Die byzantinische Perspektive auf die Kreuzzüge und die lateinische Präsenz im Osten bietet einen faszinierenden Einblick in die politischen und kulturellen Strukturen des Byzantinischen Reiches. Diese Texte, die zwischen 1095 und 1330 verfasst wurden, stammen größtenteils von Intellektuellen der byzantinischen Verwaltung, die am Hof von Blachernae in Konstantinopel tätig waren. Die Sprache, in der diese Werke verfasst wurden, war meist klassisches Altgriechisch, eine Sprache, die sich stark an den Werken antiker Autoren wie Homer und Demosthenes orientierte.
Das Byzantinische Reich war ein Erbe des römischen Imperiums, das sich jedoch zunehmend von seiner westlichen Hälfte abspaltete, nachdem das Weströmische Reich im 5. Jahrhundert gefallen war. Obwohl das Reich im Laufe der Jahrhunderte verkleinert wurde, blieb es ein bedeutender Akteur in der östlichen Mittelmeerwelt. Ab dem 11. Jahrhundert war das Byzantinische Reich vor allem auf Kleinasiens und die Balkanhalbinsel konzentriert, mit einem politischen Zentrum in Konstantinopel, während es zunehmend unter dem Druck der Expansion des Islams und der lateinischen Staaten stand.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Sprache der byzantinischen Texte eine Vielzahl von Formen annehmen konnte, abhängig von der sozialen Schicht und dem Kontext. Der Großteil der Bevölkerung sprach eine Form des Griechischen, die sich zunehmend zum modernen Demotischen entwickelte. Die Kirche und die Klöster benutzten eine strengere Form des Griechischen, die näher an der Koine lag – der gemeinsamen Sprache des Neuen Testaments und der Liturgie. Der byzantinische Hof und die Verwaltung jedoch bevorzugten das klassische Altgriechisch, besonders die Attische Form, die in Athen im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. entwickelt wurde.
Die byzantinische Literatur der Zeit kann als eine Kunstform betrachtet werden, die weit mehr war als bloße historische Aufzeichnung. Sie war stark stilisiert und sollte vor allem den literarischen Geschmack der Elite befriedigen. Historische Werke, Briefe, Ekphrasen, Gedichte und Enkomien – Lobreden, die häufig den Kaiser priesen – waren nicht nur Informationsmittel, sondern auch Übungen in der Sprachkunst. Ein Enkomium konnte etwa bei einer Kaiserfeier oder einem religiösen Fest gehalten werden und war ein hochformalisierter Akt der Bewunderung für die Herrscherfigur. Diese Texte waren so angelegt, dass sie laut vorgetragen wurden, und sie dienten nicht nur der Wissensvermittlung, sondern auch der Demonstration der rhetorischen Fähigkeiten des Autors.
Der Stil der byzantinischen Literatur hatte jedoch seine Eigenheiten. Eine der markantesten war die Vorliebe für Archaismus. Die Autoren versuchten bewusst, die antike Sprache zu bewahren und verwendeten oft veraltete Wörter und komplexe Satzstrukturen. Gleichzeitig war es für die Autoren wichtig, ihre Gelehrsamkeit zu demonstrieren, indem sie zahllose Anspielungen auf die antike Mythologie, Geschichte und Literatur einbauten. Diese Praxis hatte zur Folge, dass viele byzantinische Texte für den modernen Leser schwer verständlich sind. Die Absicht, antike Textformen zu imitieren, führte auch dazu, dass die Texte oft vom eigentlichen Thema abschweiften und es schwieriger war, die historischen Ereignisse in ihrem Kontext zu erkennen.
Ein weiteres Problem bei der Lektüre dieser Quellen ist, dass sie aus der Perspektive einer sehr kleinen, aber äußerst einflussreichen Gruppe von Menschen verfasst wurden: den Verwaltungsexperten und Gelehrten des byzantinischen Hofes. Die breite Bevölkerung hatte keinen Zugang zu diesen Schriften, und daher spiegeln die Texte nur die Weltanschauung einer elitäreren Schicht wider, die sich stark von der der einfachen Bürger unterschied. Diese Schriften zirkulierten nur in einem kleinen Kreis, und viele Werke überlebten nur in wenigen Exemplaren. Selbst wenn diese Texte heute noch in zahlreichen Manuskripten vorhanden sind, handelt es sich um Überlieferungen aus Jahrhunderten späterer Zeit. Daher ist es schwierig, diese Werke als repräsentativ für die allgemeine byzantinische Sicht auf die Ereignisse der Kreuzzüge und den Lateinischen Osten zu betrachten.
