Die Wechselwirkung zwischen elastischem Verhalten und Kriechen in Rissgebieten spielt eine zentrale Rolle für das Verständnis der Mechanismen, die während der Rissausbreitung unter Kriechen wirken. Ein zentraler Punkt dabei ist die Übergangsphase von Kleinskaligem Kriechen zu Großskaligem Kriechen, die während des Prozesses der Spannungsentlastung am Rissspitzenbereich auftritt.
Ein linear-elastischer Kriechkörper, der einer plötzlichen Belastung ausgesetzt wird, folgt der konstitutiven Gleichung:
wobei die Spannungsrate darstellt. Zu Beginn der Belastung gibt es noch keine Kriechdeformationen, und die gesamte Verformung des Körpers bleibt linear-elastisch. Der Spannungsfeldbereich um die Rissspitze lässt sich zu diesem Zeitpunkt durch den linearen Intensitätsfaktor beschreiben, wie in der Gleichung (2.2) formuliert. Mit der Zeit jedoch beginnen Kriechdehnungen, vor allem in der Nähe der Rissspitze, aufgrund höherer Spannungen aufzutreten. Diese Kriechdomäne wächst mit der Zeit und breitet sich weiter aus, wobei sie schließlich den gesamten Körper überzieht und einen Zustand des stationären Kriechens erreicht.
Zu Beginn ist das Kriechen auf die Rissspitze begrenzt, was als Kleinskaliges Kriechen bezeichnet wird. Mit zunehmender Ausdehnung der Kriechzone und dem Übergreifen auf größere Bereiche des Materials spricht man von Großskaligem Kriechen. Dieser Übergang vom Kleinskaligen zum Großskaligen Kriechen wird durch die Wechselwirkung zwischen Elastizität und Kriechen verursacht. In der frühen Phase, in der die Kriechdomäne noch klein ist, bleibt das Verhalten weitgehend elastisch und das Kriechen lokalisiert sich in der Nähe der Rissspitze.
Die Übergangsphase vom Kleinskaligen zum Großskaligen Kriechen erfordert eine detaillierte Analyse der Spannung- und Deformationsfelder. Die klassische Anwendung des Hoff-Analogons ist hier nicht sinnvoll, da diese Übergangsphase nicht nur stationäres Kriechen, sondern auch lineare elastische Deformation umfasst. Die Berechnung des Kriech-J-Integrals, das im Abschnitt 3.2 eingeführt wurde, muss in diesem Fall vollständig überdacht werden. Auch wenn das Kriech-J-Integral formal mit der Gleichung (3.10) evaluiert werden kann, hängt sein Wert vom Integrationspfad ab. Dies bedeutet, dass sich der Wert des J*-Integrals im Laufe der Zeit ändern kann, was in der numerischen Analyse von Rissen in elastischen Kriechmaterialien, wie in Abbildung 4.9 gezeigt, deutlich wird.
In der Übergangsphase zwischen Kleinskaligem und Großskaligem Kriechen wird das Kriech-J-Integral zunehmend konstant, wenn die Integrationspfade konvergieren. Die Unterschiede in den Werten des Kriech-J-Integrals aufgrund der Wahl des Pfades werden mit der Zeit immer kleiner und erreichen schließlich einen konstanten Wert, der das Ende des Übergangs markiert.
Interessanterweise zeigt sich bei der Analyse, dass der Wert des J*-Integrals für Integrationspfade nahe der Rissspitze im frühen Stadium nach der Belastung nur geringe Unterschiede aufweist. Dies liegt daran, dass in der Kriechdomäne nahe der Rissspitze das Verhalten dem von klassischen elastoplastischen Modellen entspricht, in denen das Kriechmaterial den Norten-Gesetz unterliegt. Während der Übergangszeit nimmt die Intensität der Kriechdehnungen ab, was die Abnahme der Spannungsintensität in dieser Region erklärt. In einem elastischen Kriechmaterial ist die Spannungsintensität nahe der Rissspitze zu Beginn des Übergangs größer als im stationären Zustand des Großskaligen Kriechens.
