Im Bereich der Erkenntnistheorie ist es von zentraler Bedeutung, die Variabilität dessen zu verstehen, was als epistemisch erlaubt oder erforderlich in einer bestimmten Untersuchung gilt. Es ist jedoch wichtig, klarzustellen, dass diese Variabilität nicht die Gleichwertigkeit aller Untersuchungen impliziert. Eine Untersuchung kann epistemisch von höherem oder geringerem Wert sein, je nachdem, wie sie sich hinsichtlich ihres „alethischen Ziels“ verhält, das heißt, inwieweit sie darauf abzielt, Wahrheit zu maximieren und Falschheit zu minimieren. Wir müssen daher unterscheiden zwischen Enquêtepraktiken, die von vornherein zufällig oder irrational erscheinen, und solchen, die trotz einer devianten Struktur dennoch eine formale, wenn auch eingeschränkte Orientierung zur Wahrheit aufweisen. Die Schwierigkeit, diese Praktiken nicht vorschnell als irrational oder normativ unintelligibel abzutun, ist eine der Herausforderungen, die wir im Umgang mit Phänomenen wie wissenschaftlichem Denialismus, etwa unter Impfgegnern oder der Flacherde-Bewegung, beobachten.

Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist der Einfluss von Hintergrundannahmen und epistemischen Filtern auf die Gestaltung epistemischer Normen. Epistemische Normen sind Prinzipien, die bestimmen, was in einer bestimmten Untersuchung als epistemisch zulässig oder erforderlich gilt. Diese Normen sind jedoch nicht universell und verbindlich, solange sie nicht in Bezug auf die spezifische epistemische Situation des Untersuchenden präzisiert werden. Das bedeutet, dass epistemische Normen erst dann normativ bindend werden, wenn der epistemische Rahmen des Untersuchenden bestimmt wird, insbesondere durch seine Hintergrundannahmen.

Ein epistemischer Filter fungiert als eine Auswahlfunktion, die das Gesamtergebnis der Beweislage in Bezug auf die spezifischen Hintergrundannahmen des Untersuchenden segmentiert. Ein solcher Filter ist entscheidend, um festzulegen, welche Beweise als relevant betrachtet werden und welche nicht. Es handelt sich dabei um eine Art Partitionierung der Beweismenge, die stark durch die Überzeugungen des Untersuchenden geprägt ist, was wiederum die Anwendung von epistemischen Normen beeinflusst. Diese Hintergrundannahmen betreffen nicht nur die epistemische Bewertung von Quellen, sondern auch die grundsätzliche Vorstellung darüber, welche Arten von Beweisen als vertrauenswürdig gelten. Sie sind tief in der Denkweise des Untersuchenden verankert und werden mit hohem Grad an Überzeugung getragen, was nicht notwendigerweise mit ihrer tatsächlichen epistemischen Stärke übereinstimmt.

Die wichtigsten Merkmale von Hintergrundannahmen bestehen darin, dass sie entweder die Vertrauenswürdigkeit bestimmter Beweismittel betreffen oder Annahmen über die Natur von Beweisen widerspiegeln. Zudem sind sie mit einem hohen Maß an Überzeugung verbunden, das es schwierig macht, diese Annahmen in Frage zu stellen, selbst wenn neue Beweise auftauchen. Diese Überzeugungen sind vergleichbar mit dem, was Michael Lynch als „Überzeugungen“ bezeichnet: Überzeugungen, die so tief verankert sind, dass es sehr schwer ist, sie zu hinterfragen oder zu ändern. Ein bemerkenswerter Aspekt von Hintergrundannahmen ist, dass sie die epistemische Autorität des Untersuchenden bestimmen. Diese Annahmen tragen nicht die moralische Autorität von Überzeugungen, sondern steuern das epistemische Selbstverständnis des Untersuchenden – also seine Vorstellung davon, was er als Wissender ist und was für ihn als Beweis gilt.

