Wir müssen mit anderen Menschen kommunizieren, um Probleme zu erkennen und mögliche Lösungen zu erörtern. Dabei ist es unerlässlich, Argumente auszutauschen – idealerweise unter der Annahme, dass das, was wir als wahr erkennen, tatsächlich der Wahrheit entspricht. Dieses Vertrauen in die Richtigkeit unserer Wahrnehmungen und Überzeugungen ist grundlegend für das Treffen richtiger Entscheidungen oder für das Eintreten für den bestmöglichen Handlungsweg. Doch die Welt, wie sie ist, bleibt uns verborgen; wir nehmen sie nur durch unsere Sinne wahr, welche als Vermittler zwischen uns und der Realität fungieren. Ein unabhängiges Verifizieren unserer Sinneseindrücke ist unmöglich, denn jegliche Überprüfung müsste wiederum über dieselben Sinne erfolgen. Somit sind wir gezwungen, diesen potenziell trügerischen Sinneseindrücken zu vertrauen.

Zudem gibt es einen großen Teil der Welt, den wir niemals persönlich erleben werden. Selbst Menschen, die viel gereist sind oder mehrere Sprachen sprechen, sehen nur einen winzigen Ausschnitt der Realität. Deshalb sind wir darauf angewiesen, den Berichten anderer zu vertrauen – sei es über Fernsehen, Internet oder andere Medien. Hier tritt das Konzept der Objektivität in den Vordergrund, welches philosophisch als die Fähigkeit verstanden wird, die Welt so zu beschreiben, wie sie ist, und nicht nur so, wie wir sie wahrnehmen. Objektivität ist demnach gegeben, wenn eine Beobachtung unabhängig von der Person, die sie macht, wahr bleibt. Diese Forderung ist jedoch paradox: Wir versuchen, die Begrenzungen unserer Sinne durch den Einsatz eben jener Sinne zu überwinden.

Im Journalismus wird Objektivität etwas anders interpretiert. Sie dient dazu, die persönliche Perspektive der Journalist:innen auf das Geschehen zu kompensieren. Journalisten treffen permanent Entscheidungen darüber, was als berichtenswert gilt und wie Ereignisse dargestellt werden – beeinflusst von ihrem persönlichen und professionellen Hintergrund sowie von sozialen und wirtschaftlichen Zwängen der Medienbranche. Die heutige Vorstellung von journalistischer Objektivität hat sich im englischsprachigen Raum im 19. und 20. Jahrhundert herausgebildet und ist nicht universell gültig. Verschiedene journalistische Traditionen setzen unterschiedliche Prioritäten und Praktiken, weshalb Skepsis gegenüber journalistischer Berichterstattung auch historisch nachvollziehbar ist.

Die Entwicklung dieser Objektivitätsvorstellungen hängt eng mit technologischen und ökonomischen Veränderungen zusammen. Neue Techniken wie der Telegraph ermöglichten es Journalist:innen, über weit entfernte Ereignisse zu berichten, ohne selbst vor Ort sein zu müssen. Die Einführung neuer journalistischer Praktiken, etwa der Interviewtechnik, förderte die faktenzentrierte Berichterstattung. Ein entscheidender Wandel erfolgte durch die Finanzierung der Zeitungen: Vor den 1830er Jahren waren viele Medien politisch gebunden, später wurden sie zunehmend unabhängig durch Werbeeinnahmen. Um eine möglichst breite Leserschaft anzusprechen und nicht zu polarisieren, übernahmen Journalisten eine neutrale, parteiunabhängige Haltung. Objektivität wurde so gleichbedeutend mit politischer Neutralität.

