Der Film „Sliding Doors“ bietet eine anschauliche Metapher für unerwartete Wendungen und Ereignisse im Leben. Die Handlung des Films, die durch das Öffnen und Schließen von Türen verschiedene mögliche Lebenswege aufzeigt, wird in der Familientherapie genutzt, um den Familienmitgliedern zu ermöglichen, ihre Erwartungen und Verantwortlichkeiten in Bezug auf zukünftige Ereignisse auszudrücken. In einer konkreten Therapiesitzung verwendeten die Mitglieder einer Familie die „Sliding Doors“-Metapher, um ihre eigenen Beziehungen und Erwartungen zu reflektieren. Der Film wurde auf kreative Weise eingeführt, um unbewusste Muster und neue, unerforschte Elemente zu aktivieren – sowohl humorvolle als auch ernsthafte Momente, die die verschiedenen Ängste und Wünsche der Familienmitglieder ans Licht brachten.
Ein zentrales Thema war der Wunsch nach Erfolg und Autonomie. Besonders die Töchter brachten ihre Dankbarkeit gegenüber ihren Eltern zum Ausdruck, eine Dankbarkeit, die sie jedoch bisher nicht in Worte fassen konnten. In einer therapeutischen Intervention wurden die Töchter gebeten, eine Nachricht an ihre Eltern zu schreiben – eine Botschaft, die sie bis zu diesem Moment nie ausgesprochen hatten. Das Schreiben dieser Worte auf eine Tafel stellte eine herausfordernde, aber auch kathartische Erfahrung dar. Diese einfache Handlung, die physisch sichtbar und für alle zugänglich war, trug dazu bei, die wahren Gefühle der Familienmitglieder zu offenbaren. Es war ein Akt der Verantwortung und des Vertrauens, der auch den Raum für Fehler und Unvollkommenheit eröffnete. Die emotionale Intensität dieses Moments zeigte sich in der Verlegenheit, die der Spiegel des Bildschirms verstärkte. Gleichzeitig wirkte die Beziehung zum Therapeuten beruhigend und unterstützend, was den Mut der Töchter stärkte und eine tiefere Verbindung innerhalb der Familie ermöglichte.
In einem weiteren Fall wurde das Konzept des „systemischen Feldes“ in einer Online-Therapie-Sitzung erfahrbar. Hier wurde der unbewusste Raum der Familie aktiviert und die unverarbeiteten Ängste und Konflikte konnten benannt werden. Ein 13-jähriger Junge, Marco, hatte aufgehört, zur Schule zu gehen und verweigerte sich jeglicher Aktivität. Diese Veränderung seines Verhaltens wurde von seiner Mutter während der Pandemie bemerkt, die daraufhin um Online-Therapie bat. Der Vater hingegen lehnte es ab, die ganze Familie einzubeziehen und bevorzugte eine Einzeltherapie für Marco, in der Hoffnung, dass dieser seine Schwierigkeiten alleine überwinden würde.
Die erste Sitzung der Online-Therapie war geprägt von einer spürbaren Anspannung. Der Körperausdruck der Teilnehmer und ihre defensive Haltung spiegelten eine tiefe Angst wider, die den gesamten Raum durchzog. Der Therapeut trat zunächst in eine beobachtende Haltung und versuchte, den Ursprung dieser Ängste zu ergründen. In solchen frühen Sitzungen ist es von zentraler Bedeutung, eine Beziehung zu jedem Mitglied der Familie aufzubauen. Der Therapeut geht nicht direkt auf das „Problem“ ein, sondern lässt jedes Familienmitglied über sich selbst und seine Erfahrungen sprechen. Dies hilft, die Dynamik zu verstehen und die Verantwortung aller Familienmitglieder zu betonen. Im Fall von Marco zeigte sich, dass seine Verweigerung von Schulbesuchen eng mit tieferliegenden Ängsten, insbesondere der Angst vor dem Verlust geliebter Menschen, verknüpft war. Diese Ängste waren oft von unausgesprochenen Erwartungen an die Familie und die damit verbundene Verantwortung durchzogen.
Marco selbst brachte in einer Sitzung seine Leidenschaft für „Anime“ zum Ausdruck, japanische Zeichentrickfilme, die tiefgehende Themen wie Leben, Tod und Liebe behandeln. Eine Szene, in der ein geliebter Charakter unerwartet und plötzlich stirbt, hatte ihn stark bewegt. Es zeigte sich, dass Marco in dieser Darstellung des Todes seine eigenen Ängste vor dem Verlust seiner Mutter und Schwester wiedererkennen konnte. Diese Ängste waren jedoch nicht isoliert, sondern wurden durch die unbewusste Dynamik innerhalb der Familie verstärkt. Das Fehlen einer solchen offenen Auseinandersetzung mit Verlustängsten hatte nicht nur Auswirkungen auf Marco, sondern auch auf die Familienmitglieder selbst.
