Das Verhältnis zwischen dem Alt-Right und dem Christentum in den Vereinigten Staaten ist komplex und facettenreich. Ein zentrales Anliegen dieses Buches ist es, zu zeigen, wie sich diese Beziehung im Verlauf der letzten Jahrzehnte entwickelt hat. Das Alt-Right, das zu Beginn des 21. Jahrhunderts als eine Bewegung innerhalb der weißen Nationalisten-Szene der USA entstand, hat ein ambivalentes und oft widersprüchliches Verhältnis zu religiösen Fragen, besonders zur christlichen Lehre. Dieser Zusammenhang wird im Kontext der politischen Landschaft Amerikas immer wieder auf neue Weise ausgehandelt.

Ein entscheidender Punkt in der Entwicklung des Alt-Right ist die widersprüchliche Haltung zur Religion. Viele der führenden Vertreter dieser Bewegung sind entweder atheistisch oder agnostisch und lehnen das moderne Christentum ab. Gleichzeitig gibt es innerhalb der Alt-Right auch eine Strömung, die sich eine „traditionelle“ Form des Christentums wünscht, die häufig als eine Art idealisierte Vision von Christentum in einem pan-europäischen Kontext verstanden wird. Diese Vorstellung von Christentum als kulturelles Erbe von Europa kann als eine der paradoxen Komponenten innerhalb des Alt-Right beschrieben werden. Es gibt jedoch auch Gruppen, die das Christentum als das Fundament ihrer politischen und sozialen Ziele betrachten, was eine weitere Nuance in der Debatte darstellt.

Besonders interessant wird die Debatte, wenn man den Einfluss des Christentums auf frühere amerikanische weiße Nationalisten berücksichtigt. In der Vergangenheit war das Christentum für viele weiße Nationalisten ein Problem, da sie es entweder als zu „jüdisch“ empfanden oder als eine fremde Ideologie, die die „rassischen Instinkte“ der Europäer schwächte. Trotz dieser Haltung blieb das Christentum für viele weiße Konservative eine wichtige politische Kraft, was die Verbindungen zwischen Alt-Right und christlichen Gruppen erklärt. Diese Spannungen und Dissonanzen, die bei früheren weißen Nationalisten in Bezug auf die Religion zu beobachten waren, lassen sich auch in der Alt-Right-Bewegung finden, die sich nicht nur durch eine politische Agenda, sondern auch durch eine ideologische Haltung zum Christentum definiert.

Ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Phänomens ist die Reaktion amerikanischer Christen auf die öffentliche Wahrnehmung des Alt-Right, insbesondere nach dem Aufkommen der Bewegung im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2016 und den anschließenden Ereignissen wie der „Unite the Right“-Rallye in Charlottesville 2017. Die Reaktionen darauf waren vielfältig und beeinflussten viele christliche Institutionen in den USA tiefgehend. Während progressive evangelikale Protestanten das Alt-Right als eine weitere Form des weißen Nationalismus und der Rassendiskriminierung betrachteten, befanden sich konservative christliche Organisationen wie die Southern Baptist Convention bereits in einer schwierigen Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Geschichte der Unterstützung der Sklaverei und ihrer Rolle in der Rassentrennung. In diesem Zusammenhang trugen die Ereignisse rund um das Alt-Right zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit Rassismus und sozialen Spannungen innerhalb vieler amerikanischer Kirchen bei.

Die katholische Kirche und die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (LDS) stellten sich ebenfalls öffentlich gegen die Alt-Right-Bewegung und distanzierten sich von rassistischen Ideologien. Doch auch in diesen Institutionen gab es Debatten über die Auswirkungen des Alt-Right auf die sozialen und moralischen Lehren der Kirchen, insbesondere im Hinblick auf die Akzeptanz von LGBTQ+-Rechten und die Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen. Innerhalb der katholischen Kirche entwickelte sich beispielsweise eine Diskussion über die Entstehung eines „katholischen Alt-Right“, das in seiner Ablehnung von sozialen Veränderungen und seiner Betonung traditioneller religiöser Werte seine politische und kulturelle Identität zu finden versuchte. Dieser Teil der Debatte war nicht nur für die katholische Kirche wichtig, sondern auch für viele andere religiöse Gruppen, die sich mit der Frage auseinandersetzten, wie weit sie den progressiven gesellschaftlichen Veränderungen folgen sollten und inwieweit diese Veränderungen mit ihren traditionellen Lehren vereinbar waren.

