Die Geschichte von Frank Steffen ist ein bedrückendes Beispiel dafür, wie ein Einzelner, geprägt von Isolation, Entfremdung und narzisstischer Kränkung, in einen ideologisch motivierten Gewalttäter transformiert werden kann. Der Rückzug aus jeglichem sozialen Leben, ob freiwillig oder aus subjektivem Zwang, kennzeichnet den Anfang dieses destruktiven Weges. Der Mensch, der sich selbst abschottet, ist nicht in der Lage, stabile soziale oder partnerschaftliche Bindungen aufzubauen. In seinem hermetischen Rückzugsraum reift ein feindseliges Weltbild heran, das sich zunehmend gegen gesellschaftliche Gruppen richtet, die als Projektionsflächen für eigene Ohnmachtserfahrungen dienen.
Die virtuelle Welt spielt in diesem Prozess eine untergeordnete Rolle. Sie dient nicht zur sozialen Integration oder aktiven Vernetzung, sondern primär als Archiv für Bestätigungen der eigenen Weltsicht und als logistisches Mittel – etwa zur Auswahl von potenziellen Opfern oder zum Erwerb von Tatmitteln. In Internetforen oder Spielen agiert der Täter zwar sichtbar, doch bleibt auch dort weitgehend isoliert. Das Netz wirkt hier weniger als Radikalisierungsinstrument im klassischen Sinne, sondern vielmehr als Echo-Raum für bereits vorhandenen Hass.
Im Fall von Frank Steffen kulminierte diese Entwicklung in einem Attentat, das bewusst geplant war und gezielt zur Inszenierung genutzt wurde. Der Angriff auf die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker im Oktober 2015 war kein impulsiver Akt, sondern Ausdruck eines in sich geschlossenen ideologischen Konstrukts. Die Tat war politisch motiviert, getragen von einer völkisch-nationalistischen Idee, gespeist aus dem Gefühl des Verlassen-Seins und dem Wunsch, Bedeutung zu erlangen. Steffen verstand sich nicht als Straftäter, sondern als Retter des Vaterlandes – ein selbsternannter Märtyrer im Kampf gegen die von ihm imaginierten "Verräter" im politischen System.
Diese Selbststilisierung als „Rebell mit konservativen Werten“ ist Ausdruck einer narzisstischen Realitätsverzerrung. Der Täter, der nie wirklich in eine gesellschaftliche Struktur eingebunden war, leitet aus seinem Ausschluss einen Sendungsauftrag ab. Die Paradoxie liegt darin, dass seine Ablehnung des Staates und der demokratischen Ordnung mit dem Anspruch einhergeht, gerade durch Gewalt gegen deren Vertreter wieder Bedeutung zu erlangen. Die Tat dient damit nicht nur der politischen Aussage, sondern auch der narzisstischen Kompensation.
Die biografischen Hintergründe zeigen eine typische Konstellation: frühe Vernachlässigung, Fremdplatzierung, Gewaltbereitschaft in der Jugend, zunehmende Verrohung im sozialen Umgang und schließlich die Einbettung in rechtsextreme Subkulturen. Entscheidend ist jedoch, dass selbst nach zeitweiser Distanzierung von der rechtsextremen Szene der ideologische Bodensatz weiterbestand. Die politische Debatte um die „Willkommenskultur“ im Jahr 2015 bot den Resonanzraum, in dem sich alte Ressentiments neu aktivieren ließen. Das Erleben gesellschaftlicher Aufmerksamkeit für andere – in diesem Fall Geflüchtete – verstärkte das Gefühl, selbst übersehen und verraten worden zu sein. Der Täter erlebt sich im Endeffekt nicht als Täter, sondern als Korrektiv einer Gesellschaft, die aus seiner Sicht abgewichen ist vom „richtigen“ Weg.
Das Attentat war durchkalkuliert. Steffen wusste, was er tat, und welchen Effekt er erzielen wollte. Er wollte Angst erzeugen, politische Prozesse beeinflussen und sich selbst ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellen. Die Tat war eine performative Botschaft – brutal, eindeutig, öffentlich. Die Entscheidung, einen Tag vor der Wahl zuzuschlagen, war strategisch. Die Wahl des Tatwerkzeugs – ein auffälliges Jagdmesser – hatte nicht nur praktischen, sondern symbolischen Charakter. Selbst das detailverliebte Vorgehen vor der Tat – das Bitten um eine Rose – kann als inszenatorisches Element gelesen werden, das der Tat eine theatralische Dimension verleihen sollte.