Wichtig zu verstehen ist, dass die Veränderung oder das Ablehnen einer Hintergrundannahme tiefgreifende Auswirkungen auf die gesamte epistemische Struktur des Untersuchenden hat. Der Prozess, eine solche Annahme zu ändern, ist nicht nur intellektuell herausfordernd, sondern führt oft zu einer weitreichenden Revision der gesamten Weltanschauung und der damit verbundenen Überzeugungen. Ein solches Umdenken ist mit hohen Kosten verbunden, da es eine Neufassung der epistemischen Identität des Untersuchenden erfordert. Aus diesem Grund sind Hintergrundannahmen so stabil und resistent gegen Veränderungen – sie bilden das Fundament, auf dem die Erkenntnisgewinnung und -revision des Untersuchenden aufbauen.

Es gibt zwei Hauptwege, auf denen epistemische Filter die Anwendung epistemischer Normen einschränken können: durch Auslassung und durch Diskreditierung. Die Auslassung bedeutet, dass bestimmte Beweise oder Quellen aufgrund der epistemischen Einschränkungen des Untersuchenden schlichtweg nicht in die Beurteilung einfließen. Ein einfaches Beispiel wäre, wenn ein Untersuchender aufgrund seiner geographischen Lage oder seines Zugangs zu bestimmten Quellen bestimmte Informationen einfach nicht zur Kenntnis nehmen kann. Eine andere Form der Filterung erfolgt durch Diskreditierung, wobei Quellen aufgrund der vorherrschenden Hintergrundannahmen als unglaubwürdig oder irrelevant eingestuft werden. Diese Diskreditierung kann sowohl explizit als auch implizit erfolgen und ist häufig eng mit den Überzeugungen des Untersuchenden verbunden, was er als vertrauenswürdige Quelle akzeptiert.

In vielen Fällen wird die Einflussnahme von Hintergrundannahmen und epistemischen Filtern auf den Erkenntnisprozess erst sichtbar, wenn diese Normen hinterfragt oder kritisch geprüft werden. Insbesondere in Bezug auf wissenschaftlichen Denialismus oder abweichende Denksysteme – wie sie etwa in Verschwörungstheorien oder populären Fehlinformationen zum Vorschein kommen – wird deutlich, dass diese nicht einfach als irrational oder sinnlos abgetan werden dürfen. Vielmehr sind sie in einem normativen Rahmen eingebettet, der sich historisch und sozial entwickelt hat und tief in den kulturellen und politischen Kontext verwoben ist. Nur wenn wir diese Hintergründe verstehen und die Komplexität der zugrundeliegenden epistemischen Filter anerkennen, können wir die volle Bedeutung solcher Phänomene und deren potenzielle Bedrohung für den gesellschaftlichen Diskurs begreifen.

Wie entsteht Fake News und wie können wir uns davor schützen?

Der Begriff „Fake News“ hat sich in den letzten Jahren zu einem Schlagwort entwickelt, das oft verwendet wird, um falsche oder irreführende Nachrichten zu kennzeichnen. Doch was genau steckt hinter diesem Phänomen und warum ist es so problematisch? Eine epistemologische Untersuchung von Fake News muss drei zentrale Fragen ansprechen: Was ist Fake News? Welche Mechanismen fördern die Produktion und Verbreitung von Fake News? Und schließlich, welche Maßnahmen können als Gegenmittel zu Fake News dienen?