Trotz dieser Einschränkungen geben die übersetzten Auszüge in diesem Band einen faszinierenden Einblick in die Wahrnehmung der byzantinischen Elite von den Kreuzzügen und der lateinischen Präsenz im Osten. Sie bieten einen einzigartigen Blick auf die politischen und kulturellen Spannungen, die während dieser Zeit zwischen dem Byzantinischen Reich und den westlichen Mächten herrschten. Besonders hervorzuheben ist die Wahrnehmung des Byzantinischen Reiches als das wahre Erbe des Römischen Reiches und die Betonung der kulturellen und politischen Überlegenheit der byzantinischen Zivilisation gegenüber den "Barbaren", die nicht das griechische Erbe teilten.
Es ist jedoch auch wichtig, bei der Lektüre dieser Texte zu verstehen, dass sie nie als neutrale historische Quellen gedacht waren. Sie waren vielmehr Teil einer politischen Agenda, die darauf abzielte, das Bild des Byzantinischen Reiches als Zentrum der Zivilisation und des christlichen Glaubens zu bewahren und zu stärken. Daher sollten sie nicht als objektive Berichterstattung über die Kreuzzüge und die westliche Expansion betrachtet werden, sondern vielmehr als Teil einer gezielten Darstellung der Ereignisse aus der Sicht einer herrschenden Elite.
Wie wird ein Kaiser zum lebendigen Mythos?
Die Stadt Antiochia, Zeugin vergangener Jahrhunderte, erlebte eine Wiedergeburt unter dem Hufschlag kaiserlicher Pferde. Einst verwüstet, empfing sie nun den Kaiser in triumphalem Einzug, als hätte sie auf diesen Moment jahrzehntelang gewartet. Der Kaiser, umgeben von den Zeichen des Sieges, geführt von unterworfenen Herrschern, erschien nicht nur als militärischer Bezwinger, sondern als mythische Erscheinung, als lebendige Verkörperung göttlicher Vorsehung. Konstantinopel, die Königin der Städte, fühlte keinen Neid – sie war die Mutter des Kaisers, und durch seine Siege erstarkte ihre Herrlichkeit. Was der Kaiser mit dem Speer unterwarf, das wurde Teil ihres Reiches, und in dieser Erweiterung der imperialen Ordnung wurde die politische Macht zur theologischen Bestätigung.
Rhetorik, selbst ein stolzes Kunsthandwerk, wurde kleinlaut angesichts der Taten des Kaisers. Wie soll das Wort bestehen gegen ein Schwert, das ganze Völker entwaffnet und Städte wie Festungen der Sünde zum Schweigen bringt? Die Rede, sonst geschliffen, versagt; der Redner bekennt die eigene Ohnmacht, weil die Wirklichkeit des Kaisers mächtiger ist als jede Sprache. Sein Bild, selbst in Mosaiken, scheint Schweiß zu vergießen – so unablässig wirkt sein Kampf, so durchdringend seine Gegenwart. Er ist ein Imperator, nicht nur in Symbolik, sondern in physischer Manifestation, ein Herrscher, dessen Wesen durch seine Siege geformt und durch göttliche Bestimmung gestählt wurde.
Nikephoros Basilakes, Rhetor und imperialer Notar, spürt diese Ohnmacht des Wortes, als er von der syrischen Expedition des Kaisers spricht. Seine Rede ist nicht Lobrede, sondern ein Akt der Unterwerfung unter die Größe, die sich nicht mehr beschreiben lässt. Rhetorik verliert ihre Bühne, weil der Kaiser sie selbst übertrifft – durch die Erhebung seiner Taten über alles Erwartbare. Was bleibt dem Redner? Die ehrfürchtige Stille, durchbrochen nur vom Versuch, durch Schrift und Stimme dem historischen Moment ein Echo zu verleihen.