Was in der psychologischen Diagnostik als „paranoid-narzisstische Persönlichkeitsstörung“ bezeichnet wird, tritt hier nicht als Entlastung auf, sondern als Verstärker des politischen F
Wie das Umfeld und psychologische Faktoren die Radikalisierung von Einzelnen beeinflussen
Im Rahmen des Gerichtsverfahrens gegen den neuseeländischen Terroristen Brenton Tarrant kommen Expertenberichte zu Tage, die aufzeigen, wie tief verwurzelte mentale Störungen bei ihm zu erkennen sind. Doch diese sind nicht immer eindeutig und können durch Tarrants ständige Reisen und wechselnde Lebensumstände verschleiert werden. Seine Aussagen im Manifest – darunter die Selbstinszenierung als friedliebender Held, die Erwartung eines Friedensnobelpreises und der Vergleich mit Nelson Mandela – weisen auf Symptome hin, die denen von Anders Behring Breivik ähneln. Åsne Seierstad hat diese Gemeinsamkeiten klar herausgearbeitet: Beide verweisen nur spärlich auf ihre Heimatländer (Norwegen und Australien/Neuseeland) und fokussieren stattdessen Europa und die USA. Ihre Obsession mit dem Geburtenrückgang, der zunehmenden Schwäche Europas und die Vorstellung einer drohenden „weißen Vernichtung“ sind nur einige der ideologischen Elemente, die in ihren Manifesten zu finden sind.
Darüber hinaus zeigen beide Täter eine ausgeprägte Neigung zum Narzissmus, indem sie sich selbst als Opfer eines Systems darstellen, das sie als „Invasoren“ oder „Überfremdung“ brandmarken. Tarrant selbst beschreibt sich als Märtyrer, der „in einem Akt der Selbstverwirklichung“ agiert, und er fordert die Öffentlichkeit dazu auf, ihm zu folgen. Ähnlich wie bei Breivik lässt sich eine klare Struktur in der Planung seiner Taten erkennen: Perfektionismus und das Bedürfnis nach medialer Aufmerksamkeit sind zentrale Elemente seines Plans. Die Selbstinszenierung als Opfer, gepaart mit einem vermeintlichen „Notstand“, dient als Rechtfertigung für die Brutalität seiner Handlungen.
Ein weiteres Beispiel für die Psychodynamik solcher Täter ist Peter Mangs, ein schwedischer Serienmörder, der in den Jahren 2003 bis 2010 eine Reihe rassistisch motivierter Morde beging. Mangs’ Geschichte ist geprägt von einem Gefühl der Entfremdung, das seine spätere Radikalisierung begünstigte. Nach einem Aufenthalt in den USA, wo er mit seinem nationalistisch geprägten Vater in Kontakt kam und sich mit rechten Ideologien auseinandersetzte, kehrte er nach Schweden zurück. Der mangelnde soziale Anschluss und seine Unfähigkeit, beruflich und privat Fuß zu fassen, verstärkten seine Isolation. Er entwickelte eine extreme Abneigung gegen Migranten und suchte aktiv nach Gelegenheiten, seine rassistischen Fantasien in die Tat umzusetzen. Anders als Tarrant oder Breivik gehörte Mangs keiner rechten Terrororganisation an, aber seine Ideologie und sein Handeln ähneln denen eines „Einzelkämpfers“, der für seine eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit kämpft.
Mangs war nicht nur ein Mörder, sondern ein sogenannter „serieller Terrorist“, der seine Taten aus einem tiefen Bedürfnis nach Anerkennung und Bestätigung beging. Er beschrieb die Panik, die er auslöste, als eine Form der persönlichen Bestätigung und betrachtete sich als „Helden“, der das System in Frage stellte. Ähnlich wie bei John Ausonius, einem weiteren „lone wolf“-Täter, war Mangs’ Ziel, Aufmerksamkeit zu erlangen und das Bild einer bedrohten „weißen Kultur“ zu verbreiten. Diese Akteure sind nicht nur Mörder, sondern auch Akteure in einem weit größeren, ideologischen Spiel.
Der Fall von Pavlo Lapshyn, einem ukrainischen Einwanderer, der in Großbritannien mehrere Moscheen sprengte, verweist ebenfalls auf die Wechselwirkung zwischen persönlicher Entfremdung und radikalen politischen Ideologien. Lapshyn, der ursprünglich als Student nach Großbritannien kam, fühlte sich von seiner Umgebung entfremdet und fand Halt in einer extrem rechten Weltanschauung. Seine Taten, so grausam sie auch waren, können als Ausdruck einer persönlichen Krise und eines fehlenden Gefühls von Zugehörigkeit interpretiert werden. Er tat sich mit der Vorstellung durch, dass seine Aggressionen gegen die Muslime eine Antwort auf eine „Islamisierung“ der westlichen Welt seien, eine Wahrnehmung, die oft von extrem rechten Gruppen geschürt wird.