Zunächst muss geklärt werden, was unter Fake News zu verstehen ist. In der gegenwärtigen Literatur lassen sich drei Hauptansätze zu diesem Thema finden. Der hybride Ansatz, der weitgehend akzeptiert wird, beschreibt Fake News als Nachrichten, die sowohl die Wahrheit als auch die Wahrhaftigkeit vermissen. Eine Nachricht ist wahr, wenn sie entweder faktisch korrekt ist oder wahre Informationen vermittelt. Sie ist wahrhaftig, wenn sie mit der Absicht produziert wurde, zu täuschen, oder wenn dem Produzenten die Wahrheit in dem relevanten Bereich gleichgültig ist. Im ersten Fall ist Fake News eng mit öffentlichen Lügen oder Desinformation verbunden, während es im zweiten Fall vor allem um Geschichten geht, die ohne Rücksicht auf die Wahrheit erfunden wurden, um Aufmerksamkeit in den sozialen Medien zu erregen. Ein Beispiel dafür sind die Jugendlichen aus Mazedonien, die 2016 erregende Geschichten erfanden – darunter die Behauptung, Papst Franziskus unterstütze Trump als nächsten US-Präsidenten – und diese Geschichten im Internet verbreiteten, um maximale Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Der hybride Ansatz legt nahe, dass der böse Wille des Produzenten eine zentrale Rolle spielt, aber er fehlt an theoretischer Kohärenz. Ob jemand lügt oder einfach die Wahrheit missachtet, sind zwei sehr unterschiedliche Handlungen, die im Rahmen dieses Ansatzes beide als Merkmale von Fake News gelten können.

Ein weiterer Ansatz ist der sogenannte privative Ansatz, der Fake News als Nachrichten definiert, die nicht den erforderlichen journalistischen Standards entsprechen und fälschlicherweise als echte Nachrichten erscheinen. Diese Sichtweise betont die Nachahmung echter Nachrichten, was ein wichtiges Merkmal von Fake News darstellt. Doch bleibt unklar, warum diese Definition epistemologisch von Bedeutung sein sollte, da auch Geschichten, die irrtümlich als Nachrichten behandelt werden, epistemisch wertvoll und zuverlässig sein könnten.

Der dritte Ansatz, der konsumzentrierte Ansatz, definiert Fake News ausschließlich durch die systematische Neigung, den Konsumenten zu täuschen. Diese Perspektive ist sehr weit gefasst, was dazu führt, dass sogar Fälle von Verzerrung der Nachrichten oder schlechtem Journalismus als Fake News gelten könnten. In einigen Fällen wird sogar genau dann von Fake News gesprochen, wenn die Nachrichten korrekt sind, aber der Konsument fälschlicherweise annimmt, dass ihm alle relevanten Fakten präsentiert wurden.

Die Bedeutung dieser verschiedenen Definitionen ist nicht nur theoretisch, sondern hat auch praktische Implikationen. Wenn wir Fake News nicht korrekt definieren, laufen wir Gefahr, Phänomene zu übersehen oder zu falsch einzuordnen. Ein Beispiel dafür ist die schnelle Verbreitung von sogenannten Fake News, die durch soziale Medien wie Facebook, Twitter und Instagram geht. Hier wird die Notwendigkeit einer schnellen Reaktion gefördert: Likes und Shares, die eher eine Aufmerksamkeit signalisieren als eine fundierte Auseinandersetzung mit den Inhalten. In der Konsequenz werden häufig Nachrichten verbreitet, die entweder fehlerhaft oder absichtlich täuschend sind.

Die Verbreitung von Fake News wird auch durch die technologischen Merkmale der Kommunikation begünstigt. Suchmaschinen und Algorithmen in sozialen Medien priorisieren Inhalte, die hohe Interaktionsraten erzeugen, anstatt die Qualität der Informationen zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass eher sensationelle, aber falsche Nachrichten bevorzugt werden. Auch die Schaffung von Filterblasen, in denen Nutzer nur noch Nachrichten sehen, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen, trägt dazu bei, dass Fake News eine immer größere Verbreitung finden. Dies lässt sich durch das Verhalten der Nutzer nachvollziehen, die zunehmend Inhalte konsumieren, die ihrer Weltsicht entsprechen, anstatt sich einer breiten und differenzierten Informationsquelle auszusetzen.

Die sozialen Bedingungen, in denen sich Nachrichtenkonsumenten bewegen, fördern ebenfalls die Verbreitung von Fake News. In polarisierten Gruppen, in denen die Identität der Mitglieder stark mit bestimmten politischen oder ideologischen Überzeugungen verknüpft ist, ist die Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung mit fremden oder gegnerischen Nachrichten verringert. Nachrichtenquellen, die als Teil des „Feindes“ betrachtet werden, werden häufig pauschal abgelehnt, während die eigene Sichtweise bestärkt wird. Diese Dynamik erzeugt eine verstärkte Isolierung in Informationsblasen, die die Wahrnehmung von Fake News weiter begünstigt.

