Die Entwicklung der US-Außenpolitik in den letzten Jahrzehnten lässt sich als ein schrittweiser Übergang von einer hegemonialen Außenpolitik zu einer Politik der Rückbesinnung auf nationale Interessen und sicherheitspolitische Prioritäten beschreiben. Die wachsende Spannung zwischen den politischen Entscheidungsträgern und den gesellschaftlichen Akteuren innerhalb der USA, insbesondere im Hinblick auf ihre Haltung zu internationalen Angelegenheiten, wird zunehmend zu einer Herausforderung für den Kongress, der in der Vergangenheit eine bedeutende Rolle bei der Formulierung der Außenpolitik spielte.
Die Gründerväter der Vereinigten Staaten waren sich der Gefahren einer ungebremsten Exekutive, die in der Lage ist, Außenpolitik auf eine Weise zu betreiben, die sowohl die Sicherheit des Landes gefährden als auch den Staat durch teure Kriege bankrott machen könnte, sehr bewusst. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, sahen sie eine wichtige Rolle des Kongresses vor. In der Verfassung ist die Verantwortung zwischen dem Präsidenten und dem Kongress geteilt. Der Präsident wurde mit spezifischen Befugnissen ausgestattet, darunter die Befehlsgewalt über die Streitkräfte, die Aushandlung von Verträgen sowie die Ernennung von Botschaftern und hochrangigen Beamten. Der Kongress hingegen erhielt die Macht, Krieg zu erklären, Mittel bereitzustellen, Armeen zu erheben und zu unterstützen, eine Marine zu unterhalten sowie den internationalen Handel zu regulieren.
Diese Aufteilung der Zuständigkeiten, die vor über 250 Jahren festgelegt wurde, hat seitdem nur geringe Änderungen erfahren. Dennoch hat sich die Beziehung zwischen dem Kongress und der Exekutive im Bereich der Außenpolitik im Laufe der Zeit verändert. Insbesondere nach dem Ende des Kalten Krieges hat sich das politische Umfeld erheblich gewandelt. Während des Kalten Krieges war der Kongress in der Regel bereit, die Exekutive bei Fragen der nationalen Sicherheit zu unterstützen, vor allem angesichts der wahrgenommenen Bedrohung durch die Sowjetunion. Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende des Kalten Krieges war diese Art von wahrgenommenem existenziellen Bedrohung allerdings nicht mehr vorhanden, was zu einer Veränderung der politischen Dynamik führte.
Ein bedeutsames Merkmal dieser Entwicklung war der Aufstieg politischer Polarisierung und Partisanship innerhalb des Kongresses. Seit den 1970er Jahren hat sich die politische Landschaft zunehmend polarisiert, was zu einer schärferen Auseinandersetzung zwischen den politischen Lagern führte. Diese Polarisierung hat dazu beigetragen, dass der Kongress in Bezug auf Außenpolitik und nationale Sicherheit zunehmend von parteipolitischen Interessen geprägt wurde. Diese Entwicklung führte auch zu einem Rückgang der Expertise im Bereich der Außenpolitik, da Außenpolitik und internationale Beziehungen in den Augen vieler Kongressabgeordneter weniger relevant für ihre Wahlkampagnen und die Interessen ihrer Wähler geworden sind.
Eine weitere Herausforderung für den Kongress besteht in seiner Unfähigkeit, in Fragen der Außenpolitik eine einheitliche Linie zu verfolgen. Die Tatsache, dass der Kongress aus Abgeordneten besteht, die geographische, nicht nationale Interessen vertreten, erschwert es, eine kohärente Außenpolitik zu entwickeln. Infolgedessen hat die Exekutive im Laufe der Zeit immer wieder Wege gefunden, die Beteiligung des Kongresses zu umgehen, sei es durch die Ausnutzung von verfassungsrechtlichen Schlupflöchern oder durch die Appellierung an die öffentliche Meinung, um die notwendige Unterstützung zu gewinnen.
