Wenn wir von Angst überwältigt werden, fällt es oft schwer, mit den Dingen in Kontakt zu kommen, die unser Leben wirklich wertvoll machen. Dennoch ist es gerade diese Angst, die uns wertvolle Hinweise darüber geben kann, was für uns von Bedeutung ist. Angst mag uns lähmen, uns vom Handeln abhalten und uns in unseren Gedanken festhalten, aber sie kann auch als ein Spiegel unserer tiefsten Werte dienen.
Ängste können auf verschiedene Weisen manifestiert werden – die Sorge, krank zu werden, die Angst um die Gesundheit der Familie, die Furcht vor Verlust oder der Gedanke, die eigenen Lebensziele nicht zu erreichen. Diese Ängste haben etwas gemeinsam: Sie deuten auf die Dinge hin, die uns wirklich am Herzen liegen. Wer Angst hat, krank zu werden, schätzt unbewusst seine Gesundheit. Wer ständig über seine Kinder nachdenkt, erkennt in dieser Sorge vermutlich den tiefen Wunsch, für sie da zu sein und ihr Wohl zu sichern. Ebenso zeigt sich in der Besorgnis über Partner, Freunde oder Familie, wie wichtig uns diese Beziehungen sind.
Es ist hilfreich, sich einen Moment Zeit zu nehmen, um die eigenen Ängste zu erkunden und zu fragen, was sie uns wirklich sagen wollen. Denn in der Angst kann sich ein tieferer Wert verstecken. Nehmen Sie ein Blatt Papier und teilen Sie es in zwei Spalten: Auf der linken Seite notieren Sie die Ängste, die Sie plagen, und auf der rechten Seite stellen Sie sich die Frage: Welche Werte könnten hinter diesen Ängsten stehen? Es ist erstaunlich, wie häufig wir durch diese einfache Reflexion Werte erkennen, die wir zuvor vielleicht nicht wahrgenommen haben.
Natürlich stellt sich dabei eine herausfordernde Frage: Wären Sie bereit, Ihre Ängste zu ertragen, wenn Sie dadurch die Werte in Ihrem Leben verwirklichen könnten? Der innere Widerstand ist oft groß – wer möchte schon Angst fühlen? Doch in der Auseinandersetzung mit dieser Angst könnte sich ein tieferer Zugang zu den eigenen Werten eröffnen. Der Versuch, Ängste zu unterdrücken oder zu vermeiden, kann paradox sein: Indem wir sie zurückdrängen, schieben wir möglicherweise auch das, was wir wirklich schätzen, weiter weg. Angst und Wert sind zwei Seiten derselben Medaille – der Versuch, eine Seite zu werfen, geht immer mit einem Preis einher.
Es mag zunächst schwer verständlich erscheinen, dass wir uns nicht immer vor der Angst schützen können, um unser Leben zu verbessern. Doch genau in der Bereitschaft, uns der Angst zu stellen, können wir die Freiheit finden, unseren Werten auf eine neue, authentische Weise zu begegnen. Wenn wir unsere Ängste wirklich akzeptieren, könnten wir erkennen, dass es nicht die Angst selbst ist, die uns schadet, sondern der Versuch, sie zu kontrollieren und zu eliminieren.
Darüber hinaus stellt sich oft die Frage, wie man mit Klienten umgehen sollte, deren Werte möglicherweise destruktiv sind oder Schaden verursachen. Es ist wichtig zu verstehen, dass solche Verhaltensweisen in der Regel nicht aus den Werten einer Person stammen, sondern als ungesunde Bewältigungsstrategien erscheinen. Die Wurzel des Verhaltens könnte ein grundlegendes Bedürfnis nach Freiheit, Sicherheit oder Selbstwert sein. Der Schlüssel liegt darin, gemeinsam nach konstruktiveren Wegen zu suchen, wie diese Bedürfnisse erfüllt werden können, ohne dass andere Menschen Schaden nehmen.
Doch selbst wenn jemand seine Werte erkannt hat, bedeutet dies noch lange nicht, dass er auch in der Lage ist, sein Verhalten entsprechend zu verändern. Oft bleiben Menschen in alten Verhaltensmustern gefangen, die kurzfristig Erleichterung verschaffen, langfristig jedoch die Angst verstärken und die Lebensqualität mindern. Diese Verhaltensweisen sind wie eine Art Autopilot – sie mögen eine schnelle Lösung bieten, führen jedoch zu einem teuflischen Kreis von unbewussten Reaktionen und negativen Ergebnissen.