Ein entscheidender Aspekt, der bei der Bekämpfung von Fake News berücksichtigt werden muss, ist das Verständnis der epistemischen Verantwortung der Konsumenten. Eine kritische Reflexion des eigenen Informationskonsums sowie die Bereitschaft, Quellen und Inhalte zu hinterfragen, sind notwendig, um sich vor Fehlinformationen zu schützen. Besonders in Zeiten von Informationsüberflutung und digitaler Vernetzung ist es unerlässlich, die Fähigkeiten zur Medienkompetenz zu fördern. Nur so können wir verhindern, dass falsche oder manipulierte Informationen unsere Wahrnehmung der Welt und die gesellschaftliche Diskussion nachhaltig verfälschen.

Es gibt eine Vielzahl von Ansätzen zur Bekämpfung von Fake News, von der Stärkung der Medienkompetenz der Bevölkerung bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen zur Regulierung von Online-Inhalten. Allerdings sollte stets im Blick behalten werden, dass jede Intervention auch unbeabsichtigte Nebenwirkungen haben kann, etwa eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung oder die Bildung neuer Filterblasen. Daher ist ein ausgewogenes, differenziertes Vorgehen notwendig, das nicht nur die Verbreitung von Fake News eindämmt, sondern auch die gesellschaftliche Debatte über Wahrheit und Vertrauen in den digitalen Raum fördert.

Wie sollte der Laie auf die Urteile von Experten reagieren?

Es gibt eine grundlegende Frage, die sich bei der Interaktion zwischen Laien und Experten stellt: Wie soll der Laie rational auf das Urteil eines Experten reagieren, wenn er bereits eigene Überzeugungen und Beweise zu einem Thema hat? In vielen Fällen werden Laien mit den Urteilen von Experten konfrontiert, etwa bei medizinischen oder rechtlichen Themen, und müssen entscheiden, wie sie diese Informationen in ihre eigenen Überlegungen einfließen lassen. Die Frage, wie man als Laie auf das Urteil eines Experten reagiert, ist von entscheidender Bedeutung für die Frage nach der epistemischen Autorität und der Rolle von Experten in der Gesellschaft.

Zunächst einmal ist es wichtig, den Unterschied zwischen „Experte“ und „epistemischer Autorität“ zu verstehen. Ein Experte ist jemand, der in einem bestimmten Fachgebiet ein hohes Maß an Wissen und Fähigkeiten erworben hat und in der Lage ist, fundierte Urteile zu fällen. Eine epistemische Autorität hingegen ist jemand, dessen Urteil von anderen als besonders vertrauenswürdig anerkannt wird. Der Expertenstatus eines Individuums setzt nicht zwangsläufig voraus, dass dieses Individuum als Autorität anerkannt wird, während umgekehrt der Status einer epistemischen Autorität davon abhängt, dass ihre Urteile von anderen als glaubwürdig und zuverlässig angesehen werden.

Ein Laie, der einem Experten gegenübersteht, sollte seine eigene Haltung sorgfältig abwägen. Zwei extreme Antworten auf die Frage, wie der Laie auf das Urteil eines Experten reagieren sollte, erscheinen offensichtlich unangemessen. Die erste wäre ein blinder Glauben an den Experten, was eine rein passiv-empirische Haltung darstellt. In diesem Fall vertraut der Laie auf das Urteil des Experten, ohne eine eigene Bewertung vorzunehmen. Diese Haltung ist nicht rational, da sie keine Gründe oder Beweise berücksichtigt, die der Laie selbst in Bezug auf die betreffende Frage haben könnte.

