei scheinbar klaren Fakten, etwa wenn es um die Frage geht, ob ein wissenschaftlicher Artikel zurückgezogen wurde. In der Praxis verlassen sich Suchmaschinen wie Google oft auf wissenschaftliche Fachzeitschriften, um einen Rückruf eines Artikels kenntlich zu machen. Dies bedeutet, dass Google das Problem indirekt löst, indem es auf die Webseiten der Fachzeitschriften verweist, die diese Informationen einfügen. Doch nicht alle Verlage kennzeichnen zurückgezogene Artikel eindeutig oder erklären, warum dies geschieht. Ein Beispiel hierfür ist die unzureichende Kennzeichnung von zurückgezogenen Artikeln auf den Webseiten von Verlagen, was zu einer unvollständigen oder missverständlichen Informationslage für die Nutzer führt.
Die Art und Weise, wie Google mit zurückgezogenen Artikeln umgeht, legt nahe, dass Suchmaschinen ein tiefgehendes Problem haben, das mit ihrer Technik der Popularitätsbewertung zusammenhängt. Google stellt Links zu zurückgezogenen Artikeln in der Regel hinter denen des ursprünglichen Artikels zurück. Die Frage, die sich daraus ergibt, ist, ob Nutzer durch diese Praxis in die Irre geführt werden, und ob dies ihr Verständnis von wissenschaftlichen Themen und ihr Glauben an falsche wissenschaftliche Informationen beeinflusst.
Unseres Erachtens stellt dies ein erhebliches Problem dar. In einer idealen Welt würden die Ergebnisse von Suchmaschinen, die auf Popularität basieren, die tatsächliche Qualität und Richtigkeit der Informationen widerspiegeln. Doch da Google und ähnliche Suchmaschinen auf Popularität setzen, werden die Ergebnisse durch diese Strategie verzerrt. Ein möglicher Ansatz, dieses Problem zu lösen, könnte darin bestehen, die Handhabung von Rückrufen direkt in den Suchmaschinenalgorithmen zu integrieren, anstatt sich auf die wissenschaftlichen Fachzeitschriften zu verlassen. Dies könnte durch eine spezielle Datenbank erfolgen, in der alle zurückgezogenen wissenschaftlichen Artikel und deren Rückrufstatus gespeichert sind. Suchmaschinenalgorithmen könnten dann so angepasst werden, dass Rückrufe den Popularitätsfaktor überwiegen, sodass zurückgezogene Artikel nicht mehr als aktuelle, vertrauenswürdige Quellen angezeigt werden.
Es ist jedoch wahrscheinlich, dass Suchmaschinenanbieter nicht bereit sind, ihre bewährte Technologie grundlegend zu ändern. Eine weniger radikale, aber möglicherweise ebenso effektive Lösung könnte darin bestehen, dass Google und andere Anbieter ihre Algorithmen so anpassen, dass sie auf verlässliche, spezielle Datenbanken zurückgreifen, die Rückrufe eindeutig kennzeichnen und priorisieren. Diese Datenbanken, wie sie etwa von Retraction Watch betrieben werden, könnten eine klare, unabhängige Quelle für die Suchmaschinen darstellen, um die Korrektheit von Artikeln zu gewährleisten.
Ein weiteres Problem stellt die Darstellung der Rückrufe in den Suchergebnissen dar. Es stellt sich die Frage, wie die Rückrufe angezeigt werden sollten, um zu verhindern, dass Nutzer in die Irre geführt werden. Denn nicht nur der Artikel selbst, sondern auch Artikel, die den Rückruf thematisieren, könnten in den Suchergebnissen erscheinen. Der Titel des Artikels und die Art, wie dieser in populärwissenschaftlichen oder allgemeineren Medien behandelt wird, spielen eine wichtige Rolle dabei, wie der Rückruf vom Nutzer wahrgenommen wird.
Wichtig zu beachten ist, dass die Gewährleistung der Transparenz und Klarheit bei zurückgezogenen Artikeln eine gemeinsame Verantwortung von Suchmaschinen, Fachzeitschriften und Verlagen ist. Alle Akteure im wissenschaftlichen Veröffentlichungsprozess müssen sicherstellen, dass zurückgezogene Artikel eindeutig gekennzeichnet und korrekt behandelt werden, sowohl auf der Ebene der Suchergebnisse als auch in den wissenschaftlichen Datenbanken. Dies wird nicht nur das Vertrauen der Nutzer in die Integrität der Informationen stärken, sondern auch dazu beitragen, die Verbreitung von Fake Science zu verhindern.

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