Psychologische Flexibilität ist der Schlüssel zur Überwindung dieses Kreises. Sie bedeutet, sich dem Moment bewusst zuzuwenden, die eigene Wahrnehmung zu schärfen und in einem gegebenen Kontext zu entscheiden, wann es Zeit ist, an den eigenen Werten festzuhalten und wann es notwendig ist, das Verhalten zu ändern. Flexibilität ist der Zustand, in dem wir erkennen, dass sich die Situation und unsere Bedürfnisse ständig ändern. Sie hilft uns zu entscheiden, wann es notwendig ist, weiterzumachen, und wann es besser ist, den Kurs zu ändern, um unsere langfristigen Ziele zu erreichen.
Ein Beispiel hierfür ist der Weg durch das Studium. Während des Studiums gab es sicherlich viele Momente, in denen Sie sich von der Aufgabe überfordert fühlten, keine Lust zum Lernen hatten oder mit bestimmten Aspekten des Studiums haderten. Dennoch haben Sie weitergemacht, weil Sie wussten, dass diese Anstrengungen notwendig waren, um das langfristige Ziel – etwa ein Diplom oder eine professionelle Karriere – zu erreichen. Doch ebenso gab es Momente, in denen Sie Ihr Verhalten ändern mussten, um Ihr Ziel zu erreichen. Vielleicht erhielten Sie Rückmeldungen von Professoren oder Mentoren, dass Sie eine bestimmte Herangehensweise überdenken sollten, um im Beruf erfolgreich zu sein. Der Schlüssel zu Ihrer Flexibilität war Ihre Fähigkeit, im Moment präsent zu sein, Ihre eigenen Handlungen zu überwachen und das Feedback zu berücksichtigen.
Psychologische Flexibilität ist die Fähigkeit, sich in einem dynamischen Umfeld zurechtzufinden und auf Veränderungen angemessen zu reagieren. Sie ist eine wesentliche Voraussetzung, um die eigenen Werte in die Tat umzusetzen, anstatt in gewohnten, aber unproduktiven Verhaltensmustern zu verharren. Es geht darum, in schwierigen Situationen einen klaren Kopf zu bewahren und sich nicht von kurzfristigen Ängsten oder gewohnheitsmäßigen Reaktionen leiten zu lassen.
Warum unsere bisherigen Strategien zur Angstbewältigung nicht funktionieren und wie wir bereit sein können, Neues zu versuchen
Viele Menschen haben in ihrem Leben bereits eine Vielzahl von Ansätzen ausprobiert, um ihre Angst zu überwinden. Einige dieser Methoden haben vielleicht für kurze Zeit geholfen, doch die Erleichterung war oft nur vorübergehend. Wären diese Versuche wirklich dauerhaft erfolgreich gewesen, würde man sich vermutlich nicht noch immer mit der gleichen Problematik auseinandersetzen. Um ein erfüllteres Leben zu führen, ist es entscheidend, sich nicht immer wieder in die gleichen, erfolglosen Bemühungen zu verstricken. Stattdessen muss man sich bewusst machen, was in der Vergangenheit nicht funktioniert hat – und es dann lassen.
Häufig wiederholen Menschen bestimmte Strategien, ohne den Erfolg zu erreichen, den sie sich erhoffen. Sie denken den ganzen Tag an ihre Probleme, versuchen verzweifelt, ihre Gedanken zu kontrollieren oder sich nicht mit ihnen auseinanderzusetzen. Manche suchen nach der Ursache ihrer Ängste in der Vergangenheit, während andere in ständiger Sorge über die Zukunft leben. Weitere typische Reaktionen sind das Vermeiden von Situationen, die Angst hervorrufen, das Bekämpfen der eigenen Gedanken oder das Streben nach positiverem Denken. Doch all diese Ansätze, so gut sie auch in der Theorie erscheinen mögen, bieten oft nur vorübergehende Lösungen oder verschlimmern das Problem.
Wenn man mit Angst zu kämpfen hat, wird es oft zur Gewohnheit, sich in selbstgemachte Mechanismen zu flüchten: das ständige Abwenden von unangenehmen Gedanken, das Ablenken durch Aktivitäten oder, in extremen Fällen, das Konsumieren von Alkohol oder Drogen. Es gibt auch die Möglichkeit der Psychotherapie oder der Einnahme von Medikamenten, um die Symptome zu lindern, doch auch diese Ansätze bieten in vielen Fällen nur temporäre Hilfe. Wichtiger als zu fragen, was uns vorgeschlagen wird, ist die Frage, was für uns tatsächlich funktioniert.