Die Rolle des Senats in der Außenpolitik ist ebenfalls von Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf seine Verantwortung für die Beratung und Zustimmung zu internationalen Verträgen. In der Vergangenheit spielte der Senat eine verantwortungsvolle Rolle bei der Ratifizierung von Verträgen, was dazu beitrug, dass die USA ihre globale Führungsposition ausbauen konnten. Doch seit den letzten Jahrzehnten haben sich die Verhältnisse verändert. Viele wichtige Verträge, die für die Sicherung der globalen Führungsrolle der USA von Bedeutung gewesen wären, wurden abgelehnt oder nicht ratifiziert. Diese Entwicklung zeigt, dass der Kongress, insbesondere der Senat, eine zunehmend ambivalente Haltung gegenüber der Außenpolitik der USA einnimmt und sich dabei mehr und mehr politischen und parteipolitischen Überlegungen unterordnet.
Der Rückgang der Unterstützung für internationale Verpflichtungen und die Ablehnung von Verträgen wie dem Vertragswerk zur Regelung des Meeresrechts deuten darauf hin, dass der Kongress zunehmend in seiner Fähigkeit eingeschränkt wird, eine kohärente Außenpolitik zu formulieren, die im Einklang mit den globalen Herausforderungen steht. Während der Kongress einerseits weiterhin eine wichtige Rolle als „Kontrollinstanz“ der Exekutive spielt, hat sich andererseits eine gewisse Entkopplung von der realen Außenpolitik und den globalen Herausforderungen vollzogen.
Dieser Wandel im politischen Verhalten des Kongresses ist nicht nur eine Frage der institutionellen Struktur, sondern auch eine Reflexion der veränderten Prioritäten und Wahrnehmungen der US-Gesellschaft. Der Fokus auf nationale Sicherheit und der Versuch, internationale Verpflichtungen zu reduzieren oder zu überdenken, spiegeln sich auch in der zunehmend isolierten Haltung vieler Kongressabgeordneter wider, die eher auf lokale als auf globale Interessen achten.
Es ist von entscheidender Bedeutung zu verstehen, dass der Wandel im Kongress nicht nur eine technische oder verfassungsrechtliche Frage ist. Vielmehr steht er in engem Zusammenhang mit den sozialen und politischen Verschiebungen innerhalb der Vereinigten Staaten, die den Blick auf internationale Beziehungen und die Gestaltung der Außenpolitik beeinflussen. Auch die wachsende Skepsis gegenüber internationalen Institutionen und Abkommen zeigt, dass die USA in einer zunehmend multipolaren Welt ihre globale Rolle neu definieren müssen. Angesichts dieser Veränderungen ist es wichtig, dass der Kongress und die Exekutive ihre Zusammenarbeit und ihre Verantwortlichkeiten im Bereich der Außenpolitik klarer definieren und stärken, um den globalen Herausforderungen gerecht zu werden.
Warum die amerikanische Einflussnahme im Nahen Osten und Afrika gescheitert ist
Die US-amerikanische Außenpolitik in Afrika und im Nahen Osten war durch eine Reihe von Missverständnissen, Fehleinschätzungen und ungelösten geopolitischen Konflikten geprägt, die letztlich das weltweite Ansehen und die Machtposition der USA schwächten. Insbesondere die Entwicklungen in Ländern wie Südsudan, Somalia und im Nahen Osten nach dem Kalten Krieg zeigten die Grenzen der amerikanischen Hegemonie auf.
Südsudan, das 2011 nach einem blutigen Bürgerkrieg seine Unabhängigkeit von Sudan erlangte, wurde als ein Hoffnungsträger für Stabilität in der Region angesehen. Doch bis 2013 brach in dem jungen Staat ein blutiger Bürgerkrieg aus, der die US-amerikanischen Erwartungen enttäuschte. Trotz der massiven humanitären Hilfe und Unterstützung durch die USA, die zu den größten internationalen Gebern zählten, konnte die Krise nicht gelöst werden. Die USA mussten sich eingestehen, dass die Trennung Sudans die Stabilität nicht förderte, wie es ursprünglich gehofft worden war. Afrikanische Stimmen, die vor den Folgen der willkürlichen Grenzziehung durch koloniale Mächte gewarnt hatten, hatten sich letztlich als richtig erwiesen. Südsudan konnte nie wieder mit dem Norden vereinigt werden, und der junge Staat blieb in einer prekären Lage, unfähig, die Unterstützung der USA als imperialen Partner zu nutzen.