Experimente zur Bestätigung der Übergangsphase von Kleinskaligem zu Großskaligem Kriechen sind in der Praxis sehr schwierig durchzuführen. Dies liegt vor allem an der sehr kurzen Dauer der Übergangszeit, die für typischen Kriechversuche zu schnell ist. Auch das langsame Einleiten von Rissen aus einem Startnotch macht die Beobachtung des Übergangs zu einer herausfordernden Aufgabe. Einige Untersuchungen zeigen jedoch interessante Ergebnisse, wie beispielsweise die Kriech-Risspropagation bei intermetallischen Verbindungen wie TiAl, die bekannt für ihre geringe Kriechduktilität sind. Die Kriech-J-Integrale dominieren die Rissausbreitung nach der Übergangsphase, was den Nachweis von Übergangsprozessen in experimentellen Versuchen erschwert.
Ein weiteres Beispiel zeigt das Verhalten von Aluminiumlegierungen (z.B. 2014-T6) mit niedrigerer Kriechduktilität. In diesen Materialien bleibt das Kriechen an der Rissspitze zu Beginn des Übergangs noch im Bereich des Kleinskaligen Kriechens, wobei die Ausbreitung des Risses eine enge Beziehung zum linearen elastischen Spannungsintensitätsfaktor zeigt. Interessanterweise lässt sich auch hier der Übergang zwischen den Kriechregimen experimentell nicht genau nachvollziehen.
Ein weiteres interessantes Material ist kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFRP), der bei hohen Temperaturen unter Kriechen Delaminationsrisse zwischen den Schichten bildet. Da die Fasern die Kriechverformung des Polymers stark einschränken, bleibt die Kriechdomäne auf einen kleinen Bereich begrenzt, was bedeutet, dass das Kleinskalige Kriechen für längere Zeit anhält und der lineare elastische Zustand weiterhin dominiert. Auch hier zeigt sich die enge Beziehung zwischen der Rissausbreitungsgeschwindigkeit und dem linearen elastischen Energiefreisetzungsrate , wobei jedoch der Übergang nicht untersucht wurde.
Es ist wichtig zu verstehen, dass der Übergang von Kleinskaligem zu Großskaligem Kriechen eine komplexe Wechselwirkung von elastischen und kriechenden Materialeigenschaften darstellt, die nicht nur durch einfache experimentelle Ansätze erfasst werden kann. Die Herausforderungen bei der Untersuchung dieses Übergangs hängen mit der kurzen Dauer der Übergangsphase, den spezifischen Materialeigenschaften und der schwierigen Detektion des Übergangs in realen Versuchen zusammen.
Wie beeinflussen Dehnungswellen die Lebensdauer bei Ermüdung bei hohen Temperaturen?
Die Auswirkungen von Dehnungswellen auf die Lebensdauer von Materialien bei Ermüdung unter hohen Temperaturen sind ein zentraler Aspekt der Materialwissenschaft, insbesondere bei der Analyse der Rissausbreitung in hochtemperaturbelasteten Materialien. Bei der Ermüdung, die durch zeitabhängige Deformationen wie Kriechen dominiert wird, zeigen kleine Risse ein charakteristisches Verhalten, das stark von der Mikrostruktur des Materials abhängt. Dies gilt besonders für hochfunktionelle Materialien, die speziell für den Einsatz bei extremen Temperaturen entwickelt wurden. Solche Materialien zeichnen sich durch ihre Fähigkeit aus, eine Vielzahl von mikrostrukturellen Phänomenen zu integrieren, die das Verhalten der Rissausbreitung beeinflussen.
Ein Beispiel für dieses Verhalten ist die Ausbreitung mikrostrukturell kleiner Risse in austenitischem Edelstahl 304 bei 923 K, wo die Kriechdehnung einen signifikanten Einfluss auf die Rissausbreitung hat. In einer Studie von Kitamura et al. (1990) wurde gezeigt, dass die Anwendung von Dehnungswellen das Ausbreitungsverhalten von kleinen Rissen verändert, insbesondere in Bezug auf die Wechselwirkungen zwischen der Risslänge und der Propagationsrate. Kompressive Kriechprozesse verstärken die Schwankungen in der Rissausbreitung, was sich auf die Lebensdauer des Materials auswirkt. Solche Studien verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Wechselwirkungen zwischen mikrostrukturellen Eigenschaften und makroskopischem Risswachstum zu verstehen.
