Wenn ein Mensch die Grenze eines Staates überschreitet, wird er augenblicklich zum Träger bestimmter Rechte und gleichzeitig zum Gegenstand rechtlicher und moralischer Verpflichtungen seitens der Menschen, die innerhalb dieser Jurisdiktion leben. Selbst wenn der Grenzübertritt ohne gesetzliche Genehmigung erfolgt, ändert dies nichts an der Tatsache seiner physischen Präsenz im Territorium des Staates – und gerade diese Präsenz genügt, um eine rechtliche und moralische Dynamik in Gang zu setzen, die tief in die normative Struktur moderner politischer Gemeinwesen eingebettet ist.
Ein Beispiel: Eine französische Staatsbürgerin erreicht auf eigene Faust die Vereinigten Staaten. In Frankreich war sie eingebettet in ein System von Institutionen, das sich rechtlich und moralisch zur Wahrung ihrer grundlegenden Menschenrechte verpflichtet hat. Mit dem Verlassen dieses Systems verliert sie teilweise den unmittelbaren Schutz dieser Institutionen. Frankreich bleibt zwar weiterhin konsularisch zuständig, doch der operative Schutz ihrer fundamentalen Rechte wird nun von den Institutionen des Gaststaates – in diesem Fall der Vereinigten Staaten – erwartet.
Die bloße Anwesenheit im Hoheitsgebiet bringt eine Verpflichtung mit sich: Die staatlichen Einrichtungen – unabhängig vom rechtlichen Status der Person – sind gehalten, ihre grundlegenden Rechte zu schützen und zu verwirklichen. Daraus erwächst wiederum eine Verpflichtung der bereits ansässigen Bevölkerung: Sie muss durch Steuern, durch Teilnahme an rechtstaatlichen Verfahren wie Geschworenendiensten und durch allgemeine politische Mitwirkung gewährleisten, dass diese Institutionen funktionsfähig bleiben und auch die neu Hinzugekommenen einbeziehen.
Diese Verpflichtung besteht unabhängig davon, ob der Zuzug legal oder illegal erfolgt ist. Der Oberste Gerichtshof der USA hat dies in Plyler v. Doe ausdrücklich anerkannt: Jeder, der sich innerhalb der Grenzen eines Bundesstaates aufhält, fällt unter dessen Gesetze und hat Anspruch auf deren Schutz, selbst wenn er aus migrationsrechtlicher Sicht ausreisepflichtig ist. Entscheidend ist allein die territoriale Präsenz – nicht der Status.
Diese Dynamik führt jedoch zu einer bedeutsamen moralischen Frage: Wenn die Anwesenheit eines Menschen im Staatsgebiet automatisch neue rechtliche und moralische Verpflichtungen für die dort lebende Bevölkerung erzeugt, folgt daraus nicht auch das Recht, sich gegen diese zusätzliche Verpflichtung zur Wehr zu setzen? Besteht nicht ein Freiheitsrecht, neue Verpflichtungen zurückzuweisen, wenn sie nicht freiwillig übernommen wurden?
Der zentrale Gedanke hierbei ist: Verpflichtungen sind normative Lasten – sie schränken unsere Handlungsfreiheit ein. Eine moralische Verpflichtung, jemandem zu helfen, limitiert mein Recht, nicht zu helfen. Eine rechtliche Ve
Was ist notwendig für die Stabilität einer demokratischen Gesellschaft und wie beeinflussen Migration und Mitgefühl die politische Moral?
John Rawls’ Konzept der Stabilität hat sich im Laufe seiner Karriere gewandelt. Eines blieb jedoch konstant: die Überzeugung, dass eine demokratische Gesellschaft nur dann bestehen kann, wenn die Individuen ein moralisches Bedürfnis haben, diese Gesellschaft weiterhin zu unterstützen, auch wenn sie nicht die Ergebnisse bringt, die sie sich wünschen. Dieses moralische Engagement, die Gesellschaft zu unterstützen, muss tiefer gehen als rein taktische oder praktische Erwägungen. Rawls betonte, dass dies nur möglich ist, wenn eine empathische Verbindung zu anderen Menschen und der Gesellschaft als Ganzes besteht.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass eine Gesellschaft, die das Gefühl der moralischen Verbundenheit verliert oder dieses gar nie entwickelt hat, in ihrer Stabilität gefährdet ist. Eine solche Gesellschaft kann beginnen, die moralische Realität der anderen zu ignorieren, was zu einer Entfremdung und letztlich zu einer Instabilität führt. Ein entscheidender Punkt in dieser Diskussion ist, dass eine demokratische Gesellschaft auf einem Fundament moralischer Anerkennung basiert. Diese Anerkennung der anderen als moralische Akteure ist notwendig, um die Fähigkeit zur politischen Deliberation aufrechtzuerhalten, selbst bei tiefen politischen Differenzen.
