Der Diskurs über Asyl und Auslieferung hat sich im Laufe der Jahrhunderte erheblich gewandelt. Eine zentrale Frage dabei ist, wann ein Staat seine autoritäre Gewalt nicht dazu einsetzen sollte, eine Person in ihr Herkunftsland zurückzuschicken, wenn diese dort ungerechte Strafen zu erwarten hat. Ein besonders relevanter Denker für diese Debatte ist Hugo Grotius, dessen Argumentation, dass Asyl denjenigen gewährt werden sollte, die „unter ungerechtfertigtem Hass leiden“ (immerito odio laborant), bis heute nachwirkt. Grotius stellte fest, dass ein Staat in bestimmten Fällen das Recht hat, seine Macht nicht auszuüben, um eine Person in eine Situation der Ungerechtigkeit zurückzuführen. In dieser Sichtweise wird das Asyl nicht nur als Zuflucht vor politischer Verfolgung verstanden, sondern auch als ein Mittel, dem Individuum zu ermöglichen, in einem anderen Land vor einer unverdienten Bestrafung sicher zu sein.

Diese Vision des Asyls fand auch in der modernen Geschichte Widerhall. Ein Beispiel dafür ist Thomas Jefferson, der sich weigerte, politische Flüchtlinge an Spanien auszuliefern. Er argumentierte, dass Menschen, die gegen ungerechte Regierungen kämpften und in ihre Heimatländer zurückkehren müssten, um dort des Verrats beschuldigt zu werden, in den Vereinigten Staaten Schutz verdienen und nicht in die Hände der Henker übergeben werden sollten. Jeffersons Argument beruhte auf der Vorstellung, dass der wahre Patriot nur dann schutzbedürftig ist, wenn er im Herkunftsland ungerecht bestraft wird. Dies zeigt sich in einer breiteren moralischen Haltung, dass Staaten ihre Zwangsgewalt nicht gegen Individuen richten sollten, die in ihrer Heimat mit Ungerechtigkeit rechnen müssen.

Mit der Zeit wurde das Konzept des Asyls jedoch zunehmend komplexer, insbesondere im 20. Jahrhundert. Die beiden Weltkriege und die damit verbundenen globalen Konflikte hinterließen eine lange Liste von Flüchtlingen, die in einer völlig neuen geopolitischen Landschaft Schutz suchten. In Reaktion auf diese Herausforderungen wurde die 1951er Genfer Flüchtlingskonvention ins Leben gerufen, die in ihren Ergänzungen durch das Protokoll von 1967 eine internationale Antwort auf die Flüchtlingskrise formuliert. Diese Konvention definiert den Flüchtling als jemanden, der aufgrund gut begründeter Furcht vor Verfolgung aus Gründen wie Rasse, Religion, Nationalität, sozialer Herkunft oder politischer Überzeugung das Land seiner Nationalität verlassen hat oder sich weigert, sich in diesem Land wieder dem Schutz zu unterwerfen.

In dieser rechtlichen Konzeption wird der Flüchtling mit einer Vielzahl von Rechten ausgestattet, wobei das Recht auf Nicht-Abschiebung (Non-Refoulement) einen der zentralen Punkte darstellt. Staaten, die diese Konvention unterzeichnen, verpflichten sich, keine Person in ein Land zurückzuschicken, in dem sie Verfolgung ausgesetzt wäre. Diese Verpflichtung spiegelt nicht nur eine rechtliche Norm wider, sondern auch eine moralische Haltung gegenüber denjenigen, die vor einer lebensbedrohlichen Situation fliehen. Sie müssen als Individuen vor einem System von Ungerechtigkeit geschützt werden, das die Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer Identität oder Überzeugungen beinhaltet.

Trotz der klaren Bestimmungen dieser Konvention hat sich die Diskussion über den Schutz von Flüchtlingen weiterentwickelt. Kritiker, wie etwa Alexander Betts, argumentieren, dass der Begriff des „Flüchtlings“ in seiner traditionellen Form zu restriktiv sei. Sie schlagen vor, den Fokus auf „Überlebensmigranten“ zu legen, deren Leben auf dem Spiel steht und die nur durch die Aufnahme in ein anderes Land gerettet werden können. Andere Philosophen und Praktiker wie Matthew Price und Matthew Lister betonen jedoch die moralische Bedeutung des Flüchtlingsstatus. Ihrer Ansicht nach ist nur die Verfolgung ein Problem, das mit einem Recht auf Asyl auf gerechte Weise behandelt werden kann.

Der Gedanke, dass nur Verfolgung das Unrecht definiert, das durch die Gewährung von Asyl abgewehrt werden kann, wird jedoch zunehmend in Frage gestellt. Dokumente wie die Cartagena-Deklaration von 1984 erweitern das Konzept des Flüchtlings, um Menschen einzubeziehen, die aufgrund von „generalisiertem Gewalt, ausländischer Aggression, internen Konflikten, massiven Menschenrechtsverletzungen oder anderen Umständen, die die öffentliche Ordnung erheblich gestört haben“, fliehen müssen. Diese Erweiterung des Begriffs zeigt die zunehmende Anerkennung der Vielschichtigkeit von Fluchtursachen und der Tatsache, dass nicht alle bedrohlichen Umstände einfach als „Verfolgung“ im traditionellen Sinne betrachtet werden können.

