Die byzantinische Perspektive auf die Kreuzzüge ist von besonderem Interesse, da sie eine einzigartige Sichtweise auf die komplexen Ereignisse jener Zeit bietet. Das Byzantinische Reich, ein christlich-griechischsprachiger Staat, fand sich in einer schwierigen Position zwischen dem westlichen Christentum und der islamischen Welt. Diese geopolitische Lage machte die Reaktionen und Berichte der Byzantiner über die Kreuzzüge besonders wertvoll, da sie die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Reaktionen der Byzanz gegenüber den westlichen Kriegern und den Auswirkungen der Kreuzzüge auf das Reich widerspiegeln.

Die wichtigste Quelle, die die byzantinische Perspektive auf die Kreuzzüge vermittelt, ist das Werk von Anna Komnene, der Tochter des byzantinischen Kaisers Alexios I. Komnenos. Ihre „Alexias“ ist ein unverzichtbares Dokument, das die Ereignisse des Ersten Kreuzzugs aus der Sicht der byzantinischen Elite schildert. In ihrem Werk beschreibt sie nicht nur den Verlauf des Kreuzzugs und die Beziehungen zwischen den westlichen Kreuzfahrern und Byzanz, sondern auch die politischen und militärischen Entscheidungen, die von ihrem Vater Alexios I. getroffen wurden, um das Byzantinische Reich vor den Auswirkungen des westlichen Angriffs zu schützen. Die Darstellung von Anna Komnene ist oft von einer Mischung aus Bewunderung und Misstrauen gegenüber den westlichen Rittern geprägt, was ihre zwiespältige Haltung gegenüber den Kreuzzüglern und ihrer Mission widerspiegelt.

Neben Anna Komnene bietet auch der Historiker Johannes Kinnamos wertvolle Einsichten in den Zweiten Kreuzzug und die Entwicklungen unter dem byzantinischen Kaiser Manuel I. Komnenos. Kinnamos’ Berichte zeichnen sich durch eine detaillierte Schilderung der diplomatischen und militärischen Aktivitäten während des Zweiten Kreuzzugs aus und verdeutlichen, wie Byzanz versuchte, die westlichen Mächte in Schach zu halten, ohne in direkten Konflikt mit ihnen zu geraten. Kinnamos, ein enger Berater und Chronist der Komnenen-Dynastie, bietet eine differenzierte Sicht auf das westliche Christentum und seine Interaktionen mit Byzanz, wobei er sowohl die Schwächen als auch die Stärken des Byzantinischen Reiches hervorhebt.

Niketas Choniates, ein weiterer bedeutender byzantinischer Historiker, liefert detaillierte Berichte über die Kreuzzüge, die bis zur Eroberung Konstantinopels durch die Vierzehnten Kreuzzügler im Jahr 1204 reichen. Choniates, der Zeuge der Belagerung von Konstantinopel und der Zerstörung des Byzantinischen Reiches war, hat einen leidenschaftlichen Bericht über den Fall der Stadt hinterlassen. Besonders hervorzuheben ist seine Rolle als Flüchtling nach der Eroberung Konstantinopels, als er versuchte, das Reich von Nikaia aus zu retten und die byzantinische Bevölkerung zu mobilisieren, um die Stadt von den Lateinern zurückzuerobern. Seine Schilderungen sind durchzogen von einer tiefen Trauer und Verzweiflung über den Verlust der Hauptstadt und von scharfer Kritik an den westlichen Kreuzfahrern.

Ein weiteres bemerkenswertes Werk sind die Briefe des Erzbischofs von Ohrid, die einen anderen Blickwinkel auf die Ereignisse des Ersten Kreuzzugs bieten. Diese Briefe dokumentieren die Reaktionen und die diplomatischen Bemühungen der Byzantiner, sich mit den westlichen Kriegern auseinanderzusetzen, die durch ihr Land zogen. Sie spiegeln die Besorgnis der byzantinischen Führung wider, dass die westlichen Ritter, die für das heilige Jerusalem kämpften, das Byzantinische Reich auf ihrem Weg nach Osten nicht als Verbündeten, sondern als Hindernis ansahen. Die Briefe des Erzbischofs von Ohrid zeigen, wie sehr das Byzantinische Reich in den Kreuzzügen gefangen war und wie schwierig es war, eine klare politische und militärische

Warum wählte Christus das Niedrigste und Härteste?

Ich wusch meinen Körper im Wasser des Jordans. Ich sah dieses Wasser, das völlig mit Schlamm vermischt war, weder klar noch trinkbar. Seine Farbe glich der von Milch, doch sein Fluss war träge, als ob der Strom selbst in Schlaf gefallen wäre. Christus, Licht, das vor der Schöpfung des Tageslichts leuchtete, warum sind die Dinge so? Wie hast du so lange in trockenen, stickigen, brennenden und tödlichen Gegenden gelebt? Wenn ich an die erstickende Hitze von Nazareth denke, Christus, bewundere ich deine Demut. Du hast Nathanaels Worte über Nazareth bestätigt: „Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?“ Nur du allein hast das wirklich verstanden. In deinem ganzen leiblichen Leben wähltest du das Arme und Gemeine; aus allen Flüssen wähltest du den Jordan, der nicht einmal zu den großen Strömen gerechnet wird; aus allen Städten Palästinas suchtest du die armseligsten und rauesten aus – Kapernaum, das Verhasste, und Nazareth, das Verkohlte.