Ein weiteres Beispiel für das Scheitern amerikanischer Politik in Afrika ist Somalia. Nach der Katastrophe von Mogadischu 1993, als US-amerikanische Soldaten in einem missglückten Versuch zur Stabilisierung des Landes ums Leben kamen, war die US-amerikanische Regierung machtlos gegenüber der Zersplitterung Somalias. Der Krieg der Warlords und die Nutzung des Landes als Basis für internationale Terroristen machten es den USA nahezu unmöglich, Einfluss zu nehmen. Erst 2015, mehr als zwei Jahrzehnten später, konnte Außenminister John Kerry Mogadischu besuchen, als eine fragilere Regierung unter US-Unterstützung Fuß gefasst hatte.
Die Bilanz der USA in Afrika nach dem Kalten Krieg war von Enttäuschungen geprägt. Chinas wirtschaftlicher Aufstieg hatte den amerikanischen Einfluss auf dem Kontinent massiv geschwächt. China übertraf die USA in den Bereichen Exporte, Importe und Investitionen. Trotz aller Anstrengungen, wie etwa den bilateralen Investitionsabkommen (BITs) mit afrikanischen Ländern, standen die USA in Bezug auf wirtschaftliche und politische Ziele weit hinter den Erwartungen zurück. Die politische Einflussnahme der USA litt zudem unter dem Fehlen einer Mitgliedschaft im Internationalen Strafgerichtshof (ICC), was die Fähigkeit der USA, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in afrikanischen Staaten zu ahnden, einschränkte.
Im Nahen Osten erlebte die amerikanische Außenpolitik ebenfalls wiederholt Rückschläge. Während die USA nach dem Kalten Krieg ihre Position in der Region durch den Zerfall der Sowjetunion und den Sieg im ersten Irakkrieg 1991 stärkten, gerieten sie bald in eine komplexere Lage. Die US-amerikanische Politik versuchte, Barrieren für Handel und Investitionen zu beseitigen und die Energieversorgung zu sichern, jedoch standen diese Ziele oft im Widerspruch zu den instabilen politischen Verhältnissen. Die US-amerikanischen Bemühungen, eine Friedenslösung zwischen Israel und Palästina zu erreichen, scheiterten schließlich an der Unfähigkeit, diplomatischen Druck auf alle beteiligten Seiten auszuüben. Die gescheiterten Verhandlungen, trotz massiver US-Unterstützung und hochrangiger Vermittlungsversuche, beschädigten das amerikanische Ansehen erheblich. Die Weigerung der USA, gegen ihre engsten Verbündeten wie Israel Druck auszuüben, ließ die Region noch unberechenbarer erscheinen.
Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 änderte sich der Ansatz der USA, indem Demokratieförderung in der Region plötzlich eine zentrale Rolle einnahm. Afghanistan und Irak wurden als erste Ziele für eine Demokratisierung unter US-amerikanischer Aufsicht auserwählt. Die Realität vor Ort – geprägt durch ethnische und religiöse Spannungen sowie korruptionsanfällige politische Strukturen – machte diese Ambitionen jedoch nahezu unerreichbar. Die Demokratieversuche in diesen Ländern wurden von lokalen Machtstrukturen, die oft tief in den Gesellschaften verwurzelt waren, untergraben.
Mit dem Arabischen Frühling 2010 schien sich eine neue Gelegenheit für die USA zu bieten, ihre demokratischen Prinzipien in der Region umzusetzen. Doch die schnelle Abkehr von dem früheren Engagement und das Zögern bei der Unterstützung von Protestbewegungen in autoritären Staaten, die traditionell mit den USA verbündet waren, wie in Ägypten, zeigte die Unsicherheit und Unentschlossenheit der amerikanischen Außenpolitik. Der Sturz von Gaddafi in Libyen, der ohne signifikante amerikanische Unterstützung in der Folge in Chaos versank, sowie die darauf folgenden Reaktionen in Ägypten, spiegeln die Unfähigkeit der USA wider, eine kohärente Strategie in der Region zu verfolgen.
Die geopolitischen Ziele der USA in der MENA-Region und Afrika waren nicht nur aufgrund von militärischen und diplomatischen Fehlschlägen problematisch, sondern auch durch die veränderte ökonomische Dynamik. Die Dominanz Chinas auf den globalen Märkten und die geopolitischen Allianzen, die der amerikanischen Außenpolitik zunehmend entgegenwirkten, untergruben die einst starke Position der USA. Während China in der Lage war, als größter Handelspartner in der MENA-Region aufzutreten, sahen sich die USA in vielen Bereichen zunehmend isoliert und ihre politische Einflussnahme wurde durch die Realitäten der globalisierten Weltwirtschaft und die stärkeren regionalen Akteure eingeschränkt.