Die andere extreme Antwort wäre, das Urteil des Experten lediglich als eine weitere Quelle von Argumenten und Daten zu betrachten, die der Laie dann selbst bewerten muss. Diese Sichtweise könnte man als „individualistische“ Position bezeichnen, die etwa von Philosophen wie Descartes oder Locke vertreten wurde. Hierbei wird das Urteil des Experten nicht als zusätzlicher Beweis gewertet, sondern lediglich als eine von vielen Quellen, die der Laie in seiner eigenen Überlegung berücksichtigt. Ein solcher Ansatz würde jedoch der Tatsache nicht gerecht werden, dass das Urteil eines Experten eine zusätzliche höhere Ebene von Beweisen für die betreffende Proposition darstellt.

Ein Laie, der das Urteil eines Experten für sich selbst bewertet, sollte anerkennen, dass dieses Urteil als zusätzliches Beweisstück anzusehen ist. Dies lässt sich leicht anhand des folgenden Arguments erklären: Wenn ein epistemischer Autoritätsperson glaubt, dass eine bestimmte Proposition wahr ist, und man davon ausgeht, dass die Urteile von Experten in ihrem Fachbereich in der Regel zuverlässig sind, dann kann das Urteil des Experten als Beweisstück betrachtet werden, das zur Gesamtabwägung des Beweises beiträgt. Auch wenn der Laie die Details des Fachgebiets nicht vollständig versteht, kann er das Urteil des Experten als eine zusätzliche Quelle von Beweisen berücksichtigen.

Es gibt verschiedene Modelle, wie man mit der Autorität eines Experten umgehen sollte. Ein gängiges Modell ist das sogenannte „Total Evidence View“ (TEV), das vorschlägt, alle verfügbaren Beweise zu berücksichtigen, einschließlich des Urteils des Experten, das als zusätzliche Gewichtung in der Abwägung einfließt. Diese Ansicht betont, dass das Urteil des Experten als ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtevidenz berücksichtigt werden sollte, jedoch nicht auf Kosten anderer relevanter Beweise. Ein weiteres Modell ist das „Preemption View“ (PV), das vorschlägt, dass das Urteil des Experten das eigene Urteil des Laien vollständig ersetzt. In diesem Fall würde der Laie seine eigenen Überlegungen und Beweise vollständig außer Acht lassen und sich ausschließlich auf das Urteil des Experten verlassen.

Das Preemption View wird von einigen Philosophen wie Raz und Zagzebski befürwortet, die argumentieren, dass es in bestimmten Fällen rationaler ist, das Urteil des Experten vollständig zu übernehmen und andere eigene Überlegungen zu ignorieren. Sie gehen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Experte richtig liegt, höher ist als die des Laien, und dass die rein instrumentelle Rationalität den Laien dazu drängt, sich vollständig dem Urteil der Autorität zu beugen. In diesem Fall würde das Urteil des Experten die eigene Überlegung ersetzen, da es als die zuverlässigere Quelle angesehen wird.

Ein weiterer Aspekt, der in der Diskussion berücksichtigt werden sollte, ist die „Track Record“-Argumentation. Hierbei geht es darum, dass, wenn man einem Experten vertraut, man seine Entscheidung auf der Basis seiner bisherigen Erfolgsbilanz trifft. Das bedeutet, dass man dem Experten nicht nur für eine spezifische Frage vertraut, sondern auch auf die allgemeine Zuverlässigkeit seiner Urteile vertraut. In der Praxis bedeutet dies, dass der Laie bereit sein sollte, das Urteil eines Experten in einem bestimmten Fall über sein eigenes Urteil zu stellen, insbesondere wenn der Experte in der Vergangenheit zuverlässig war.

Für den Laien ist es also von entscheidender Bedeutung, den Experten und seine Rolle als epistemische Autorität richtig zu verstehen. Die Fähigkeit, die Qualität und den Wert von Expertenmeinungen angemessen zu bewerten, ist nicht nur eine Frage der rationalen Reaktion, sondern auch eine Frage der praktischen Entscheidung. Wenn der Laie mit einem Experten konfrontiert wird, sollte er nicht nur blind vertrauen, aber auch nicht das Urteil des Experten völlig ablehnen. Vielmehr sollte er eine fundierte Entscheidung darüber treffen, inwieweit das Urteil des Experten in die eigene Überzeugung integriert werden sollte.