Die Taten gegen Kelten, Perser, Isaurier, Kilikier – jede von ihnen war nicht nur ein militärischer Akt, sondern ein ritueller, fast liturgischer Vollzug von Ordnung und Gerechtigkeit. Die Feinde, einst wie Eichen und Zedern – Symbole der Unbezwingbarkeit – wurden entwurzelt, in den Staub geworfen, gebrochen im Angesicht einer Macht, die nicht nur durch Waffen, sondern durch kosmische Legitimität sprach. Der Kaiser ist der neue Abraham, gelenkt vom Vater, geprüft durch brüderlichen Verrat, doch gestärkt durch brüderliche Liebe. Er widersteht der Versuchung wie Hiob, gelobt wie David, handelt wie Melchisedek. Die Heilige Schrift wird nicht mehr zitiert – sie wird durch den Kaiser erfüllt.
Die Eroberung wird nicht in Zahlen gemessen, sondern in Bildern des Staunens. Die Stadt Antiochia – einst glühender Herd der Unabhängigkeit – sandte ihre Boten in Demut. Der Feind, der zuvor loderte wie Feuer, verbrannte nun an der Glut der eigenen Verzweiflung. Er bat um Frieden, weil er im Kaiser mehr als einen General sah – einen Mann, den Stahl nicht schreckt und Feuer nicht verzehrt. Diese Metapher ist keine Rhetorik – sie ist Beschreibung des Sichtbaren.
Furcht eilt dem Kaiser voraus. Araber zittern vor ihm, ehe sie ihn gesehen haben, Städte ergeben sich vor Beginn der Belagerung. Der Ruf seiner Herrschaft ist schneller als seine Legionen, und die Legenden überholen die Wirklichkeit. Der Kaiser ist nicht mehr nur Person – er wird zum Mythos unter Lebenden. Selbst der Bruder, einst Quelle innerer Qual, wird zum Teil dieser göttlichen Erzählung. Schmerz verwandelt sich in Opfergabe, Liebe in Triumph. In einer Welt, in der Verwandtschaft zur politischen Gefahr wird, erhebt sich der Kaiser durch Loyalität zu einem Bruder, der ihn verletzt, aber dennoch Teil seiner Seele bleibt.
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass das Kaisertum nicht nur durch Schlachten, sondern durch Symbole, Rhetorik, Glaube und das Bewusstsein von göttlicher Sendung konstruiert wird. Die Redner, Zeugen dieses Prozesses, kämpfen mit der Sprache wie mit einem widerspenstigen Werkzeug, um das Unsagbare zumindest anzudeuten. Der Leser muss erkennen, dass diese Texte nicht bloß verherrlichende Echos sind, sondern Bausteine einer politischen Theologie, die das Reich durch den Körper des Kaisers legitimiert. Das Sakrale und das Imperiale verschmelzen – und im Zentrum steht ein Mensch, dessen Macht sich nicht
Warum der König von Frankreich nach Patmos kam: Ein Blick auf die Ereignisse der Dritten Kreuzzug und die Heiligkeit der Reliquien
Nachdem der Kaiser der Byzantiner seine Streitigkeiten mit dem König von Frankreich beigelegt hatte, trat der König seinen Marsch nach Osten an. Er überquerte die römischen Grenzen und erreichte die Stadt Philippopolis, wo er sich mit den imperialen Truppen auseinandersetzte. Die germanischen Truppen überschritten die Meerenge und marschierten rasch durch Phrygien und Laodikeia. Ihr Ziel war die Stadt Philomelion, in der es zu einer Schlacht mit dem Sultan kam, die der König siegreich beendete. Die Stadt fiel, wurde geplündert und in Brand gesetzt. Auch die Stadt Ikonion wurde erobert, und der König setzte seinen Marsch fort, um Antiochia zu erreichen.
Auf dem Weg dorthin erlitt der König jedoch einen tragischen Tod. Durch einen unglücklichen Zufall ertrank er, als er in die Wasserwirbel geriet, die ihn in ihren Strudel zogen. Sein Sohn übernahm die Führung und setzte die militärischen Anstrengungen fort, befreite die syrischen Städte und besiegte die Nachfahren Hagers. Doch auch er starb, nicht lange nach seinem Vater, und die deutschen Truppen kehrten sicher in ihre Heimat zurück.
Gleichzeitig führten der König von Frankia und der Herrscher der Deutschen einen weiteren Feldzug gegen die Nachfahren Hagers, jedoch ohne Erfolg. Sie konnten das Heilige Zion nicht von seinen Besatzern befreien und kehrten enttäuscht zurück. Der englische König jedoch landete auf Zypern, eroberte die Insel und setzte den Tyrannen Isaac Komnenos in Ketten. Während der Rückreise gen Palästina hinterließ er auf Zypern eine Garnison, die die Insel verwaltete. Zuletzt bot er die Insel dem König von Palästina an, damit dieser sie künftig als Ruheort und für die Kontrolle über die Insel nutzen konnte.
