Die Untersuchung von Oligopolverhalten, insbesondere das Bertrand-Modell, in realen Märkten ist ein komplexer, aber unverzichtbarer Bestandteil der wirtschaftlichen Analyse. Carvajal et al. (2014) bieten eine detaillierte Methodologie zur Identifizierung von Bertrand-Rationalisierbarkeit anhand von realen Marktdaten. Diese Tests beruhen auf einer Reihe von Annahmen und Bedingungen, die es ermöglichen, zu überprüfen, ob das beobachtete Verhalten von Unternehmen mit den Erwartungen des Bertrand-Oligopolmodells übereinstimmt.

Ein zentraler Bestandteil dieses Tests ist die sogenannte Nachfragereaktion auf Preisänderungen. Um das Verhalten von Unternehmen in einem Bertrand-Wettbewerb zu analysieren, wird die Elastizität der Nachfrage für jedes Produkt j gegenüber Preisänderungen gemessen, was durch den Parameter ϵit(pj,pj)\epsilon_{it}(p_j, p_{ -j}) dargestellt wird. Dieser Parameter gibt an, wie sich die Nachfrage nach einem Gut verändert, wenn der Preis dieses Gutes infinitesimal erhöht wird, während die Preise der anderen Güter konstant bleiben. Eine wichtige Annahme in der Untersuchung ist, dass diese Elastizität für jedes Unternehmen in einem gegebenen Marktzeitpunkt nicht nur nicht abnimmt, wenn der Preis des Produkts steigt, sondern auch nicht zunimmt, wenn die Preise der konkurrierenden Unternehmen steigen.

Die Bedingungen, die in der Arbeit von Carvajal et al. formuliert werden, beinhalten die Annahme, dass diese Elastizität nicht nur in Bezug auf den eigenen Preis eines Unternehmens nicht sinkt, sondern auch in Bezug auf die Preise der Wettbewerber nicht steigt. Diese Annahmen sind entscheidend, da sie die Grundlage dafür bilden, dass Unternehmen innerhalb eines Oligopols miteinander konkurrieren, ohne durch unkoordinierte Preisanpassungen den Markt zu destabilisieren.

Ein weiteres wichtiges Konzept, das Carvajal et al. (2014) einführen, ist das Prinzip der gemeinsamen Nachfrageschocks. Um zu verhindern, dass unvorhersehbare externe Einflüsse die Analyse verzerren, postulieren sie, dass alle Unternehmen im selben Sektor denselben Nachfrageschock erfahren. Das bedeutet, dass Preisschwankungen und Veränderungen in der Nachfrage nicht zufällig und unabhängig für jedes Unternehmen sind. Stattdessen erleben alle Unternehmen eines Sektors zu einem gegebenen Zeitpunkt eine ähnliche Veränderung in der Marktnachfrage. Diese Annahme, dass Nachfrageschocks ko-evolutionär sind, ist besonders wichtig, um die Möglichkeit von idiosynkratischen Schocks zu eliminieren, die das Verhalten einzelner Unternehmen im Oligopol unabhängig voneinander beeinflussen könnten.

Ein weiteres bemerkenswertes Konzept in Carvajal et al. (2014) ist die Definition des Begriffs "Bertrand-Rationalisierbarkeit". Eine Datenreihe wird als Bertrand-rationalisierbar angesehen, wenn die beobachteten Preissetzungen und Produktionsmengen der Unternehmen durch ein Bertrand-Nash-Gleichgewicht erklärbar sind. Dies setzt voraus, dass jedes Unternehmen eine bestimmte, ansteigende und konvexe Kostenfunktion hat und dass es sich bei den Beobachtungen um Preise und Mengen handelt, die im Rahmen eines Bertrand-Wettbewerbs optimiert wurden. Solche Modelle ermöglichen es, den Wettbewerb zu analysieren, indem sie die Annahme der vollständigen Rationalität und der Gewinnmaximierung der Unternehmen berücksichtigen.

Für die praktische Anwendung dieser theoretischen Konzepte stellen Carvajal et al. (2014) einen empirischen Test zur Verfügung, der überprüft, ob ein gegebenes Datenset den Anforderungen eines Bertrand-Wettbewerbs entspricht. Dieser Test basiert auf linearen Programmierungsmodellen, bei denen verschiedene Parameter, wie zum Beispiel die Nachfrageelastizitäten und Kostenfunktionen der Unternehmen, optimiert werden. Eine der Herausforderungen, die sich bei der Anwendung dieses Tests ergibt, ist, dass er durch die Annahme der gemeinsamen Nachfrageschocks und der stationären Kostenfunktionen der Unternehmen relativ rechenintensiv ist.