Die Rolle des Vaters war in der Sitzung am Anfang kaum spürbar. Er äußerte keine Ängste vor Verlusten und wirkte wie eine periphere Figur in der Familie. Doch durch seine Körpersprache und seine non-verbalen Reaktionen konnte der Therapeut eine unterschwellige Angst und Verunsicherung erkennen. Diese stille Angst, die durch seine berufliche Abwesenheit und seine defensiven Reaktionen auf die Therapie verstärkt wurde, spiegelte die allgemeine Dynamik der Familie wider. Das Fehlen einer emotionalen Verbundenheit und der Versuch, Konflikte zu vermeiden, blockierten die Möglichkeit einer tieferen, ehrlicheren Auseinandersetzung mit den Ängsten der Familienmitglieder.
Die Online-Therapie ermöglichte es, diese verborgenen Emotionen zu artikulieren und einen Raum zu schaffen, in dem diese unbewussten Muster sichtbar und bearbeitbar wurden. Durch die gleichzeitige Teilnahme aller Familienmitglieder konnten sie die Verantwortung für die Gesamtheit der Familie anerkennen und sich von der Last der individuellen Schuldgefühle befreien. Diese Herangehensweise unterstützt nicht nur die Heilung von ungelösten Konflikten, sondern trägt auch dazu bei, die familiäre Bindung zu stärken und ein neues Verständnis füreinander zu entwickeln.
In der therapeutischen Arbeit mit Familien ist es entscheidend, den gesamten Kontext der Beziehungen und deren unbewusste Muster zu verstehen. Nur so können die tiefsten Ängste und Bedürfnisse der Familienmitglieder aufgedeckt und verarbeitet werden. Die systemische Therapie bietet hier einen wertvollen Ansatz, indem sie nicht nur den Einzelnen, sondern auch das gesamte Familiensystem in den Mittelpunkt stellt. Der Umgang mit den Ängsten vor Verlust, die Rolle der elterlichen Erwartungen und die nicht ausgesprochenen Wünsche nach Anerkennung und Liebe können nur dann erfolgreich bearbeitet werden, wenn alle Familienmitglieder aktiv in den Prozess eingebunden sind.
Wie gestaltet sich eine wirksame systemische multifamiliäre Gruppentherapie bei Erstmanifestation von Psychosen im Online-Format?
Psychotische Störungen gelten als besonders schwerwiegende Erkrankungen im Bereich der psychischen Gesundheit. Die Erstmanifestation einer Psychose (First Episode of Psychosis, FEP) tritt meist im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter auf, einer Lebensphase, die für persönliche Entwicklung und soziale Integration entscheidend ist. Der erstmalige Ausbruch psychotischer Symptome bringt oft erhebliche Herausforderungen mit sich, die akademische, berufliche und soziale Funktionen massiv beeinträchtigen können. Diese Störungen wirken sich negativ auf den Übergang ins Erwachsenenleben aus und können die individuelle Lebensgestaltung dauerhaft erschweren.
Frühe Interventionsprogramme, die auf junge Menschen mit FEP abzielen, sind essenziell, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Dabei wird zunehmend die Einbindung von Familienangehörigen als zentraler Bestandteil der Behandlung angesehen. Familien sind nicht nur wichtige Unterstützungsquellen, sondern spielen auch eine Schlüsselrolle im therapeutischen Prozess. Dennoch bestehen vielfältige Barrieren: organisatorische Hindernisse, mangelnde Ausbildung der Therapeut*innen und Schwierigkeiten bei der Einbindung der Familien verzögern häufig die Umsetzung wirksamer Einzel- oder Multifamilientherapien, obwohl deren Effektivität wissenschaftlich belegt ist.
Ein Beispiel für ein solches Therapieangebot ist das in Athen seit 2017 etablierte Athens Multifamily Group Therapy (A-MFGT) Programm. Ursprünglich in Präsenz durchgeführt, wurde es infolge der COVID-19-Pandemie auf ein Online-Format umgestellt. Die Online-Therapie hat sich bei verschiedenen psychischen Störungen bewährt, doch bei Psychosen ist sie bisher selten und meist auf einzelne Patienten oder Familienmitglieder beschränkt. Das A-MFGT unterscheidet sich hierdurch, indem es sowohl Betroffene als auch deren Familien gemeinsam einbezieht und so die Komplexität systemischer Beziehungen berücksichtigt.