In diesem Kontext argumentiert Susan Moller Okin in ihrem Werk Justice, Gender, and the Family, dass die Familie ein zentraler Ort der Gerechtigkeit ist. Sie weist darauf hin, dass die Geschlechternormen und die Gesetzgebung in Bezug auf Scheidung zu Machtungleichgewichten innerhalb der Familie führen, die sich dann auf das gesellschaftliche Leben auswirken. Wenn in der Familie Ungerechtigkeit toleriert wird, wirkt sich dies nicht nur negativ auf das Leben von Frauen aus, sondern auch auf die moralische Entwicklung von Mädchen und Jungen, die in einer solchen Umgebung aufwachsen. Okin betont, dass Gerechtigkeit eine Fähigkeit ist, die erlernt und geübt werden muss – sie wird in der Familie verstärkt oder untergraben. Wenn in der Familie ungerechte Strukturen vorherrschen, erschwert das das Erlernen von Gerechtigkeit als sozialer Praxis.
Okin macht aber auch deutlich, dass das Lernen von Gerechtigkeit nicht nur auf die Familie beschränkt ist. Die Fähigkeit, Gerechtigkeit zu üben, muss sich auf die Gesellschaft als Ganzes ausdehnen. Es geht darum, andere Menschen als moralisch relevante Wesen zu betrachten, deren Bedürfnisse und Rechte ebenso wichtig sind wie die eigenen. Die Fähigkeit, Empathie zu üben, spielt hier eine Schlüsselrolle. Nur wer in der Lage ist, sich in die Perspektive anderer Menschen zu versetzen, kann eine Gesellschaft gestalten, in der auch die Interessen und Rechte von Minderheiten, von Migranten oder von Menschen, die man nie persönlich treffen wird, respektiert werden.
In einer Gesellschaft, in der diese Empathie fehlt, wird es zunehmend schwierig, die politischen Ideale einer gerechten Gesellschaft zu bewahren. So wie es schwerfällt, ein politischer Egalitarist zu sein, wenn die Familie patriarchalisch ist, ist es ebenso schwer, als Gesellschaft die moralischen Rechte derer zu respektieren, die als „Außenseiter“ betrachtet werden. Eine Gesellschaft, die sich weigert, die Güter und Bedürfnisse anderer Menschen ernst zu nehmen, wird letztlich auch die moralische Verantwortung für ihre eigenen Mitglieder verlieren. Ohne diese regelmäßige moralische Erinnerung daran, dass die Rechte und das Wohl aller Menschen zählen, sind wir anfällig für eine Entfremdung, die zu politischen Instabilitäten führen kann.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der sich aus Okin’s Argumenten ableiten lässt, betrifft die politische Polarisation, die in vielen modernen Demokratien zunehmend zu beobachten ist. Diese Polarisation selbst stellt keine unmittelbare Bedrohung dar; eine Demokratie kann auch mit gegensätzlichen politischen Ansichten überleben, wenn diese Ansichten auf einem gegenseitigen Respekt beruhen. Problematisch wird es jedoch, wenn politische Differenzen in einer Weise ausgelegt werden, dass die Gegner nicht mehr als rationale Menschen betrachtet werden, sondern als „Teufel“. Dies zerstört die Grundlage für eine zivilisierte politische Auseinandersetzung, in der Respekt und Empathie entscheidend sind. Wenn die politischen Akteure die moralische Realität ihrer Gegner nicht anerkennen und stattdessen eine Entmenschlichung vornehmen, wird die Grundlage für stabile politische Institutionen untergraben.
Doch nicht nur innerhalb einer Gesellschaft, sondern auch in Bezug auf ihre Außenpolitik zeigt sich die Bedeutung von Empathie und moralischer Anerkennung. Wie eine Gesellschaft mit Migranten und Flüchtlingen umgeht, gibt wertvolle Hinweise darauf, wie sie die moralische Verantwortung für alle Menschen wahrnimmt. Staaten, die sich weigern, den Bedürfnissen und Rechten von Migranten Beachtung zu schenken oder diese gar als Bedrohung darstellen, senden ein Signal aus, dass die moralische Sorge um das Wohl anderer Menschen nicht nur auf außenstehende Gruppen, sondern auch auf das eigene politische Leben Einfluss hat. Die Unfähigkeit, sich in die Lage von Migranten zu versetzen und ihre Situation zu verstehen, begünstigt eine Entfremdung, die die gesamte Gesellschaft betrifft.
Ein migrationsfeindliches Gesetz oder eine Politik, die auf rassistischen oder unmenschlichen Prinzipien beruht, fördert nicht nur den Widerstand gegen den internationalen Austausch und das Miteinander, sondern verstärkt auch die negativen moralischen Tendenzen innerhalb der Gesellschaft selbst. Eine Gesellschaft, die sich nicht um die Bedürfnisse von Migranten kümmert, riskiert, auch die moralische Verantwortung gegenüber ihren eigenen Bürgern zu verlieren. Denn in einem solchen Klima wird es schwieriger, Mitgefühl für diejenigen zu entwickeln, die politisch oder sozial anders denken.
Der moralische Schaden, der durch eine unmenschliche Flüchtlingspolitik entsteht, ist nicht nur auf die Außenpolitik beschränkt. Er wirkt sich auch auf die politische Kultur und die moralische Haltung der Bürger aus. Indem eine Gesellschaft ihre Empathie auf bestimmte Gruppen begrenzt, wird der Weg für die Ignorierung der Bedürfnisse und Rechte anderer, auch innerhalb der eigenen Gesellschaft, geebnet. Dies ist eine gefährliche Entwicklung, die letztlich die demokratische Integrität und die moralische Grundlage der Gesellschaft gefährden kann.
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