Wie Fake News unsere Epistemische Praxis Verzerren: Die Rolle von Fehlinformationen und Manipulation

In der heutigen Informationsgesellschaft hat sich die Dynamik der Verbreitung von Wissen und die Art und Weise, wie wir Informationen verarbeiten, dramatisch verändert. Besonders das Phänomen der Fake News spielt eine zentrale Rolle bei der Verzerrung unserer epistemischen Praktiken und der Förderung normativer Abweichungen in der Wahrnehmung von Wissenschaft. Fake News, die als eine Form der Fehlinformation und Täuschung fungieren, nutzen rationale Prozesse, um den Anschein von Wahrhaftigkeit zu erzeugen, und verstärken so die Ablehnung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Dies führt zu einem Post-Enquiry-Wissenschafts-Skeptizismus, bei dem institutionelle Quellen entwertet und pseudowissenschaftliche Erklärungen verstärkt werden.

In einem herausragenden Kapitel argumentiert Thomas Grundmann, dass selbst respektable Aufklärungsprinzipien dazu führen können, dass wir in die Irre geführt werden. Zwei dieser Prinzipien, die bedingungslose Anwendung kritischen Denkens und die Anerkennung des rationalen Urteils jedes rationalen Agenten als epistemisch richtig, müssten, so Grundmann, qualifiziert werden, wenn Expertenwissen zur Verfügung steht. Experten, so seine These, sind in ihren Fachgebieten weitaus wahrscheinlicher richtig als Laien. Die Probleme des Post-Truth-Zeitalters, so Grundmann, wurzeln in schlechten epistemischen Standards, die durch die Aufklärung vermittelt wurden, und fördern somit Verschwörungstheorien und den Glauben an Fake News. Der Ursprung vieler epistemischer Missstände liege weniger in den individuellen Fähigkeiten zur Erkennung von Fake News, sondern vielmehr in der mangelnden Bereitschaft, Expertenmeinungen zu vertrauen.

Catarina Dutilh Novaes und Jeroen de Ridder setzen sich mit der Frage auseinander, ob Fake News tatsächlich ein neues Phänomen sind. Sie argumentieren, dass diese Fehlinformationen in ihrer Grundstruktur nicht neu sind, sondern dass sich die Art und Weise ihrer Verbreitung und Mechanismen durch das Internet verändert hat. Historisch gesehen lassen sich drei Modelle der Informationsmanipulation unterscheiden: Modell A, in dem die epistemische Autonomie weitgehend intakt bleibt, da verschiedene Stimmen nicht zum Schweigen gebracht werden; Modell B, in dem Propaganda und Zensur die epistemische Autonomie untergraben, indem Stimmen eliminiert werden; und Modell C, in dem Desinformation durch epistemische Verschmutzung verbreitet wird, wobei die Betrachter glauben, epistemisch autonom zu handeln, obwohl sie manipuliert werden. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die heutigen Fake-News-Kampagnen zwar in ihrer Zielsetzung und ihren Taktiken nicht neu sind, aber durch moderne Algorithmen und Plattformen verstärkt werden.

Maura Priest betrachtet in ihrem Kapitel, wie Experten ihr eigenes Vertrauen untergraben haben. Sie identifiziert zwei Laster von Experten, die das Vertrauen in ihr Wissen untergraben: epistemische Insensibilität und epistemische Obstruktion. Ersteres bezieht sich auf die Unfähigkeit, die Umstände zu erkennen, die die Aufnahme von Wissen in einem bestimmten Kontext beeinflussen, während letzteres darin besteht, Wissen auf eine Weise zu präsentieren, die für ein Laienpublikum unzugänglich ist. Beide Verhaltensweisen können das Misstrauen gegenüber Experten fördern und somit den Nährboden für Fake News und Verschwörungstheorien schaffen.