Das Verhältnis zwischen Christentum und Alt-Right wird besonders dann deutlich, wenn man die innerkirchlichen Spannungen betrachtet, die durch den Einfluss der politischen und sozialen Bewegungen hervorgerufen wurden. In einigen Fällen führte dies zu einer zunehmenden Spaltung innerhalb der Kirchen, während in anderen Fällen konservative religiöse Gruppen das Gefühl hatten, ihre traditionellen Werte und Ansichten gegen eine zunehmend säkularisierte Gesellschaft verteidigen zu müssen.

Das Verständnis dieser dynamischen und oft widersprüchlichen Beziehung zwischen dem Alt-Right und dem Christentum ist entscheidend, um die politischen und sozialen Kräfte zu begreifen, die heute sowohl in den USA als auch in anderen westlichen Ländern aktiv sind. Es wird immer deutlicher, dass die Auseinandersetzungen über religiöse Identität und politische Zugehörigkeit im Kontext der Alt-Right-Bewegung eine bedeutende Rolle in der aktuellen politischen Landschaft spielen.

Wie sich der evangelikale Protestantismus in den USA mit der Alt-Right-Bewegung verbindet: Eine Analyse der politischen und religiösen Verflechtungen

Die Beziehung zwischen evangelikalem Protestantismus und der Alt-Right-Bewegung in den USA ist komplex und von einer Vielzahl historischer, religiöser und sozialer Faktoren geprägt. Seit den 2010er Jahren haben sich weite Teile des amerikanischen evangelikalen Sektors zunehmend in die politischen Auseinandersetzungen des Landes verstrickt, und dabei ist eine Schnittmenge mit der Alt-Right-Ideologie zu beobachten. Die Alt-Right, eine Bewegung, die in weiten Teilen von weißer Vorherrschaft, Nationalismus und oft auch von Rassismus geprägt ist, hat sich als eine politische Kraft etabliert, die einige evangelikale Christen in den USA beeinflusst hat. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit diese Verbindungen die religiösen und politischen Werte der evangelikalen Gemeinschaften in den Vereinigten Staaten verändern oder sogar gefährden.

Ein zentraler Punkt bei dieser Analyse ist die Rolle von Donald Trump und seiner Präsidentschaft. Trump wurde von einem Großteil der weißen evangelikalen Christen als ein Verteidiger ihrer Werte und Traditionen angesehen. Diese Unterstützung war nicht nur eine politische Entscheidung, sondern oft auch eine religiöse. Trump versprach, die sogenannte "christliche Kultur" der USA zu bewahren, eine Vision, die mit den Vorstellungen vieler evangelikaler Christen in Einklang stand. Doch was viele übersehen, ist die gleichzeitige Aufstieg der Alt-Right-Bewegung, die zu einem bedeutenden Teil dieser politischen Landschaft wurde und mit rassistischen und nationalistischen Ideologien assoziiert wurde. Der Zustrom von Alt-Right-Anhängern in evangelikale Kreise ist ein Phänomen, das die traditionellen christlichen Werte infrage stellt, die oft mit Toleranz, Nächstenliebe und Gleichheit verbunden sind.

Ein besonders prägnantes Beispiel für diese Verflechtung von Evangelikalismus und Alt-Right ist die Reaktion der Southern Baptist Convention (SBC) auf rassistische und nationalistische Bewegungen. Im Jahr 2017 ergriff die SBC die Initiative, eine Resolution gegen die Alt-Right und die weiße Vorherrschaft zu verabschieden. Diese Resolution war eine Reaktion auf die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Charlottesville, bei denen die Alt-Right-Bewegung eine entscheidende Rolle spielte. Die Ablehnung von Rassismus und die Bekämpfung der weißen Vorherrschaft war eine wichtige Aussage, die von vielen als eine Rückkehr zu den christlichen Werten der Nächstenliebe und Gerechtigkeit interpretiert wurde. Doch die Frage bleibt: War dies ein einmaliger Vorstoß oder ein echter Wendepunkt für die evangelikale Bewegung?