Die Entwicklungen zeigen, dass die amerikanische Vorstellung von Hegemonie, wie sie nach dem Kalten Krieg angestrebt wurde, auf tiefgehende strukturelle Probleme stieß, die durch lokale Dynamiken, kulturelle Barrieren und internationale Konkurrenz noch verschärft wurden.
Es ist entscheidend zu erkennen, dass die geostrategischen Ziele der USA in vielen Fällen mit den realen Bedürfnissen und Wünschen der betroffenen Länder kollidierten. Im Nahen Osten, wo historische, religiöse und kulturelle Spannungen eine tiefere Rolle spielen, konnte die Vorstellung, westliche Demokratie auf andere Länder zu übertragen, nicht aufgehen. Ähnliche Schwierigkeiten traten auch in Afrika auf, wo westliche Interventionsversuche an den historischen und politischen Realitäten der Kontinente scheiterten. Nur durch ein tieferes Verständnis der lokalen Gegebenheiten und eine flexiblere Herangehensweise an internationale Beziehungen könnte die US-Außenpolitik wieder eine erfolgreichere Rolle auf der globalen Bühne spielen.
Was führte zur Kontrolle über die Karibik und den Pazifik: Ein Überblick über diplomatische und koloniale Interessen im 19. Jahrhundert
Die geopolitischen Entwicklungen im 19. Jahrhundert prägten die Geschichte der westlichen Hemisphäre maßgeblich. Einer der zentralen Aspekte dieser Ära war der Wettbewerb um die Kontrolle über strategisch wichtige Gebiete, insbesondere in der Karibik und im Pazifik. Dieses Streben war oft durch eine Mischung aus diplomatischen Vereinbarungen und imperialen Ambitionen der großen Mächte, allen voran Großbritannien und die Vereinigten Staaten, gekennzeichnet.
Im Jahr 1786 unterzeichnete Großbritannien einen Vertrag mit Spanien, der es dazu verpflichtete, seinen Schutzstatus in Mosquitia aufzugeben, jedoch mit der Ausnahme von Belize, das als britisches Protektorat erhalten blieb. Dies eröffnete Großbritannien die Möglichkeit, die Kontrolle über die östlichen Küstenregionen von Honduras und Nicaragua erneut zu etablieren, nachdem die spanische Herrschaft in der Region zu Ende ging. Besonders interessant ist, dass der Vertrag von 1786 keine Regelungen darüber beinhaltete, ob die Vereinigten Staaten möglicherweise exklusiv einen Kanal durch Panama kontrollieren könnten. Es wurde lediglich ein Schiffs-Kanal durch Nicaragua in Aussicht gestellt, was die spätere Entwicklung in dieser Region maßgeblich beeinflusste.
Ein weiteres wichtiges Kapitel in diesem geopolitischen Geflecht war der britische Einfluss auf Greytown, das nach Charles Edward Grey, dem Gouverneur der britischen Kolonie Jamaika, benannt wurde. Diese Region war von entscheidender Bedeutung, da sie das Tor zur Route durch Mittelamerika darstellte. Gleichzeitig verdeutlichte der britische Einfluss in der Region die Unsicherheiten bezüglich der territorialen Ansprüche, wie zum Beispiel der Fall von Tigre Island, das sowohl von El Salvador als auch von Nicaragua beansprucht wurde. Solche Grenzkonflikte und diplomatischen Herausforderungen beeinflussten die internationalen Beziehungen und führten zu langwierigen Auseinandersetzungen, die nicht nur durch diplomatische Verhandlungen, sondern auch durch militärische Präsenz geprägt waren.
Ein weiterer bemerkenswerter Punkt war der Vertrag von Managua im Jahr 1860, der das Ende des britischen Protektorats in Mosquitia markierte. Dennoch blieb die Region faktisch autonom, was die Möglichkeit einer Rückkehr britischer Interessen offen ließ. Diese unsichere Lage blieb bis in die 1930er Jahre bestehen, als die Briten ihre Kontrolle endgültig aufgaben. Diese geopolitische Unsicherheit stellte einen ständigen Druck auf die Region dar und begünstigte die Einflüsse anderer Mächte, vor allem der Vereinigten Staaten.