Die Psychologie dieser Täter ist vielfältig, doch ein zentrales Merkmal bleibt die ständige Suche nach Identität und Zugehörigkeit. In der Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt erlebten sie häufig Ablehnung, Frustration und Isolation. Diese psychischen Belastungen führen nicht selten zu einer Überidentifikation mit radikalen Ideologien, die als Lösung für ihre existenziellen Ängste dienen. Die Manipulation ihrer Weltanschauung durch Hetze und die Suche nach einer vermeintlichen „wahren“ Identität machen diese Täter zu gefährlichen Akteuren in einem größeren gesellschaftlichen Kontext.
Wichtig ist auch, dass viele dieser Täter trotz ihrer Isolation niemals Mitglied einer formellen Terrororganisation sind. Sie agieren als Einzelakteure, die sich mit einer ideologischen Strömung identifizieren, ohne formelle Bindungen einzugehen. Diese „Einzelkämpfer“ sind oft schwerer zu erkennen, da sie nicht in etablierten Netzwerken agieren. Sie sind Getriebene ihrer eigenen Vorstellungen und ihrer Frustrationen, die sie in einer gefährlichen Weise nach außen tragen. Es wird immer schwieriger, diese „Lone Wolves“ zu entschlüsseln, da sie aus dem Schatten der Gesellschaft heraus agieren.
Warum das Phänomen des "Einzeltäters" weiterhin nicht ausreichend anerkannt wird
Die Forschung zu den sogenannten „Einzeltätern“ hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, mit dem Ziel, das Phänomen besser zu verstehen und gegen die Verherrlichung von „einsamen Wölfen“ vorzugehen. Der Fall von „Sonboly“ zeigt jedoch deutlich, dass sich in dieser Hinsicht bislang wenig verändert hat. Dieses Phänomen wird immer noch nicht ausreichend anerkannt. Besorgniserregend ist insbesondere, dass Kommunikation und Interaktion längst in der virtuellen Arena stattfinden. Es ist gerade dieser Raum, in dem „unbeachtete Publizitätsmaterialien“ und die Möglichkeit bestehen, beispielsweise „Freunde“ zu finden. Dennoch bleibt dieses Zustand weitgehend unbeachtet. Es ist immer noch unklar, was die Forschung tatsächlich umfasst und ob bisherige Einschätzungen angesichts der sich rasch verändernden Entwicklungen nicht angepasst werden sollten.
Es könnte auch sinnvoll sein, das gängige Muster im Strafrecht zu überdenken, das den Terrorismus von Einzeltätern nach wie vor grundsätzlich ausschließt. In der Folge werden Verfahren gegen Terroristen als apolitische Strafverfahren betrachtet. Ein Beispiel: „Am Morgen nach dem Mord an Jo Cox gab es eine hitzige Debatte (...): Endlose E-Mail-Ketten diskutierten über die Wortwahl einer Pressemitteilung, um den Vorfall zu verurteilen. ‘Lassen Sie uns das als Terrorismus bezeichnen’, plädierten einige. ‘Nein, nennen wir es terroristisch inspiriert’, argumentierten andere.“ Eine klare Gesetzgebung, um gegen Einzeltäter aus dem rechten Spektrum vorzugehen, fehlt nach wie vor. Bislang gibt es schlichtweg keine Rechtsvorschrift, mit der ein (mörderischer) Täter als solcher verurteilt werden könnte.
Die Analyse von Tätern zeigt, dass gewalttätige Mörder mit extrem rechten Einstellungen nicht mehr nur junge, betrunkene und spontan gewalttätige Personen aus zerbrochenen Familien sind. Dennoch werden extreme rechte Einstellungen und gewalttätige Angriffe in Deutschland nach wie vor als Probleme junger Menschen oder junger Erwachsener aus zerbrochenen Familien und mit niedrigem Bildungsniveau interpretiert. Dieser „pathologisierende Ansatz“ bleibt nach wie vor eine gängige Erklärung für individuelle Motive. Es erscheint sinnvoll, unseren Umgang mit rechtsextremen Mördern und Tätern zu überdenken und stärker einen Gruppenprozess und eine soziale Gemeinschaft zu betonen. Alles andere ist lediglich überflüssiger Firlefanz und wird keinen Terrorangriff verhindern.