Es wird zunehmend erkannt, dass der Begriff der Verfolgung allein nicht ausreicht, um die Vielzahl von Fluchtsituationen zu erklären, die in der modernen Welt bestehen. Staaten sollten daher nicht nur auf das Kriterium der Verfolgung beschränkt werden, sondern auch auf andere Formen von schwerwiegenden Bedrohungen reagieren. Die Anerkennung, dass viele Menschen unter Umständen fliehen, die über bloße politische Verfolgung hinausgehen, eröffnet einen breiteren Rahmen für den Flüchtlingsschutz.

Es ist zu beachten, dass die Entscheidung, ob ein Staat die Auslieferung verweigern sollte oder nicht, nicht nur auf der Theorie der Verfolgung basieren kann. Sie muss auch im Kontext der internationalen Beziehungen und der geopolitischen Realitäten verstanden werden. Die moralische Verpflichtung eines Staates, Schutz zu gewähren, kann nicht in einem Vakuum existieren. Es ist immer mit praktischen, politischen und rechtlichen Überlegungen verbunden, die das internationale Recht, aber auch das nationale Interesse eines Staates betreffen.

Abschließend ist festzuhalten, dass das Konzept des Asyls und des Flüchtlingsschutzes in der internationalen Praxis komplex bleibt. Die Grundlage für das Verständnis von Asyl sollte jedoch nicht nur in den moralischen und rechtlichen Aspekten der Verfolgung verankert sein, sondern auch die breiteren sozialen, politischen und kulturellen Dynamiken einbeziehen, die die Migration von Menschen in der modernen Welt prägen. Der Ruf nach einem flexibleren und gerechteren Ansatz im Umgang mit Flüchtlingen und Asylsuchenden spiegelt ein wachsendes Bewusstsein für die vielfältigen Ursachen von Migration wider und fordert Staaten dazu auf, ihre Verantwortung gegenüber den weltweit Schutzsuchenden zu überdenken.

Ist willkürliche Ungerechtigkeit immer ungerecht? Über Zufall, Macht und Identität

Es gibt Situationen, in denen Willkür nicht unbedingt als ungerecht betrachtet werden muss. In Fällen, in denen alle Ansprüche der Betroffenen bereits berücksichtigt wurden und lediglich noch diejenigen ohne solche Ansprüche übrig sind, mag es schwer nachvollziehbar erscheinen, was an der zufälligen Entscheidung problematisch sein könnte. Zufall, so scheint es, könnte in einem bestimmten Kontext durchaus als gerecht betrachtet werden. Ein interessanterer Fall ergibt sich jedoch aus der Überlegung, dass Zufall nicht immer das Resultat einer bewussten Entscheidung ist, den Ausgang zu randomisieren, sondern auch aus den persönlichen Wünschen und Vorlieben der verantwortlichen Person entstehen kann.

Nehmen wir als Beispiel einen rothaarigen Mann, der Teil einer Initiative ist, die von Ezekiah Hopkins gegründet wurde, um Menschen wie ihn zu unterstützen. Für ihn mag es erscheinen, als sei der Zufall ihm zu einem Vorteil verholfen, indem diese Gelegenheit in seine "Tasche" gesteckt wurde. Wenn jedoch diese Unterstützung nichts mit einer besonderen Überlegenheit der Rothaarigen zu tun hat, wird niemand ohne rotes Haar die Ausschlusswirkung als Marginalisierung erfahren. Ähnliches lässt sich auch in Bezug auf Migration feststellen. Zwischen 1992 und 1994 erhielten 48.000 irische Staatsbürger das Recht, in die Vereinigten Staaten zu migrieren, im Rahmen eines Programms, das von Abgeordneter Bruce Morrison ins Leben gerufen wurde. Morrison fügte diese Bestimmung in das Einwanderungs- und Staatsbürgerschaftsgesetz von 1990 ein, wohl aus einer gewissen Zuneigung zu seiner Heimat. Ein Vergleich mit Großbritannien, das nur 6.000 Visumbefreiungen erhielt, zeigt, dass es nicht um eine allgemeine Förderung von Migration ging, sondern um eine von persönlichen und historischen Präferenzen geprägte Entscheidung.