Ein entscheidender Wendepunkt kam 1971 mit der Kündigung des Bryan-Chamorro-Vertrags, durch den das US-Protektorat über Nicaragua beendet wurde. Dies öffnete den Raum für neue geopolitische Interessen, einschließlich des Versuchs eines chinesischen Unternehmens, einen Kanal in Nicaragua zu bauen. Obwohl dieser Versuch im 21. Jahrhundert erneut in den Fokus rückte, ist es bemerkenswert, dass er auf den vorherigen geopolitischen Konflikten und diplomatischen Vereinbarungen aufbaute, die die Region über Jahrhunderte geprägt hatten.
In der Geschichte des Pazifiks und der Karibik spielte nicht nur die territoriale Kontrolle eine Rolle, sondern auch die wirtschaftlichen und strategischen Interessen der Großmächte. Die USA, beispielsweise, hatten immer wieder Interesse an der Kontrolle von wichtigen Handelsrouten und Ressourcen, was durch diplomatische Verträge und direkte militärische Interventionen gestützt wurde. So war der 1916 unterzeichnete Bryan-Chamorro-Vertrag ein klares Beispiel für die durchdachte geopolitische Strategie der USA, die in dieser Region eine zentrale Rolle spielen wollten.
Wichtige Aspekte, die sich aus dieser historischen Entwicklung ableiten lassen, betreffen das Verständnis für die langjährige Auseinandersetzung um Einfluss und Kontrolle in strategisch wichtigen Regionen. Die Beziehungen zwischen den großen Mächten und den kleineren Ländern in Mittelamerika und der Karibik waren oft von wechselhaften Allianzen und geopolitischen Zielen geprägt, die die Schaffung neuer politischer und wirtschaftlicher Realitäten zur Folge hatten. Die Fähigkeit, diplomatische Vereinbarungen zu schließen, spielte dabei ebenso eine Rolle wie die Bereitschaft, militärische Mittel zur Durchsetzung von Interessen einzusetzen.
Es ist von Bedeutung zu verstehen, dass diese geopolitischen Prozesse nicht isoliert zu betrachten sind, sondern in einem wechselseitigen Kontext stehen. Jede Veränderung in einem Land oder einer Region hatte Auswirkungen auf die umliegenden Staaten und führte zu einer ständigen Neuordnung der internationalen Beziehungen. Ebenso zeigt sich, dass historische Ereignisse oft nicht in einem Vakuum stattfanden, sondern auf eine lange Geschichte von diplomatischen und militärischen Auseinandersetzungen zurückblicken, die bis in die Gegenwart fortwirken.
Wie wurde Indien trotz des Atomwaffensperrvertrags zu einem privilegierten Partner der USA?
Indien war nie Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags (Non-Proliferation Treaty, NPT), trat jedoch dennoch als eigenständige Nuklearmacht hervor. Infolge dessen unterlag das Land jahrzehntelang strengen Sanktionen seitens der Vereinigten Staaten. Diese Sanktionen waren nicht bloß symbolischer Natur – sie waren gesetzlich verankert im US-amerikanischen Rechtssystem und mussten im Rahmen jeglicher Annäherung neu ausgehandelt oder sogar umgangen werden. Um eine nukleare Zusammenarbeit mit Indien zu ermöglichen, war eine tiefgreifende Revision der einschlägigen US-Gesetze erforderlich. Gleichzeitig musste eine Ausnahmegenehmigung durch die internationale Nuclear Suppliers Group (NSG) erzielt werden – ein Vorgang, der ein bemerkenswertes Maß an politischer Koordination und diplomatischer Flexibilität erforderte.
Die Bereitschaft der Vereinigten Staaten, diese aufwendigen juristischen und institutionellen Hürden zu überwinden, zeugt von der strategischen Relevanz, die Indien im Rahmen der langfristigen geopolitischen Neuausrichtung Washingtons zugemessen wurde. Das Verhältnis zwischen den beiden Ländern wandelte sich somit vom misstrauischen Nebeneinander zur vorsichtigen Partnerschaft – geprägt durch ein beidseitiges Interesse an Stabilität in der asiatisch-pazifischen Region und einer Neuordnung globaler Machtzentren.