Interessanterweise haben viele evangelikale Kirchenführer, darunter auch prominente Stimmen wie der Baptist Dwight McKissic, wiederholt auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Alt-Right-Bewegung als eine Bedrohung für den wahren christlichen Glauben zu erkennen. McKissic und andere forderten eine klare Verurteilung der rassistischen Ideologien, die die Alt-Right fördern. Trotzdem bleibt ein Teil der evangelikalen Basis an Trump und seiner politischen Agenda fest und ignoriert oft die problematischen Elemente dieser Verbindung.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in dieser Diskussion ist die historische Rolle des Evangelikalismus in den USA in Bezug auf Rassismus und soziale Ungleichheit. In den vergangenen Jahrhunderten haben viele evangelikale Gruppen, insbesondere im Süden, Rassismus und Sklaverei entweder unterstützt oder aktiv gerechtfertigt. Diese Geschichte hat tiefe Spuren hinterlassen und prägt noch immer die politische und gesellschaftliche Haltung vieler evangelikaler Christen. Die Frage, wie sich diese historische Verbindung zu Rassismus mit den modernen Herausforderungen der Alt-Right-Bewegung in Einklang bringen lässt, bleibt ein schwieriges und heikles Thema für die evangelikale Gemeinschaft.

Es ist ebenso entscheidend zu verstehen, dass der Aufstieg der Alt-Right auch eine Reaktion auf die demografischen Veränderungen in den USA ist. Die Verschiebung hin zu einer vielfältigeren Gesellschaft wird von Teilen der weißen Bevölkerung als Bedrohung wahrgenommen. In diesem Kontext hat die Alt-Right nicht nur die politischen Grenzen verschoben, sondern auch den kulturellen Kampf um die amerikanische Identität verstärkt. Evangelikale, die sich in dieser Auseinandersetzung stark positionieren, sehen sich oft gezwungen, ihre eigenen Werte und Überzeugungen zu hinterfragen.

Ein wichtiger Punkt, der oft in der öffentlichen Diskussion übersehen wird, ist, wie die christliche Theologie und die biblische Interpretation von bestimmten evangelikalen Gruppen missbraucht wurden, um rassistische und nationalistisches Gedankengut zu stützen. Die Verheißungen des Alten Testaments, die in vielen weißen evangelikalen Gemeinschaften als Rechtfertigung für nationale Überlegenheit verstanden werden, spiegeln oft eine gefährliche Interpretation wider. Während die Mehrheit der Christen eine theologische Haltung gegen Rassismus einnimmt, gibt es dennoch eine kleine, aber laute Minderheit, die biblische Texte so auslegt, dass sie ihre politischen und rassistischen Überzeugungen unterstützen.

Es bleibt zu fragen, wie die evangelikale Kirche auf diese Herausforderungen reagieren kann. In den letzten Jahren hat eine zunehmende Zahl von evangelikalen Führern und Gemeinden sich öffentlich gegen rassistische Ideologien ausgesprochen, und viele Kirchen haben begonnen, aktiv gegen weiße Vorherrschaft und Nationalismus zu kämpfen. Dennoch ist die Evangelikale Bewegung in den USA tief gespalten, und es ist nicht abzusehen, wie sich diese Spannungen langfristig entwickeln werden.

Die Herausforderung für evangelikale Christen besteht darin, sich von der politischen Agenda der Alt-Right zu distanzieren und die wahren christlichen Werte von Liebe, Gerechtigkeit und Nächstenliebe zu betonen. Dies erfordert eine tiefgreifende Reflexion über die eigenen theologischen Überzeugungen und eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Gegenwart. Nur durch eine solche Auseinandersetzung kann die Evangelikale Bewegung den Spagat zwischen politischer Macht und christlicher Glaubwürdigkeit meistern.