Die konkrete Umsetzung dieses Objektivitätsprinzips ist ebenfalls durch gesellschaftliche Faktoren geprägt. Untersuchungen aus den 1970er Jahren zeigen, dass Journalist:innen Objektivität auch als Risikoabsicherung nutzen, um juristischen Konsequenzen zu entgehen. Sie präsentieren mehrere Seiten eines Streits, untermauern Aussagen mit Belegen und setzen Zitate strategisch ein, um kontroverse Positionen nicht selbst zu vertreten. Diese Vorgehensweisen führten zu der heute bekannten Struktur der Nachrichten – mit den wichtigsten Fakten zuerst, einer sogenannten „umgekehrten Pyramide“.

Vor dem Hintergrund dieser historischen und philosophischen Reflexionen wird verständlich, warum viele Menschen Journalist:innen und deren Berichterstattung skeptisch gegenüberstehen. Objektivität als philosophisches Ideal bleibt unerreichbar, und die journalistische Objektivität ist ein pragmatisches Konstrukt, das durch wirtschaftliche, technologische und gesellschaftliche Zwänge bedingt ist. Daraus folgt, dass der kritische Umgang mit Nachrichten und Quellen für den Leser unerlässlich ist. Nur durch reflektiertes Hinterfragen und Einbeziehung verschiedener Perspektiven kann man ein möglichst umfassendes und differenziertes Bild der Wirklichkeit erlangen.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass unsere Wahrnehmung nicht nur durch sinnliche Beschränkungen limitiert ist, sondern auch durch kulturelle, sprachliche und ideologische Rahmenbedingungen geprägt wird. Diese beeinflussen, wie wir Informationen verarbeiten und bewerten. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion, zum Erkennen eigener Vorurteile und zur Offenheit gegenüber unterschiedlichen Sichtweisen ist daher ebenso wichtig wie das Verständnis der historischen und praktischen Grundlagen journalistischer Objektivität. Nur so lässt sich in einer komplexen, von Informationsüberfluss und Polarisierung geprägten Welt Orientierung finden.

Wie entsteht die Massen-Infantilisierung im Kino – und was bedeutet sie für unsere Handlungsmacht?

Es gibt kaum ein eindringlicheres Bild für die Selbstwahrnehmung Hollywoods als jenes des grotesken Man-Babys mit bleichem, aufgedunsenem Körper, Fünf-Uhr-Schatten und gellender Stimme. Dieses Bild dient nicht nur der Satire – es hält dem Publikum einen erbarmungslosen Spiegel vor. Der infantilisierte Körper steht sinnbildlich für eine Industrie, die systematisch das Publikum in ein kindliches Verhältnis zur Welt zwingt. Die Forderungen eines Kindes sind unermüdlich, aber zugleich leicht zu befriedigen. Genau diese Mischung aus Appetit und Fügsamkeit macht das Kind zum idealen Kinobesucher – hungrig nach Geschichten, aber bereit, jede Erzählung passiv zu akzeptieren.

Doch Kinder sind begrenzt – demografisch, ökonomisch, aufmerksamkeitspsychologisch. Um ihren Markt zu erhalten und zu erweitern, produziert Hollywood also neue Kinder – nicht biologisch, sondern kulturell. Mit methodischer Akribie betreibt die Filmindustrie eine Masseninfantilisierung, eine Regressionsstrategie, die erwachsene Zuschauer in einen Zustand der emotionalen, kognitiven und ästhetischen Kindlichkeit versetzt. Diese Entwicklung ist nicht bloß Ausdruck kulturellen Verfalls, sondern ein gezieltes Dispositiv zur Steuerung der Rezeption.

Doch dieser Vorwurf – so berechtigt er sein mag – darf nicht isoliert bleiben. Die Kulturwissenschaften haben in den letzten Jahrzehnten immer wieder betont, dass Rezipienten keine willenlosen Gefäße sind. Medien „füllen“ uns nicht einfach mit Inhalten; wir sind aktive Leser, die mit individuellen und kollektiven Erfahrungen an Texte herantreten. Unsere Deutungen entstehen in einem Spannungsverhältnis zwischen persönlicher Biografie und struktureller Verortung – Klasse, Geschlecht, Ethnizität, politischer Kontext.