Barack Obama belohnte Indiens strategische Geduld und das wachsende politische Vertrauen, indem er öffentlich die Bewerbung Indiens um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen unterstützte – ein diplomatischer Schritt mit enormer symbolischer Bedeutung. Es war nicht nur eine Anerkennung Indiens als aufstrebende Großmacht, sondern auch ein Signal an andere Schwellenländer: die USA sind bereit, das Machtgefüge internationaler Institutionen zugunsten neuer Allianzen zu verschieben, wenn dies geopolitischen Interessen dient.
Diese Entwicklung steht im Kontext einer größeren strategischen Wende der Vereinigten Staaten in Richtung Asien, die unter anderem durch Hillary Clintons programmatischen Aufsatz „America’s Pacific Century“ aus dem Jahr 2011 unterstrichen wurde. Die Betonung der pazifischen Region als zukünftiges Zentrum amerikanischer Außen- und Sicherheitspolitik machte Indien zu einem essenziellen Baustein dieser Ausrichtung – sowohl als Gegengewicht zu China als auch als eigenständiger Akteur mit wachsendem globalem Anspruch.
Der Ausbau multilateraler Sicherheitsstrukturen, wie sie etwa in der Zusammenarbeit zwischen den USA, Japan und Australien sichtbar wurde, erhielt durch die Einbindung Indiens eine neue Dynamik. Indien wurde damit Teil eines neuen sicherheitspolitischen Geflechts, das jedoch nicht formalisiert war, sondern durch bilaterale Abkommen, gemeinsame Manöver und politisch-symbolische Gesten genährt wurde.
Diese geopolitische Öffnung gegenüber Indien kontrastiert deutlich mit der Situation in anderen Ländern der Region, in denen demokratische Rückschritte oder eine zu große Nähe zu China zu einem Abkühlen der Beziehungen mit Washington führten. Ein Beispiel hierfür ist die Entwicklung in Myanmar, wo trotz formeller Wahlen das Militär weiterhin einen festen institutionellen Griff auf die politische Struktur ausübte – was das Vertrauen in einen nachhaltigen Demokratisierungsprozess infrage stellte.
Gleichzeitig zeigten sich in den Beziehungen der USA zu anderen traditionellen Verbündeten Brüche, etwa in der langjährigen Weigerung Neuseelands, nuklear bewaffnete oder betriebene Schiffe in seinen Häfen zuzulassen – eine Entscheidung, die eine jahrzehntelange militärische Zusammenarbeit unterbrach. Der Kontrast zu Indien ist hier aufschlussreich: Während die USA gegenüber gleichgesinnten Demokratien durchaus harte Linien verfolgten, waren sie bereit, gegenüber einem strategisch relevanten, aber nicht vollständig normkonformen Partner wie Indien weitreichende Zugeständnisse zu machen.
Was daraus folgt, ist eine erkenntnisreiche Dialektik in der amerikanischen Außenpolitik: normative Prinzipien wie die Nichtverbreitung von Kernwaffen werden nicht grundsätzlich über Bord geworfen, können aber unter bestimmten geopolitischen Bedingungen neu interpretiert werden. Das Verhältnis zu Indien demonstriert, wie die USA – entgegen ihrer erklärten Universalismen – bereit sind, auf asymmetrische Machtkonstellationen pragmatisch zu reagieren und normative Standards flexibel anzupassen.
Wichtig ist dabei zu erkennen, dass diese Entwicklung weder eine spontane politische Laune noch eine rein ökonomische Opportunität war. Vielmehr handelte es sich um eine langfristig vorbereitete Strategie der Machtprojektion im 21. Jahrhundert, in der Indien als stabilisierender Faktor in einer zunehmend multipolaren Weltordnung fungieren sollte.
Was für Leser besonders zu verstehen bleibt, ist die Ambivalenz außenpolitischer Prinzipien, die sich im Spannungsfeld von Idealen und Interessen permanent neu konstituieren. Es wäre naiv, außenpolitische Entscheidungen ausschließlich aus dem Geist des Völkerrechts oder der Demokratieexport-Logik zu interpretieren. Vielmehr zeigt sich hier exemplarisch, wie internationale Beziehungen zunehmend durch strategische Vernetzung, technologische Kooperation und geopolitisches Kalkül geprägt sind – auch auf Kosten jahrzehntelang gültiger normativer Ordnungen.

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