Was bleibt von der Alt-Right? Die Zerrissenheit zwischen Identität und Ideologie

Die Alt-Right-Bewegung, die mit dem Aufstieg von Donald Trump 2016 und der medialen Aufmerksamkeit, die Richard Spencer und anderen verbundenen Persönlichkeiten zuteilwurde, weltweit an Bekanntheit gewann, war ursprünglich ein loses Netzwerk von rechtsextremen Dissidenten. Laut Murray lässt sich die Alt-Right am besten als eine Sammlung von Online-Gruppen und Plattformen verstehen, deren Mitglieder vor allem eine gemeinsame Feindschaft gegen Egalitarismus und progressiven Sozialismus eint, jedoch ohne eine einheitliche Ideologie zu verfolgen. Sie steht in einem ständigen Umbruch, was nicht zuletzt an der fortwährenden Selbstidentifikation mit ihren eigenen Feinden und den wechselnden Auffassungen innerhalb ihrer Reihen liegt.

Schon kurz nach dem Höhepunkt der Alt-Right-Kampagnen zur Präsidentschaftswahl 2016 begannen führende Akteure der Bewegung, ihre Verbindungen zu dieser Marke infrage zu stellen. Ein markanter Wendepunkt war der Versuch von Colin Liddell, eine Rebranding-Initiative zu starten, bei der die ursprüngliche „Alternative Right“-Bezeichnung aufgegeben wurde. Liddell argumentierte, dass der Begriff inzwischen eine zu starke Negativkonnotation angenommen hatte, die der Bewegung nur schade. Für ihn war der Begriff „Alt-Right“ zu einem Label geworden, das von ihren Gegnern gegen sie eingesetzt wurde, was zu einer verstärkten Ausgrenzung und medialen Dämonisierung führte. Der Begriff sei, so Liddell, „ein Handikap“ geworden, da die Bewegung sich zu sehr auf „Nazi-artiges Trolling“ und „sinnloses Judentum-Baiting“ eingelassen habe, anstatt eine fundierte und differenzierte Auseinandersetzung mit den eigenen Ideologien zu entwickeln.

Doch das Desaster um Spencer und die öffentliche Zurschaustellung seiner Verbindungen zu extremen Nationalisten und Neonazis brachte nicht nur eine Renegation der Alt-Right als Marke, sondern auch eine tiefere ideologische Zerrissenheit innerhalb der Bewegung hervor. Die Entfremdung von moderateren Kräften wie den „Alt-Lighters“ und die zunehmende Vereinheitlichung der Bewegung mit einer gewaltbereiten und extremistischen Identität war ein Problem, das Greg Johnson, ein weiterer prominenter Alt-Right-Aktivist, 2016 ansprach. In einem auf Counter-Currents veröffentlichten Artikel stellte Johnson fest, dass Spencers Skandal nicht nur der Alt-Right als Marke geschadet hatte, sondern auch den gesamten Versuch, eine breitere Allianz gegen den Multikulturalismus und die politische Linke zu bilden.

Trotz dieser Schwierigkeiten blieb für viele Akteure der Alt-Right die Idee einer weißen nationalistischen Bewegung in Amerika weiterhin von Bedeutung. Johnson selbst äußerte die Hoffnung, dass die „Alt-Right“ als Marke zwar tot sein könne, aber der weiße Nationalismus als Ideologie weiterhin lebendig und auf Wachstumskurs sei. Er betonte die Notwendigkeit, aus den Fehlern zu lernen und trotz Rückschlägen voranzutreiben. Diese Haltung zeigt den anhaltenden Einfluss von weißen nationalistischer Ideologie und deren Anpassungsfähigkeit an wechselnde politische Landschaften.

Die Rebranding-Initiativen und die Debatten innerhalb der Alt-Right haben nicht nur die eigentliche Bewegung selbst verändert, sondern auch ihre Auswirkungen auf andere gesellschaftliche und religiöse Strukturen sichtbar gemacht. Insbesondere der Widerstand von amerikanischen Christen, die sich zunehmend mit der Ideologie der Alt-Right auseinandersetzten, verdeutlicht die Problematik von Rassismus in den eigenen religiösen Gemeinschaften. Viele christliche Führer, besonders aus dem evangelikalen Spektrum und aus Kirchen wie der Southern Baptist Convention (SBC) oder der LDS Kirche, begannen, ihre eigenen Verstrickungen mit Rassismus zu hinterfragen, nachdem die Alt-Right ihre Ideologie so prominent in die politische Arena eingebracht hatte.