In Bezug auf Echo-Kammern und die Rolle von sozialen Medien in der Verbreitung von Fake News stellt Jennifer Lackey fest, dass das eigentliche Problem nicht die Echo-Kammern an sich sind, sondern ihre Unzuverlässigkeit. Es sei weniger die Anzahl der Quellen oder die Diversität der Meinungen, die den Schaden verursachen, sondern die Qualität und Verlässlichkeit der Informationen. In einer Welt, in der Bots und gefälschte Nachrichten die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen, sei es besser, sich auf eine einzige zuverlässige Quelle zu stützen, als auf eine Vielzahl von widersprüchlichen und unzuverlässigen Berichten.

Emmanuel J. Genod und Erik J. Olsson untersuchen die Rolle von Algorithmen in der Verbreitung von Fake Science. Ihre Fallstudie zeigt, wie Google und Google Scholar revidierte wissenschaftliche Artikel in ihren Suchergebnissen weiterhin prominent anzeigen, was dazu führt, dass fehlerhafte und widerlegte wissenschaftliche Erkenntnisse immer noch weit verbreitet sind. Diese Verzerrung ist eine Konsequenz der Popularitätsrankings von Suchmaschinen, die revidierte Artikel aufgrund ihrer geringeren Aufmerksamkeit im Vergleich zum Originalartikel niedriger einstufen.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Verbreitung von Fake News nicht nur ein Problem der Fehlinformation ist, sondern auch die Art und Weise betrifft, wie Wissen produziert, verbreitet und aufgenommen wird. In der heutigen vernetzten Welt haben wir es mit einer Vielzahl von Mechanismen zu tun, die unsere epistemischen Prozesse untergraben, von manipulativen Algorithmen bis hin zu systematischem Expertenmisstrauen. Jeder von uns trägt Verantwortung für die Verbreitung von Informationen und muss sich der Risiken bewusst sein, die mit der Weitergabe von Fehlinformationen verbunden sind. Epistemische Integrität erfordert sowohl persönliche als auch kollektive Anstrengungen, um die Qualität und Verlässlichkeit der Informationen, die wir konsumieren und weitergeben, zu wahren.

Wie können Werte und epistemische Unsensibilität Misstrauen gegenüber Eliten hervorrufen?

Der Begriff „epistemische Unsensibilität“ beschreibt die Unfähigkeit oder das Versäumnis, die eigenen kognitiven Prozesse und die Wahrnehmung der Argumente anderer richtig zu lenken. Besonders im Kontext von Eliten und Experten ist diese Unsensibilität von Bedeutung, da sie zu einem Misstrauen und einer zunehmenden Polarisierung in der Gesellschaft führen kann. Wenn Experten oder hochgebildete Menschen Werte vertreten, die stark von denen der breiten Masse abweichen, kann dies von Nicht-Experten als Angriff auf ihre eigenen Werte wahrgenommen werden. Infolgedessen wird die Diskussion von emotional geladenen Themen überschattet, wodurch die Fähigkeit, zu einem klaren Verständnis der ursprünglichen Fragestellung zu gelangen, beeinträchtigt wird.

Menschen schützen ihre Werte häufig, indem sie andere wichtige Aspekte ihres Lebens, wie etwa wirtschaftliche Sicherheit, gegen diese Werte aufwiegen. In einer Gesellschaft, in der viele Menschen dazu neigen, ihre Überzeugungen zu verteidigen – bewusst oder unbewusst –, führt dies nicht selten dazu, dass wertvolle Diskussionen und der Austausch von Wissen erschwert werden. Ein konkretes Beispiel hierfür sind religiöse Überzeugungen: Eine Person, die fest an den Theismus glaubt, könnte sich in einer Diskussion über Evolutionstheorie defensiv verhalten und die Argumente ihres Gesprächspartners nur oberflächlich wahrnehmen, anstatt sich auf die wesentlichen Punkte zu konzentrieren.