Der Schlüssel zu einem tieferen Verständnis liegt darin, ehrlich mit sich selbst zu sein. Wir dürfen uns nicht von allgemeinen Empfehlungen beeinflussen lassen, sondern müssen uns auf unsere eigene Erfahrung stützen. Hat die gewählte Methode wirklich geholfen? Oder hat sie uns lediglich für eine Weile über die Schwierigkeiten hinweggetäuscht? Welche negativen Auswirkungen hatte sie auf unser Leben? Vielleicht hat uns eine Methode dazu gebracht, noch mehr von den Dingen zu opfern, die uns wichtig sind – sei es Zeit, Beziehungen oder das Vertrauen in uns selbst.
Das Wichtigste ist jedoch, bereit zu sein, neue Wege zu gehen. Wenn man weiterhin auf den alten Methoden beharrt, die nicht den gewünschten Erfolg bringen, wird sich die Situation kaum ändern. Die Bereitschaft, etwas Neues zu probieren, ist der erste Schritt, um aus der Angstspirale auszubrechen. Dies ist ein großer, aber notwendiger Schritt. Es bedeutet nicht, dass die neue Methode sofort klar oder einfach ist, aber es bedeutet, dass man bereit ist, Unbequemlichkeiten in Kauf zu nehmen, um langfristig ein erfüllteres Leben zu führen.
Bereitschaft ist eine der schwierigsten, aber auch wichtigsten Eigenschaften im Prozess der Veränderung. Es ist nicht einfach, sich darauf einzulassen, neue, unbekannte Wege zu gehen, besonders wenn die Angst einem das Gefühl gibt, sicherer zu sein, wenn man in den bekannten Mustern bleibt. Doch die Fähigkeit, sich auf den Wandel einzulassen, ist entscheidend. Das bedeutet nicht, die eigene Angst zu ignorieren oder zu verdrängen, sondern sie zu akzeptieren und trotzdem nach vorne zu gehen.
Es ist eine der größten Herausforderungen, sich mit der eigenen Angst auseinanderzusetzen und sich gleichzeitig für das Leben zu öffnen. Doch wenn man ein stark genuges "Warum" findet, also einen tieferen, sinnvollen Grund, warum man sich der Angst stellen möchte, wird es leichter, bereit zu sein, auch die unangenehmen Gefühle zu ertragen. Eltern kennen dieses Prinzip nur zu gut: Die Bereitschaft, unangenehme Dinge zu tun, um das Wohl des Kindes zu sichern, ist häufig weit größer als die Angst vor den eigenen Gefühlen.
Für denjenigen, der mit Angst kämpft, stellt sich die Frage: Was ist so wichtig, dass es diese Bereitschaft zur Veränderung wert ist? Welche Dinge im Leben verdienen es, für sie unangenehme Gedanken und Gefühle zu ertragen? Diese Fragen sind entscheidend, um sich aus den gewohnten, aber wenig hilfreichen Mustern zu befreien. Wenn wir erkennen, was für uns wirklich von Bedeutung ist, werden wir auch bereit sein, neue Schritte zu unternehmen, selbst wenn der Weg zunächst unsicher erscheint.
Ein weiterer entscheidender Aspekt ist das Verständnis, dass unsere gewohnten Denkmuster und Strategien nicht die Lösung sind. Wenn unser rationaler Verstand tatsächlich in der Lage wäre, unsere Ängste zu beseitigen, hätten wir dies bereits erreicht. Doch genau hier liegt die Herausforderung: Wir können nicht im Kopf lösen, was tief im Gefühl verwurzelt ist. Deshalb ist es wichtig, zu akzeptieren, dass der Weg zur Veränderung nicht durch bloßes Nachdenken oder rationale Kontrolle führt, sondern durch die Bereitschaft, neue Erfahrungen zu machen, sich der Angst zu stellen und zu akzeptieren, dass Veränderung Zeit und Mut braucht.
Dennoch bleibt eine fundamentale Frage: Wie bereit sind wir, den gewohnten Weg hinter uns zu lassen und uns auf das Neue einzulassen? Und wenn diese Bereitschaft nicht bei 100% liegt, was braucht es, um sie zu steigern? Dies sind die Fragen, die den Weg zu einer tieferen, erfüllteren Auseinandersetzung mit der Angst ebnen können.
Wie Sie nicht Ihre Angst sind: Die Erweiterung des eigenen Selbstverständnisses
Die intensive Angst vieler Klienten führt oft dazu, dass ihr Selbstverständnis mit den ängstlichen Gefühlen und Gedanken verschmilzt. Die Gedanken, die in ihrem Kopf vorherrschen, sind so stark mit Angst verknüpft, dass sie diese nahezu automatisch empfinden, was wiederum weiteres ängstliches Denken anregt. Ihr Selbstverständnis wird zunehmend enger und begrenzter. In diesem Kapitel wird beschrieben, wie durch gezielte Übungen und Reflexionen den Klienten ein erweitertes Bild ihrer selbst vermittelt werden kann. Das Erkennen, dass man weit mehr ist als nur die eigenen Probleme, hilft, eine breitere Perspektive zu gewinnen und ein erfüllteres Leben zu führen.