Was für diese Christen auf dem Spiel stand, war nicht nur die politische Bedeutung der Alt-Right, sondern die Frage, wie ihre Kirchen und Institutionen mit der Rassismusproblematik in der eigenen Geschichte und Gegenwart umgehen. Dies führte zu einer Auseinandersetzung mit der Frage, wie christliche Werte zu einer inklusiveren und weniger rassistisch geprägten Gesellschaft beitragen könnten, was auch die Haltung der Kirche gegenüber Themen wie LGBTQ+ und ethnischen Minderheiten beinhaltete.

Im weiteren Verlauf dieser Auseinandersetzungen wurde auch der Versuch einiger White Nationalisten deutlich, eine christliche Weltanschauung zu entwickeln, die mit den Zielen ihrer Bewegung kompatibel war. Diese Versuche, das Christentum in eine ethnonationalistische Weltanschauung zu integrieren, zeigen, wie flexibel ideologische Strömungen innerhalb der Alt-Right waren, insbesondere in Bezug auf den religiösen Aspekt ihrer Weltanschauung.

Es ist wichtig zu betonen, dass der Tod der Alt-Right als Marke nicht das Ende der Ideologie des weißen Nationalismus bedeutet. Die Geschichte zeigt, dass solche Bewegungen, trotz ihrer internen Konflikte und Schismen, oft neue Formen finden, um ihre Ideen weiter zu verbreiten. Auch wenn die Alt-Right als spezifische politische Bewegung heute weitgehend diskreditiert ist, bleibt der weiße Nationalismus in verschiedenen Verkleidungen weiterhin ein Teil der politischen Landschaft, besonders in den USA. Die ideologischen Kämpfe und die damit verbundenen Veränderungen bieten wertvolle Einblicke in die zukünftigen Entwicklungen dieser Bewegung und wie sie in neue gesellschaftliche und politische Kontexte eingebettet werden könnte.

Wie religiöse Diversität die Alt-Right beeinflusst und ihre politischen Ziele formt

Die Auseinandersetzung mit Religion in der Alt-Right-Bewegung ist kompliziert und widersprüchlich. Es gibt keine einheitliche oder paradigmatartige Sichtweise auf Religion, noch einen kohärenten Satz von Quellen, der die religiösen Diskurse innerhalb der Alt-Right umfassend dokumentiert. Stattdessen finden sich unterschiedliche Perspektiven, die von Atheismus und Agnostizismus bis hin zu verschiedenen Formen des Christentums und Paganismus reichen, auf zahlreichen sozialen Medien, in Printmaterialien und Online-Videobeiträgen. Diese Vielfalt mag auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, dass das Thema Religion innerhalb der Alt-Right nicht relevant ist. Doch gerade diese Uneinigkeit ist von entscheidender Bedeutung, da sie das Wesen und die Widersprüche der Bewegung widerspiegelt. Die religiösen Differenzen innerhalb der Alt-Right haben zu Spannungen und Brüchen geführt, was die politische Kohärenz und die ideologische Stärke der Bewegung beeinträchtigen könnte.

In der Alt-Right sind die Grenzen dessen, wer wirklich dazugehört und wer als „Kuck“ bezeichnet wird – ein abwertender Begriff, der Personen beschreibt, die als zu liberal oder als Verräter an der authentischen Rechten gelten – ständigen Änderungen unterworfen. Diese Grenze wird besonders bei Fragen rund um das Christentum und die so genannten „christlichen Kucks“ deutlich. Die Frage, ob ein Christ Teil der Alt-Right sein kann, wenn dieser etwa ein besonders rassisch bewusstes oder „pro-weißen“ Christentum vertritt, hat zu erheblichen Spannungen geführt. Eine der zentralen Herausforderungen für die Alt-Right in Bezug auf das Christentum rührt daher, dass sie mit älteren Formen des weißen Nationalismus in Amerika konfrontiert ist, die traditionell feindlich gegenüber dem Christentum eingestellt waren.