Ein interessanter Aspekt dieser Methodologie ist, dass sie eine sehr geringe Anzahl an Modellannahmen voraussetzt, was bedeutet, dass sie in verschiedenen empirischen Kontexten angewendet werden kann, um oligopolistisches Verhalten zu erkennen, ohne auf detaillierte Marktmodelle angewiesen zu sein. In den meisten Fällen ermöglicht diese Herangehensweise eine relativ einfache, aber sehr effektive Analyse des Wettbewerbsverhaltens, selbst bei unvollständigen oder begrenzten Daten. Ein praktischer Vorteil dieser Tests liegt darin, dass sie die Datenanalyse relativ flexibel gestalten und den Forschungern die Möglichkeit geben, verschiedene empirische Szenarien zu untersuchen, um oligopolistisches Verhalten zu bestätigen oder zu widerlegen.

Wichtig ist dabei jedoch, dass diese Tests auf einer Reihe grundlegender Annahmen beruhen, die nicht immer in allen realen Marktbedingungen zutreffen. Insbesondere die Annahme der konstanten Kostenfunktionen und der ko-evolutionären Nachfrageschocks kann in vielen Märkten schwer zu validieren sein. In der Praxis muss daher oft auf alternative Datensätze oder alternative Annahmen zurückgegriffen werden, um den Test anzupassen oder anzuwenden.

Um die Genauigkeit der Analyse zu verbessern, könnte es sinnvoll sein, die Tests auf kürzere Zeiträume zu beschränken, um die Auswirkungen von langzeitigen idiosynkratischen Änderungen zu vermeiden. Wenn die Zeiträume kürzer sind, können die Testergebnisse klarer und direkter auf den spezifischen Wettbewerb innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens angewendet werden, ohne dass externe langfristige Faktoren das Ergebnis verzerren.

Wie der Veto-Mechanismus in replizierten Ökonomien funktioniert: Die Hervés-Estévez und Moreno-Garćıa Verfeinerung

Der Veto-Mechanismus in der theoretischen Ökonomie dient der Erklärung von Objektionen gegen bestimmte Allokationen von Ressourcen innerhalb einer Volkswirtschaft. Insbesondere in replizierten Ökonomien wird durch die Verfeinerung des Konzepts der „Gegenobjektion“ und die präzise Bestimmung dessen, was es bedeutet, dass eine Objektion „gerechtfertigt“ ist, ein tieferes Verständnis von Konsens- und Konfliktmechanismen in Märkten und Allokationsprozessen erreicht. Hervés-Estévez und Moreno-Garćıa (2018) bieten einen differenzierten Ansatz, der es ermöglicht, die Komplexität von Verhandlungen und Allokationen in replizierten Wirtschaften zu erfassen.

Die grundlegende Annahme in diesem Modell ist, dass jeder Agent einer endlichen Wirtschaft als Vertreter einer großen Anzahl identischer Individuen agiert. Das bedeutet, dass eine typische Koalition S* aus einer Vielzahl von Mitgliedern besteht, die identisch zu den Agenten i in einer nicht-leeren Menge S ⊆ {1, ..., I} sind. Dies ermöglicht eine detaillierte Modellierung der Verhandlungen, in denen nicht nur individuelle Präferenzen, sondern auch die kollektive Macht einer Gruppe von Agenten berücksichtigt wird.

In ihrer Definition der „Gegenobjektion“ gehen Hervés-Estévez und Moreno-Garćıa davon aus, dass für jede Objektion (S, y) gegen eine Allokation x in einer Wirtschaft E ein bestimmtes T* existieren muss, welches eine Koalition von Agenten darstellt, die in der replizierten Wirtschaft Er ihre eigene Version der Allokation durchsetzen können. Diese Gegenobjektion erfordert, dass für jedes Mitglied der Koalition T eine Allokation x′ existiert, die sowohl die individuelle Wohlfahrt der Mitglieder nicht verschlechtert als auch den Wohlstand einiger Mitglieder strikt verbessert.