Ein weiteres bemerkenswertes Ereignis ereignete sich während der Rückreise des französischen Königs Philipp II. Augusts im Jahr 1191. Als er auf seinem Rückweg aus dem Heiligen Land die Ägäis passierte, geriet seine Flotte in einen Sturm, der sie ungewollt auf die Insel Patmos führte. Dort stieg Philipp von Bord und besuchte das Kloster von St. Johannes dem Theologen, das von dem heiligen Mönch Christodoulos gegründet worden war. Dieser Ort, der als heilig galt, war bekannt für seine Wunder und die Verehrung des Heiligen.
Der König, beeindruckt von den Berichten über die Wunder des Heiligen, suchte das Kloster auf, um sich zu verneigen und zu beten. In Übereinstimmung mit den religiösen Praktiken seiner Heimat brachte er den Mönchen ein Geschenk aus Silber und 30 Sarazenen-Goldstücke. Doch seine Bitte ging weiter – er bat darum, ein Stück der heiligen Reliquie von Christodoulos zu erhalten, das ihn segnen sollte. Die Mönche lehnten jedoch entschieden ab, selbst als er ihnen versprach, noch mehr Geschenke zu machen, wenn sie ihm das verlangte Reliquienstück überließen.
Verschiedene Quellen berichten, dass Philipp II. Augustus auf eine unheilvolle Weise versuchte, das Relikt zu stehlen. Unter dem Vorwand der Verehrung sandte er einen seiner Männer, um heimlich einen Teil der Haut des Heiligen zu schneiden. Der Mann schnitt einen Fingerabschnitt der Reliquie ab und brachte ihn zurück zum König, der froh war, ein Stück des Heiligen zu besitzen. Doch dieser Akt des "heiligen Diebstahls" blieb nicht ohne Konsequenzen. In der Nacht nach der Tat, als die Menschen in tiefem Schlaf lagen, griff die göttliche Gerechtigkeit ein.
Die Gerechtigkeit, so glauben viele, ist ein unvermeidlicher Teil der göttlichen Ordnung. In diesem Fall ist die Geschichte des Diebstahls der Reliquie von Christodoulos nicht nur eine Episode von religiösem Ehrgeiz und moralischer Schwäche, sondern auch ein Symbol für die Strafen, die oft auf jene warten, die in ihrem Streben nach Macht und Reichtum die heiligsten Dinge entweihen. Der Herr, so heißt es, vergalt diesen Diebstahl, und das, was den König oder seinen Boten widerfuhr, blieb Teil der Geschichte und der Lehren über die Bedeutung der Heiligkeit und des Respekts für die Reliquien.
Es ist zu beachten, dass der Diebstahl von heiligen Reliquien, insbesondere während der Kreuzzüge, keine seltene Praxis war. In der Vergangenheit wurden viele heilige Artefakte entwendet, entweder aus religiösem Eifer oder aus persönlicher Gier. Diese Praxis, bekannt als "furta sacra" (heilige Diebstähle), war weit verbreitet und betraf sowohl Kirchen als auch Klöster, die über wertvolle religiöse Schätze verfügten.
In einem größeren Kontext betrachtet, bietet die Episode mit Philipp II. Augustus und der Reliquie von Christodoulos einen tiefen Einblick in die religiösen Spannungen und den Wettstreit um spirituelle Macht im Mittelalter. Die Kreuzzüge, als militärische und religiöse Unternehmungen, waren nicht nur von dem Wunsch geprägt, das Heilige Land zu erobern, sondern auch von der Anhäufung und Verehrung von religiösen Relikten, die für die christliche Welt von unschätzbarem Wert waren.
Diese Geschichten verdeutlichen die Spannungen zwischen den unterschiedlichen Kulturen und den rituellen Praktiken der Zeit. Sie erinnern uns daran, wie tief der Glaube und die Macht der Religion das Handeln der Herrscher und das Schicksal ganzer Nationen beeinflussten. In gewissem Sinne war der religiöse Eifer ebenso ein Motiv wie politische Ambitionen. Der religiöse Glaube, der während dieser Zeit als ein Werkzeug sowohl für die Vereinigung als auch für den Krieg diente, schuf eine komplexe und oft paradoxale Weltordnung.

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