Diese Spannung und der Widerstand gegen eine vereinheitlichte religiöse Ausrichtung sind nicht neu. In der Geschichte des amerikanischen weißen Nationalismus, besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, war die Beziehung zwischen dieser Ideologie und dem Christentum oftmals angespannt. Viele der frühen Denker und führenden Köpfe des weißen Nationalismus wie Revilo Oliver, Ben Klassen und William Pierce, sahen im Christentum eine Bedrohung für das Überleben der weißen Rasse. Sie kritisierten das Christentum als ein Produkt jüdischer Machenschaften, das darauf abziele, den Instinkt der weißen Menschen zur Selbstbewahrung zu unterdrücken. Auch viele weiße Nationalisten, die dem Paganismus nahestanden, lehnten das Christentum ab, da sie es als hinderlich für die Bildung eines „weißen“ Identitätsbewusstseins betrachteten, das notwendig sei, um eine politische Bewegung für ein weißes Heimatland zu etablieren.

Dennoch, und das ist eine interessante Wendung, kam es innerhalb der Alt-Right, besonders in den letzten Jahren, zu einem Versuch, religiöse Diversität als ein Mittel der politischen Einigung zu nutzen. Einige Vertreter der Bewegung versuchten, eine religiöse Toleranz zu fördern, um die politischen Ziele der Schaffung eines „weißen“ oder europäischen Ethnostaats zu erreichen. Die pragmatische Haltung, dass religiöse Differenzen nicht die größere politische Mission gefährden sollten, nahm Gestalt an. Diese Entwicklung wurde besonders durch Stimmen wie Lana Lokteff und ihrer Initiative, einen Dialog zwischen christlichen und heidnischen „pro-weißen“ Vertretern zu fördern, sichtbar. Sie betonten die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit über religiöse Differenzen hinweg, um das gemeinsame Ziel der Erschaffung eines weißen Staates zu realisieren.

Doch innerhalb der Alt-Right gibt es auch Kritik an dieser religiösen Toleranz. Einige, wie Carolyn Emerick, eine Paganistin, und Ayla Stewart, eine Mormonin, verließen die Bewegung aufgrund ihrer Unzufriedenheit mit dem Fehlen einer klaren ethischen Grundlage und der inneren Zerrissenheit in religiösen Fragen. Für sie repräsentierten die atheistischen und agnostischen Vertreter der Alt-Right eine gefährliche Strömung, die dazu beitrug, Christen und Heiden innerhalb der Bewegung zu marginalisieren. Diese Differenzen in Bezug auf religiöse Weltanschauungen könnten letztlich das Endziel der Alt-Right, nämlich die Schaffung eines stabilen weißen Ethnostaats, gefährden.

In der Geschichte der weißen Nationalisten war der Umgang mit Religion lange Zeit ein heikles Thema. Insbesondere die Rolle des Christentums war im Kontext der ethno-kulturellen Identität der weißen Bewegung immer wieder Gegenstand von Kontroversen. Eine der grundlegenden Fragen, die sich hierbei stellt, ist, inwieweit religiöse Überzeugungen mit der nationalistischen Agenda vereinbar sind. Einige Stimmen innerhalb der Alt-Right vertreten die Meinung, dass die politische Bedeutung der Schaffung eines ethnischen Staates so vorrangig ist, dass religiöse Differenzen in den Hintergrund treten sollten. Diese Position hat dazu beigetragen, dass die Bewegung religiöse Vielfalt zumindest in ihrer politischen Strategie berücksichtigt.

Wichtig für die Leser ist es, die paradoxen und oft widersprüchlichen Tendenzen der Alt-Right zu verstehen, die einerseits religiöse Diversität als pragmatisches Mittel zur politischen Vereinigung anerkennen, andererseits aber tiefgreifende Spaltungen über diese Fragen erleben. Es ist auch von Bedeutung zu erkennen, dass, obwohl religiöse Unterschiede innerhalb der Alt-Right existieren, diese Bewegungen in ihrem Kern weiterhin auf einem rassistischen und ethno-nationalistischen Projekt aufbauen, das die Schaffung eines weißen Ethnostaats zum Ziel hat. Insofern dient die Diskussion über religiöse Diversität weniger als ein echtes Instrument der Versöhnung als vielmehr als ein strategischer Versuch, die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Bewegung zu bündeln, ohne dabei die übergeordneten politischen Ziele zu gefährden.