Die Notwendigkeit, dass eine Objektion in der replizierten Wirtschaft „nicht widerlegt“ werden kann, führt zu der Konzeptualisierung einer gerechtfertigten Objektion. Eine Objektion ist gerechtfertigt, wenn es keine Möglichkeit gibt, sie durch eine Gegenobjektion in einer der Replikationen der Wirtschaft zu widerlegen. Das führt direkt zu der Definition des Hervés-Estévez–Moreno-Garćıa Verhandlungssets BHEMG(E), in dem alle allokativen Vorschläge enthalten sind, die keine gerechtfertigten Objektionen aufweisen. Dieses Verhandlungsset stellt somit eine wichtige Grundlage für die Bestimmung von Verhandlungslösungen in einer Wirtschaft dar.

Ein bemerkenswerter Punkt in der Analyse von Hervés-Estévez und Moreno-Garćıa (2018) ist die Feststellung, dass unter bestimmten Bedingungen das Verhandlungsset BHEMG(E) im Fall einer endlichen Wirtschaft zu den Walras’schen Allokationen konvergiert. Dies zeigt, dass, obwohl die Hervés-Estévez–Moreno-Garćıa-Konstruktion ein detailliertes und verfeinertes Modell der Allokationsverhandlungen darstellt, es dennoch in der Lage ist, die klassische Walras’sche Gleichgewichtstheorie zu integrieren, wenn die grundlegenden Bedingungen der Wirtschaft erfüllt sind.

Wichtiger noch ist die Rolle der „Begründung“ und der „Gegenseite“ in diesen Verhandlungen. Die Gegenobjektion, als ein zentrales Element, verhindert, dass eine einzelne Koalition willkürliche Objektionen durchsetzen kann, ohne die Wohlfahrtswirkungen für alle beteiligten Agenten zu berücksichtigen. Dies führt zu einer balancierten Perspektive, in der die Interessen der Agenten auf faire Weise berücksichtigt werden. Bei dieser Analyse wird auch klar, dass nicht nur die Ausgangsallokationen, sondern auch der Prozess der Aushandlung und die Mechanismen der gegenseitigen Zustimmung und Ablehnung von zentraler Bedeutung für die Bestimmung von effizienten und stabilen Lösungen in der Wirtschaft sind.

In der praktischen Anwendung dieses Modells könnte man feststellen, dass in realen Märkten, in denen der Wettbewerb nicht vollkommen ist, das Walras’sche Gleichgewicht als eine idealisierte Referenz bleibt, die in vielen realen Szenarien nicht vollständig erreicht wird. In diesem Zusammenhang bieten die Hervés-Estévez–Moreno-Garćıa-Verfeinerungen wertvolle Einsichten darüber, wie unterschiedliche Akteure und Koalitionen in Märkten reagieren könnten, wenn sie in der Lage sind, Objektionen zu erheben und Gegenobjektionen zu formulieren.

Es ist auch entscheidend zu verstehen, dass die Funktionsweise des Verhandlungssets in replizierten Ökonomien nicht nur als theoretisches Modell zu sehen ist, sondern als ein Werkzeug, um die dynamische Natur von Marktwettbewerb und Allokationsmechanismen in verschiedenen wirtschaftlichen Kontexten zu verstehen. In einer realen Wirtschaft können solche Mechanismen in verschiedenen Formen auftreten, sei es in Form von kartellartigen Strukturen, monopolistischen Praktiken oder oligopolistischen Wettbewerbsformen. Die Fähigkeit, diese Mechanismen zu modellieren und ihre Auswirkungen auf die Marktallokation zu analysieren, trägt zur Entwicklung eines tieferen Verständnisses der Marktstruktur und ihrer Effizienz bei.

Der Übergang von einer „reinen“ Walras’schen Theorie zu einer umfassenderen Betrachtung von Imperfektem Wettbewerb und Verhandlungsmechanismen in Ökonomien hilft nicht nur dabei, die theoretischen Grundlagen der Wirtschaft zu erweitern, sondern auch, praktikable Konzepte zu entwickeln, die in der tatsächlichen Marktanalyse und Politikgestaltung anwendbar sind. Hierzu gehört die Frage, wie Verhandlungsprozesse und kooperative oder konflikthafte Interaktionen von Agenten auf den Märkten in unterschiedlichen Wirtschaftssystemen berücksichtigt werden können.