Die Übergangszone zwischen mikrostrukturell kleinen Rissen und Makrorissen ist besonders kritisch. Es gibt eine deutliche Unterscheidung in der Art und Weise, wie kleine Risse und Makrorisse auf mechanische Belastungen reagieren. In experimentellen Studien zeigt sich, dass die Rissausbreitung bei kleinen Rissen stark von der Mikrostruktur des Materials beeinflusst wird, was zu signifikanten Fluktuationen in der Risswachstumsrate führt. Andererseits, bei Makrorissen, die eine Länge von mehr als 1 mm erreichen, werden diese Fluktuationen durch die Mikrostruktur weitgehend ausgeglichen. Dies zeigt, dass der Übergang von mikrostrukturellen kleinen Rissen zu Makrorissen ein kritischer Punkt ist, bei dem sich das Verhalten der Rissausbreitung erheblich ändert.
Dieser Übergang wird in einem Diagramm der da/dN‒DJc-Beziehung (Risswachstumsrate in Abhängigkeit von der Risslänge und der Kriechspannung) deutlich, das zeigt, dass kleine Risse (mit einer Länge kleiner als etwa 2d, wobei d die durchschnittliche Korngröße ist) und Makrorisse (mit einer Länge größer als 10d) unterschiedliche Ausbreitungsmechanismen aufweisen. Bei kleinen Rissen ist die Mikrostruktur noch ausreichend präsent, um das Wachstum zu beeinflussen, während bei Makrorissen die Auswirkungen der Mikrostruktur nahezu aufgehoben sind.
Die Modellierung dieses Prozesses wird zunehmend durch stochastische Methoden wie Monte-Carlo-Simulationen untersucht. Diese Methoden erlauben es, das zufällige Verhalten von Rissen in einem mikrostrukturell heterogenen Material zu simulieren. Ein Modell, das die zufällige Natur der Mikrostruktur auf kleine Risse im Kriechbereich anwendet, wurde erstmals von Ohtani und Kitamura (1987) entwickelt. Es berücksichtigt die unterschiedlichen Verformungseigenschaften der Körner und die Widerstandsfähigkeit der Korngrenzen, die die Rissausbreitung beeinflussen. Ein solches Modell verwendet eine probabilistische Annahme für den Widerstand jeder Korngrenze, wobei der Widerstand zufällig variiert, um die Fluktuationen bei der Rissausbreitung zu beschreiben.
In diesem Modell ist der Prozess der Rissbildung und -ausbreitung eine wiederholte Interaktion von zufälligen und deterministischen Faktoren. Zunächst nimmt der Widerstand der Korngrenzen bei jeder Kriech-Dehnungszyklus ab, bis er einen Schwellenwert erreicht, bei dem ein Riss initiiert wird. Sobald der Riss beginnt, sich zu entwickeln, verringert sich der Widerstand weiter, was zu einer fortschreitenden Ausbreitung des Risses entlang der Korngrenzen führt. Die Einflüsse der Mikrostruktur werden in diesem Modell durch zufällige Variablen wie den Widerstand der Korngrenzen und deterministische Variablen wie die Rissausbreitungsrate berücksichtigt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Untersuchung der Rissausbreitung in hochtemperaturbelasteten Materialien ist die statistische Analyse des Risswachstums. In Kriech-dominierten Zuständen zeigt sich, dass die Schwankungen im Risswachstumsverhalten aufgrund der variierenden Eigenschaften der einzelnen Körner und Korngrenzen auftreten. Das bedeutet, dass die Simulation von Rissausbreitungen nicht nur eine detaillierte Betrachtung der mechanischen Eigenschaften der Materialien erfordert, sondern auch die zufällige Natur der Mikrostruktur berücksichtigt werden muss.
Die Untersuchungen zur Mikrostruktureffekten auf die Rissausbreitung unter Kriechbedingungen haben gezeigt, dass der Einfluss der Mikrostruktur vor allem bei kleinen Rissen von großer Bedeutung ist. Sobald die Risse jedoch eine bestimmte Größe überschreiten, ist der Effekt der Mikrostruktur nicht mehr so dominant. Dieser Übergang von mikrostrukturell kleinen Rissen zu Makrorissen ist von zentraler Bedeutung für das Verständnis der Ermüdungslebensdauer und für die Optimierung von Materialien für Hochtemperaturanwendungen.
Die Untersuchung der Rissausbreitung unter hohen Temperaturen, insbesondere bei der Betrachtung von Kriecheffekten, bietet wertvolle Erkenntnisse für die Entwicklung neuer, leistungsfähigerer Materialien. Durch die Kontrolle der Mikrostruktur können Materialeigenschaften gezielt angepasst werden, um die Lebensdauer und die Beständigkeit gegenüber thermomechanischen Belastungen zu verbessern.

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