Diese Spannung bedeutet nicht, dass wir automatisch resistent sind gegenüber Manipulation. Werbung funktioniert, Fake News funktionieren, populistische Rhetorik funktioniert – weil sie Bedürfnisse anspricht, Unsicherheiten nutzt, Identität verspricht. Wir neigen dazu, Meinungen zu meiden, die unsere eigenen infrage stellen. Wir sind nicht unbesiegbar, aber auch nicht verloren. Die entscheidende Kategorie ist Agency – unsere Handlungsmacht, unser Möglichkeitsraum zur aktiven Aneignung, Umdeutung oder Ablehnung.

Diese Agency ist keine gegebene Konstante, sondern ein Potenzial, das gepflegt, geschult und verteidigt werden muss. Intellektuelles Arbeiten – sei es in Seminaren oder in öffentlichen Diskursen – ist eine Form des Widerstands gegen Vereinnahmung. Pierre Bourdieu formulierte es prägnant: Der intellektuelle Diskurs bleibt eine der authentischsten Formen der Resistenz gegen Manipulation und ein vitaler Ausdruck geistiger Freiheit.

Hier setzt auch die Aufgabe von Kultur- und Übersetzungswissenschaften an – Felder, die oft aneinander vorbeisprechen, obwohl sie sich mit denselben Phänomenen befassen. Während Übersetzungswissenschaftlerinnen die ideologischen und soziokulturellen Kontexte beleuchten, in denen Übersetzungen entstehen, fokussieren Kulturwissenschaftlerinnen auf die rezeptive Ebene und die komplexen Dynamiken der Bedeutungskonstruktion. Die Disziplinen operieren als relativ geschlossene Systeme, stabilisiert durch institutionelle Praktiken wie Konferenzen, Zeitschriften und akademische Netzwerke. Ihre Trennung ist jedoch kein Naturgesetz. Austausch ist möglich – und notwendig.

Eine Theorie der kulturellen Übersetzung, die diese Felder verbindet, könnte zu einem tieferen Verständnis der medialen Zirkulation beitragen. Sie müsste anerkennen, dass Bedeutung nicht nur übersetzt, sondern kulturell verhandelt wird – und dass Rezeption kein bloß passiver Akt, sondern ein Ort der Auseinandersetzung ist. Solche Theoriearbeit beginnt im Seminarraum, in der Lektüre, im Streit über Begriffe. Sie verlangt Sorgfalt, Geduld, Genauigkeit – Tugenden, die der infantile Modus des Kinokonsums systematisch untergräbt.

Das bedeutet nicht, dass Unterhaltung an sich problematisch ist. Aber ein kulturelles Klima, das Differenz, Ambiguität und Komplexität vermeidet, schwächt auf lange Sicht die demokratische Urteilskraft. Wenn Kultur nur noch konsumiert und nicht mehr verstanden, diskutiert oder angeeignet wird, reduziert sich das Subjekt auf einen algorithmisch berechneten Zielkunden. Widerstand dagegen beginnt im Denken – und das Denken muss gelernt, geübt und kollektiv geschützt werden.

Wichtig ist daher auch, den Begriff der Infantilität nicht moralisch zu verstehen, sondern strukturell. Die Frage ist nicht, ob ein Film „kindisch“ ist, sondern ob er Strukturen schafft, die kritische Reflexion erschweren oder verunmöglichen. Infantilität ist dann kein persönlicher Makel, sondern ein Symptom kultureller Produktionsverhältnisse. Wer also über Medien spricht, muss auch über Macht sprechen – über die Macht, Bedeutungen zu setzen, über den Zugang zu Diskursen, über die Bedingungen, unter denen Rezipient*innen zu Subjekten werden.

Die Überschneidung von Kultur- und Übersetzungswissenschaft eröffnet hier ein