Might eine solche Initiative als Zufall betrachtet werden? Die Antwort auf diese Frage könnte darin liegen, dass willkürliche Ungleichheit nicht von Natur aus ungerecht ist – zumindest dann nicht, wenn diese Willkür nicht eine hierarchische oder diskriminierende Form von Ungleichheit widerspiegelt. Doch es gibt mindestens drei Aspekte, die bei der Beurteilung dieser Art von Willkür beachtet werden sollten. Der erste Punkt ist, dass viele persönliche Vorlieben durchaus problematische Folgen haben können. Während Ezekiah Hopkins’ Vorliebe für Rothaarige eher harmlos erscheint, könnten wir uns ein Szenario vorstellen, in dem diese Vorliebe von anderen als eine Form der sozialen Marginalisierung wahrgenommen wird. Ein weiteres Beispiel ist das Programm von Morrison, bei dem eine einzelne, mächtige Person, die im politischen System der USA eine bedeutende Stellung einnimmt, aus persönlicher Affinität ein politisches Programm gestaltet hat, das sich eindeutig zugunsten der irischen Abstammung auswirkt. Eine solche Entscheidung, so scheint es, könnte den Eindruck erwecken, dass die Interessen einer bestimmten, mächtigen Gruppe verteidigt und gefördert werden – was aus einer demokratischen Perspektive problematisch sein könnte.

Ein zweiter Punkt betrifft die Machtverteilung. Idiosynkratische Entscheidungen, die aus persönlichen Vorlieben eines einzelnen Entscheiders resultieren, konzentrieren eine enorme Macht in den Händen weniger Personen. Selbst wenn die Entscheidungen aus harmlosen oder fairen Gründen getroffen werden – etwa ohne rassistische Vorurteile oder Diskriminierungen – ist es immer noch problematisch, dass so viel Macht in so wenigen Händen liegt. Das Fehlen von Checks and Balances und die Möglichkeit der Machtmissbrauchs sind hier die zentralen Gefahren. Die moralische Frage könnte in diesem Fall nicht nur in der Verteilung von Ressourcen, sondern auch in der Konzentration von Entscheidungsbefugnissen liegen. Eine politische Theorie, die diese Problematik untersucht, ist die republikanische Literatur, die sich mit der Frage von Macht und Dominanz befasst. Möglicherweise ist es genau diese Konzentration von Macht, die uns unangemessen erscheint, unabhängig von den tatsächlichen Entscheidungen, die getroffen werden.

Das dritte Problem entsteht dann, wenn Willkür oder Zufall in Kontexten auftreten, in denen Menschen bestimmte Rechte beanspruchen können. Wenn jemand ein legitimes Recht auf ein bestimmtes Gut hat – sei es das Recht zu migrieren, das Recht zu wählen oder ein anderes politisches oder soziales Recht –, dann wird diese Person durch die Verweigerung dieses Rechts in ihren Rechten verletzt. Der Schaden entsteht unabhängig davon, ob diese Entscheidung auf einer bewussten, ungerechten Diskriminierung beruht oder ob sie auf zufälligen, idiosynkratischen Entscheidungen einer einzelnen Person beruht. In beiden Fällen bleibt das Unrecht bestehen: Das Recht auf den Zugang zu Ressourcen oder Vorteilen wird ungerechtfertigt verweigert. Die Besonderheit der idiosynkratischen Entscheidung ist jedoch, dass sie aus einer persönlichen, möglicherweise auch willkürlichen Neigung hervorgeht, was der betroffenen Person noch zusätzlich das Gefühl vermittelt, nicht nur benachteiligt, sondern auch entwürdigt zu werden.

Neben der Frage von Willkür und Zufall in Entscheidungen gibt es auch die Problemstellung der Identität, die in jüngeren politischen Debatten von zentraler Bedeutung ist. Wenn von Identität die Rede ist, geht es nicht nur um persönliche Merkmale wie Geschlecht, Rasse oder Religion, sondern auch darum, wie diese Merkmale im sozialen Kontext verwendet werden, um den eigenen Platz in der Gesellschaft zu definieren. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Diskussion über Rassismus und religiöse Diskriminierung relevant. Rassismus wird weitgehend als eine der Hauptformen der illiberalen Praxis anerkannt, sowohl in nationalen als auch in internationalen Kontexten. Ein rassistisches Prinzip der Ausgrenzung ist nicht nur ungerecht, sondern moralisch inakzeptabel, so wie es auch ein rassistisches Gesetz im Inland ist.

Im Hinblick auf Migration stellt sich hier die Frage, inwieweit der Ausschluss bestimmter Gruppen aus politischen und sozialen Prozessen zu einer Verfestigung von Ungleichheiten führt. Dies wird besonders dann problematisch, wenn die Politik bestimmte Identitäten und Zugehörigkeiten bevorzugt und andere systematisch ausschließt. Solche Ungleichgewichte sind nicht nur für die Migranten selbst problematisch, sondern auch für die Gesellschaft, die mit der Exklusion konfrontiert wird. Die soziale Marginalisierung von bestimmten Identitätsgruppen, sei es auf Grundlage von Herkunft, Aussehen oder Religion, hat oft weitreichende gesellschaftliche Auswirkungen und beeinflusst nicht nur die unmittelbar Betroffenen, sondern auch jene, die zu dieser Gruppe gezählt oder dieser zugerechnet werden.