Die Besonderheit dieser Therapieform liegt in ihrer systemischen Perspektive: Psychosen werden nicht isoliert betrachtet, sondern im Kontext der familiären und sozialen Interaktionen verstanden. Dieses Vorgehen ermöglicht es, kommunikative Muster, Konflikte und Ressourcen innerhalb der Familien zu erkennen und zu bearbeiten. Die Online-Umsetzung hat dabei neue Herausforderungen, aber auch Chancen eröffnet. Therapierende berichten von veränderten Dynamiken, etwa durch technische Medien und die räumliche Distanz, die einerseits Barrieren abbauen können, andererseits aber eine besonders sensible Gestaltung der Gruppensitzungen erfordern. Rückmeldungen der Teilnehmer zeigen, dass trotz der Distanz eine therapeutische Nähe aufgebaut werden kann, die die Unterstützung und das gemeinsame Lernen in der Gruppe fördert.
Der frühe Zeitpunkt der Intervention ist von entscheidender Bedeutung. Das Phänomen der unbehandelten Psychose (Duration of Untreated Psychosis, DUP) korreliert stark mit dem Schweregrad der Symptome und der Wahrscheinlichkeit für eine vollständige Remission. Je länger die Psychose unbehandelt bleibt, desto ungünstiger sind die langfristigen sozialen und funktionalen Perspektiven. Deshalb zielen spezialisierte Programme darauf ab, FEP frühzeitig zu erkennen und schnell mit einer ganzheitlichen Behandlung zu beginnen.
Ein weiterer kritischer Aspekt ist die Prävalenz und Risikoverteilung: Diese variiert erheblich zwischen Ländern und sozialen Schichten. In Ländern mit gut ausgebauten und leicht zugänglichen öffentlichen Gesundheitsdiensten, etwa in Europa, ist die Inzidenz von FEP oft niedriger als in anderen Regionen, etwa den USA. Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund, niedrigerem sozioökonomischen Status oder urbanen Lebensumständen sind hingegen stärker gefährdet. Traumatische Erfahrungen wie Mobbing erhöhen zusätzlich das Risiko für die Entwicklung psychotischer Symptome.
Diagnostische Unsicherheiten in der Frühphase und die Unklarheit über den langfristigen Verlauf erschweren die Therapieplanung. Besonders die Prodromalphase – also die Zeit vor dem Ausbruch der eigentlichen Psychose – ist durch unspezifische Symptome gekennzeichnet, die mit großem Leidensdruck einhergehen können. Die pharmakologische Behandlung in dieser Phase ist oft wenig effektiv und birgt Risiken für die körperliche Gesundheit und Gehirnstruktur. Psychosoziale Interventionen bieten hier eine vielversprechende Alternative, die nicht nur Symptome lindert, sondern auch funktionelle Fähigkeiten fördert und den Verlauf positiv beeinflussen kann.
Das therapeutische Ziel besteht darin, bei jungen Menschen mit hohem Risiko oder ersten Symptomen die Entstehung einer voll ausgeprägten Psychose zu verhindern oder zumindest deren Verlauf abzumildern. Durch eine frühzeitige, systemische Behandlung innerhalb einer spezialisierten Struktur soll die Entwicklung normaler sozialer und beruflicher Funktionen bestmöglich erhalten bleiben. Dabei ist der Einbezug der Familie kein bloßer Zusatz, sondern integraler Bestandteil des therapeutischen Prozesses.
Wichtig ist, dass systemische multifamiliäre Gruppentherapie nicht nur Symptome adressiert, sondern auch Beziehungsstrukturen, Kommunikationsmuster und familiäre Ressourcen aktiviert. Das gemeinsame Erleben und Bearbeiten in der Gruppe stärkt die Teilnehmer, ermöglicht den Erfahrungsaustausch und fördert kollektive Bewältigungsstrategien. Die Online-Durchführung erfordert dabei besondere Aufmerksamkeit für die Interaktionsgestaltung, birgt aber auch das Potenzial, Barrieren des Zugangs zu reduzieren und geografisch verstreute Familien zu erreichen.
Die Implementierung solcher Programme erfordert sorgfältige Planung, kontinuierliche Anpassung an die Bedürfnisse der Klienten und eine intensive Aus- und Weiterbildung der Therapeut*innen. Die Wirksamkeit hängt maßgeblich von der Qualität der therapeutischen Beziehung und der Fähigkeit ab, das komplexe Geflecht familiärer Beziehungen zu erkennen und zu begleiten.
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