Gewiss sind alle Orte, an denen der Erlöser als Mensch lebte, heilig. Doch wenn man ohne Scheu die süß duftenden Wunder des Herrn ausblendet, gleichen diese Gegenden eher dornigen Sträuchern als Gärten. Was gibt es dort Erwähnenswertes? Die Luft ist schrecklich, sengend, feurig, unberechenbar und unerbittlich. Sie bringt eine maßlose, unerträgliche Hitze, sie ist maßlos, wasserlos. Wann immer Tau vom Himmel fällt und Tropfen aus den Wolken laufen, wird er gesammelt wie kostbarer Wein, wie ein Parfum. Wer vom brennenden Durst geplagt ist, trinkt stinkendes, schmutziges Wasser, und dafür muss er sogar bezahlen. Der Boden, auf dem der Pflugochse schuftet und die Hände der Erntearbeiter sich abmühen, ist hart, zerklüftet und ausgedörrt.

Und dennoch, Land von Byzanz, von Gott gegründete Stadt, du hast mir das Licht gezeigt und mich genährt! Ach, wäre ich doch in deinem Schoß, unter deinem Flügel, beschützt wie ein Sperling. Ich hatte gehofft, nach diesen Anblicken rasch zurückzukehren und meine Pflichten abzuschütteln, doch das Unglück, das mich stets verfolgt, erreichte mich erneut. Kaum hatte ich ein schnelles Schiff bestiegen und segelte mit günstigem Wind nach Tyros – dieser verhassten Stadt, die nicht einmal einen Becher Wasser hat –, begann mein Kranksein.

Eine tödliche, verheerende Krankheit, ein brennendes Fieber wie eine helle Flamme, genährt wie von Holzscheiten, verzehrte mein Inneres. Es verbrannte und erschöpfte mich, es röstete mich, verdunkelte meinen Kopf mit dichtem Dampf und mit ihm die Pupillen meines Verstandes. Mein Haar fiel wie das eines Toten, unfähig, der Hitze standzuhalten. Meine Hände wurden taub, meine Beine zitterten, und sie, ohne festen Schritt, warfen mich zu Boden wie einen leblosen Leib. Ich dürstete nach jedem Tropfen des Meeres, ich wollte jeden Fluss austrinken, denn das Feuer in mir hatte meinen Körper völlig ausgetrocknet.

Doch die Sebastoi, die mich halb tot sahen, sorgten sich um mich und hielten mich würdig reichlicher Pflege. Alexios Doukas, der damals Zypern regierte, ein mildtätiger Mann, ein Abbild von Sanftmut, schenkte mir seine Großzügigkeit und ließ mich nach Zypern bringen, um im reineren Klima gesund zu werden. Aber die mörderische Krankheit griff erneut an wie ein Eber aus dem Dickicht, wie ein Löwenjunges aus dem Schoß der Mutter. Sie trocknete meine Haut, verbrannte den Boden meines Leibes und raubte mir die Lebensströme. Wäre nicht der Vater, der Gärtner der Menschen, erfrischenden Tau auf mich herabregnen lassen, wäre ich schnell zu Asche geworden.

Zypern, fruchtbares Land, das viele Früchte trägt, für andere wohlriechend, mir aber stinkend – wie könnte der matte Schimmer eines Feldspats mit der Flamme der Sonne verglichen werden, die die ganze Welt nährt? Wie könnte er mit der Stadt Konstantins verglichen werden? O Mühsal, o Lernen, o Bücher der Weisen, an denen ich seit Kindheitstagen meinen Nacken töricht gebrochen habe! O leibliche Qualen, o Nächte voller Studien ohne Schlaf, wie ein Sperling allein auf dem Dach, wie eine Eule in der Finsternis! Nun wohne ich in einem Land, in dem die Bildung rar ist, meine Lippen versiegelt, untätig, bewegungslos wie ein Gefangener, ein stummer Redner ohne Mut, ein Sprachloser ohne Übung.

Wie ein wasserloser Garten, der verdorrt und dessen Bäume ihre Blätter verlieren, so bin auch ich geworden. Ich habe meine Fülle verloren, ich lebe von Hoffnungen, wie der Lahme von einst, der darauf wartete, dass sich das Wasser bewegt, um geheilt zu werden. Römische Stadt, Juwel der ganzen Erde, meine Lider sind müde, dich zu suchen. Ach, ich seufze tief, ich sehne mich nach dir, ich atme dich, du goldene Krone, du frommster unter den Mönchen, von deinem geliebten Anblick bin ich getrennt.

Hier wird für den Leser sichtbar, dass Demut nicht nur in äußeren Gesten liegt, sondern in der bewussten Wahl des Niedrigsten und Beschwerlichsten. Es wird verständlich, dass die Orte des Wirkens Christi nicht wegen ihrer äußeren Schönheit geheiligt sind, sondern durch das Leiden, die Askese und die freiwillige Erniedrigung. Ebenso lehrt die Erfahrung von Krankheit und Entbehrung nicht bloß das Ertragen von Schmerz, sondern das Durchschauen der Zerbrechlichkeit und Unordnung des Lebens selbst. Der Mensch erkennt erst in solchen Extremen, was Gnade, Demut und geistige Größe wirklich bedeuten.