Andere Länder betrachten das Risikoniveau differenzierter – nicht nur die USA, die die zentrale Bedrohung für die Gegenwart anerkennen. Der Kampf gegen den Terrorismus erreichte nach den Ereignissen des 11. September 2001 eine neue repressive Dimension, vor allem mit dem Patriot Act in den USA. Die Ermittlungsbehörden wurden durch diesen dazu ermächtigt, Daten miteinander auszutauschen und umfangreiche Überwachungsmaßnahmen sowie Prüfungen der Zivilbevölkerung durchzuführen. Die als „Lone Wolf“-Regelung bezeichnete Vorschrift erlaubt es, Einzelpersonen, die keiner bestimmten terroristischen Vereinigung angehören, besonders zu überwachen. Auch die CIA wurde beispielsweise befähigt, in Bereichen zu operieren, für die sie vorher nur im Ausland zuständig war.
Bereits 2009 warnte Scotland Yard vor einem Anstieg des Rechtsextremismus und des Terrorismus, der speziell von „Lone Wolves“ begangen wird. Es war klar, dass dieses neue Konzept einer weniger organisierten Gewalt zunahm. Der Geheimdienst in den Niederlanden, AIVD, stellte 2012 fest: „AIVD hat festgestellt, dass Einzeltäter gewaltsame Taten sowohl unabhängig als auch als Verschwörer planen und ausführen, diese jedoch selten völlig isoliert durchführen. AIVD betrachtet Radikalisierung als ein gesellschaftliches Phänomen. Dies gilt auch für die Mehrheit der Einzeltäter.“ In der Verfolgung solcher Ereignisse zeigt sich oft, dass Einzeltäter kaum Kontakt zu gleichgesinnten Menschen im realen Leben hatten – jedoch aktiven Kontakt zu Menschen im Internet pflegten. Diese Kontakte und Diskurse trugen maßgeblich zur Radikalisierung bei und inspirierten sie, Gewalt auszuüben.
Es wird zunehmend angemessen, die üblichen Maximen zur Erklärung solcher Taten und Verhaltensweisen zu überdenken. Wenn das derzeitige Muster fortgesetzt wird, das Terrorismus nur als ein Phänomen in Gruppenform betrachtet, wird es keine Weiterentwicklung in der Prävention oder Bekämpfung dieser Form des Terrorismus geben. Der britische Terrorismus-Experte Matthew Goodwin fällte im Zusammenhang mit dem Fall Pavlo Lapshyn 2013 ein hartes Urteil: „Sicherheitsbehörden haben mindestens 50 Jahre lang neue Instrumente der Strafverfolgung entwickelt – unter der Annahme, dass Terrorismus auf einem zellenbasierten System mit einer Befehlskette basiert. Aber die Zerstörung der Gruppendynamik, das Eindringen in Organisationen und die Auflösung schwacher Verbindungen in der Befehlskette erscheinen plötzlich als überflüssig im Kampf gegen isolierte Individuen, die vielleicht nie einen ‚Mitstreiter‘ getroffen haben.“
Die politische Kontroverse um die angemessene Reaktion auf Terrorismus dient häufig dazu, Menschen (zum Beispiel Politiker, die sich als unnachgiebige Vollstrecker von Gesetz und Ordnung profilieren wollen), Parteien und Beamte hervorzuheben. Grundsätzlich ist dies legitim; es müssen Reaktionen auf gefährliche Situationen erfolgen. In der Regel können wir jedoch nicht auf schnelle Erfolge hoffen. Viel eher herrscht eine gewisse Unfähigkeit oder weniger dramatisch ausgedrückt, eine Ohnmacht vor, die rechtsextreme Terroristen aufzudecken. Der NSU konnte über Jahre hinweg Morde in ganz Deutschland unentdeckt verüben, obwohl die Geheimdienste in denselben Bereichen tätig waren und die Täter ein Netzwerk hinter sich hatten. Der Fall von Franz Fuchs zeigt deutlich, dass dieses Problem insbesondere bei Einzeltätern auftritt, ebenso wie der Fall von Peter Mangs aus Schweden. Beide konnten jahrelang im Verborgenen bleiben, ohne entdeckt zu werden.
Die politische Debatte folgt einem zyklischen Muster, das ähnlich wie der Terrorismus mit einer direkten Beziehung zu Ereignissen verbunden ist. In Deutschland wurde bald nach dem Fall der NSU die Forderung laut, den Sicherheitsbehörden zusätzliche Befugnisse und Kompetenzen zu erteilen. Dies wird auch in der allgemeinen Besorgnis deutlich, dass der NSU als rechtsextreme Terrorgruppe über Jahre hinweg agieren konnte, ohne entdeckt zu werden. Ob dies jedoch die Grundlage für eine effektive Prävention bildet, bleibt nach dem Fall von Sonboly zu bezweifeln.