Gerade in politischen Debatten, in denen konservative und liberale Perspektiven aufeinandertreffen, kann dieses Phänomen besonders auffällig werden. In solchen Gesprächen kann die Unsensibilität gegenüber den Werten des Gegenübers die Möglichkeit, konstruktive Lösungen zu finden, erheblich einschränken. Dies führt zu einer weiter fortschreitenden politischen Spaltung, bei der die Bereitschaft, alternative Perspektiven zu betrachten, sinkt. Wenn ein Gesprächsteilnehmer das Gefühl hat, dass seine Werte nicht respektiert oder angegriffen werden, kann dies dazu führen, dass er sich stärker auf die eigenen Überzeugungen zurückzieht und weniger offen für neue Ideen wird. Die Folge ist, dass sich Menschen zunehmend in ideologisch homogenen sozialen Kreisen bewegen, in denen nur noch Bestätigung ihrer eigenen Weltanschauung erfolgt.

Das Besondere an der epistemischen Unsensibilität von Experten liegt in ihrer sozialen Stellung und ihrem Einfluss. Auch wenn Experten diese Unsensibilität in geringerem Maße zeigen als andere Bevölkerungsgruppen, kann ihr Verhalten aufgrund ihrer Stellung größere Auswirkungen haben. Ein Journalist oder ein Akademiker, der wichtige Themen schlecht behandelt oder die Werte anderer nicht respektiert, hat aufgrund seiner Reichweite und seines Einflusses das Potenzial, größere gesellschaftliche Probleme zu verschärfen, etwa politische Polarisierung oder das Vertrauen in die Institutionen der Gesellschaft. Dieses Problem wird noch verstärkt, wenn Experten nicht erkennen, dass ihre Gesprächspartner sich aus der Diskussion zurückziehen, um ihre Werte zu verteidigen. Ein epistemisch empfindlicher Gesprächspartner würde das erkennen und versuchen, das Gespräch wieder auf die Sachfragen zu lenken.

Die gesellschaftliche Relevanz dieses Phänomens ist enorm, da Experten in der Lage sind, den öffentlichen Diskurs zu prägen und das Verhalten von Gesellschaften zu beeinflussen. Gerade in Zeiten politischer Spannungen oder gesellschaftlicher Umwälzungen ist es von entscheidender Bedeutung, dass solche Fachleute ihre epistemische Sensibilität bewahren. Wenn Experten sich nicht mehr auf die inhaltliche Diskussion konzentrieren und stattdessen versuchen, ihre eigenen Werte durchzusetzen oder zu verteidigen, verschärfen sie die politische und gesellschaftliche Spaltung.

Ein weiteres wichtiges Element in diesem Zusammenhang ist die Wahrnehmung von Experten durch die breite Masse. Wenn Experten als abgehoben oder wenig empathisch gegenüber den alltäglichen Sorgen der Menschen wahrgenommen werden, führt dies zu einer Entfremdung und einem Vertrauensverlust. Diese Entfremdung kann dazu führen, dass Experten zunehmend in ihrer eigenen „Blase“ verbleiben und die Bedürfnisse und Überzeugungen der breiten Bevölkerung nicht mehr adäquat berücksichtigen. Ein Expertenstatus allein macht noch keinen guten Kommunikator. Vielmehr erfordert der Dialog mit der Gesellschaft eine hohe Sensibilität für die kulturellen und politischen Werte der jeweiligen Gesprächspartner.

Die Herausforderung für Experten und Eliten besteht also darin, eine Balance zu finden zwischen der Präsentation von Fakten und der Wahrung eines respektvollen Dialogs, der die Werte der anderen nicht unbewusst oder absichtlich verletzt. In einer pluralistischen Gesellschaft ist es entscheidend, dass alle Perspektiven gehört werden und dass der Dialog auf Augenhöhe stattfindet, um Missverständnisse zu vermeiden und Vertrauen zu fördern. Um die gesellschaftliche Polarisierung zu überwinden, ist es notwendig, dass Experten ihre epistemische Verantwortung erkennen und ihre Kommunikationsfähigkeiten gezielt weiterentwickeln, um den Austausch zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zu fördern.