Wie kann die Gesellschaft mit Rechtsextremismus und Amoktaten umgehen?
In der heutigen Gesellschaft stehen Freiheit und Ordnung auf dem Spiel, wenn Individuen versuchen, diese durch Gewaltakte zu unterminieren. Es reicht nicht aus, allein vom Staat zu erwarten, eine neue Strategie für eine „gefestigte Demokratie“ zu entwickeln. Ebenso wichtig ist die Rolle der Zivilgesellschaft, die sich gegen Brutalisierung und Barbarei wappnen muss. Ein integriertes Präventionskonzept, das verschiedene Ebenen miteinander verknüpft, ist notwendig, um stärker zu sein als die „Propaganda der Tat“. Dabei müssen auch psychische Störungen ernst genommen und in die Betrachtung dieser Phänomene einbezogen werden, denn sie waren lange tabuisiert und sind es in Teilen noch heute.
Die Täter von Amok- und Terrorakten tragen oft eine tiefe innere Frustration und psychische oder mentale Störungen mit sich, die sie zu solchen Taten treiben. Rechtsextreme Ideologien bieten ihnen eine einfache Erklärung, die Schuld für das eigene Leid und die inneren Konflikte auf „die Anderen“ zu projizieren und somit chauvinistische Gefühle auszuleben. Dieses Muster ist bei vielen Fällen nachweisbar.
Die Situation in Deutschland zeigt jedoch, dass politische und behördliche Fehlurteile die Lage erschweren. Am Beispiel des Amoklaufs von München 2016 wird dies deutlich: David Sonboly, der Täter, plante seine Tat über ein Jahr lang und handelte allein. Er wechselte kurz vor der Tat seinen Namen von Ali zu David, um seine Identität als Deutscher zu unterstreichen – trotz seiner eigenen Migrationsgeschichte. Seine Tat war von einem tief verwurzelten rechtsextremen Weltbild geprägt, das Migranten als Feindbilder ausmachte. Doch die offiziellen Behörden weigerten sich, dies als Terrorismus einzustufen. Stattdessen sprach man von einem „psychisch gestörten Racheakt“, nicht aber von einem politischen Motiv.
Diese Fehleinschätzungen führten zu einer verzerrten öffentlichen Wahrnehmung und einer Überreaktion der Medien und Sicherheitskräfte, die mit Hysterie und Desinformation einherging. Falschmeldungen verbreiteten sich rasant, was die Panik verstärkte und den eigentlichen Tathergang überschattete. Dabei wurden die psychologischen und gesellschaftlichen Hintergründe kaum ausreichend analysiert. Die Verharmlosung oder Nichtanerkennung des rechtsextremen Tatmotivs durch offizielle Stellen zeigt die Schwierigkeit, solche Taten in ihrer Komplexität zu erfassen und zu bewerten.
Es ist entscheidend, den politischen Kontext von Gewalttaten zu erkennen und nicht durch das Verschweigen oder Verharmlosen rechtsextremistischer Motive eine falsche Sicherheit zu suggerieren. Dies ist besonders relevant, wenn Behörden und Sicherheitsdienste durch ihre Interpretation Einfluss auf die öffentliche Debatte und auf die politische Bekämpfung von Extremismus nehmen. Die mangelnde Anerkennung von rechtsextremen Gewalttaten verhindert eine gezielte Prävention und Bekämpfung.
Zudem sollte berücksichtigt werden, dass gesellschaftliche Ausgrenzung, Diskriminierung und Tabuisierung psychischer Erkrankungen eine wichtige Rolle bei der Radikalisierung spielen. Die Gesellschaft als Ganzes muss Mechanismen entwickeln, um diese Faktoren frühzeitig zu erkennen und zu entschärfen. Ein umfassendes Verständnis von Radikalisierungsprozessen und eine offene Auseinandersetzung mit der psychischen Verfassung der Täter sind unerlässlich.
Wichtig ist auch, dass die Zivilgesellschaft nicht nur Opfer dieser Gewalttaten ist, sondern zugleich als aktiver Teil der Lösung verstanden wird. Ein aufgeklärter und widerstandsfähiger gesellschaftlicher Zusammenhalt kann der Brutalisierung entgegenwirken und die Demokratie stärken. Dabei spielen Bildungsarbeit, offene Kommunikation und eine Enttabuisierung psychischer Krankheiten eine wesentliche Rolle. Nur durch ein gemeinsames und interdisziplinäres Vorgehen von Staat, Zivilgesellschaft und Psychologie lässt sich der „Propaganda der Tat“ wirkungsvoll begegnen.

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