Anhaftung an ein festes Selbstbild
Die ständige Fixierung auf eine starre Vorstellung vom eigenen Selbst führt zu einer gewissen Unflexibilität (Hayes, 2007). Man denke an Klienten, die in ihren Problemen feststecken. Häufig werden die Probleme zu einem Teil ihrer Identität. Programme wie die Zwölf-Schritte-Programme, etwa die Anonymen Alkoholiker, haben das Leben von Millionen von Menschen verändert und auch viele meiner Klienten maßgeblich unterstützt. Doch manchmal fällt auf, dass einige Teilnehmer in diesen Programmen anfangen, sich nur noch als Alkoholiker oder Abhängige zu sehen, als ob das alles ist, was sie sind. Natürlich ist es wichtig, diesen Teil der eigenen Identität zu erkennen, besonders wenn vorher eine Phase der Verleugnung bestand, doch wenn sich das gesamte Leben nur noch um den Verzicht dreht, wird es schwer, voranzukommen. In meinem Erfahrungshorizont gelingt es den meisten Klienten, die ihre Abhängigkeit überwinden, nicht nur diesen Teil von sich zu erkennen, sondern auch andere Dimensionen ihrer Identität zu leben, sei es als Elternteil, Partner, spirituelle Person oder Arbeiter. Wer mehr ist als nur seine Sucht, kann flexibler werden und Schritte in Richtung eines erfüllteren Lebens gehen.
In meiner Jugend war ich Besitzer einer Kampfsportschule. Mein Lehrer, Stephen K. Hayes, schätzte Geschichte und Tradition, doch er sagte oft: „Das Traditionellste, was wir tun können, ist, modern zu sein.“ Er meinte damit, dass die Techniken, die einst als modern galten, heute oft als überholt erscheinen. Wir müssen nicht exakt das tun, was vor 800 Jahren praktiziert wurde. Der Kern der Sache ist, die Prinzipien zu verstehen und sie in einem modernen Kontext anzuwenden. Nach Jahrzehnten der Beschäftigung mit Bildungstheorien und Pädagogik beschloss unser Lehrer, das Trainingscurriculum für unsere Kampfkunst zu reformieren. Als er weltweit alle Instruktoren versammelte, um das neue Curriculum vorzustellen, gab es massiven Widerstand, da die Identität vieler Instruktoren eng mit der alten Methode verknüpft war. „Nein! Ich will nicht ändern, was ich tue! Ich möchte alles beim Alten belassen!“ Unser Lehrer antwortete: „Was du als ‚traditionell‘ bezeichnest, habe ich vor Jahrzehnten entwickelt. Heute habe ich jedoch eine weitaus bessere Methode gefunden, diese Prinzipien für moderne Selbstverteidigung zu lehren.“ Ich persönlich ließ mich nicht in diese Rebellion hineinziehen, da meine gesamte Identität nicht an der Schule hing. Ich hatte Familie, Karriere, Hobbys und andere Interessen. Daher war ich bereit, die Änderungen zu akzeptieren. Diejenigen, die nur eine einzige Möglichkeit sahen, ihre Schule zu führen, konnten sich nicht anpassen. Ihre Schulen blieben klein oder mussten sogar schließen, weil sie unflexibel waren.
Ein ähnliches Phänomen beobachten wir bei Klienten mit Angst. Sie sagen häufig: „Ich bin ein ängstlicher Mensch.“ Wenn Angst zur Identität wird, fällt es schwer, flexibel zu bleiben. Ängstliche Menschen neigen dazu, keine Risiken einzugehen, keine öffentlichen Reden zu halten oder zu versuchen, ein erfülltes Leben zu führen. Doch wenn wir anerkennen, dass wir viel mehr sind als nur unsere Ängste, öffnen sich neue Möglichkeiten.
Selbst als Kontext
In der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) wird die Neigung, sich mit den eigenen Gedanken, Gefühlen, Erfahrungen und Rollen zu identifizieren, als „Selbst als Inhalt“ bezeichnet (Foody, Barnes-Holmes & Barnes-Holmes, 2012; Hayes, Strosahl & Wilson, 2012). Es ist schwierig, flexibel zu sein, wenn man sich selbst als seine ängstlichen Gedanken und Gefühle versteht. Doch wir können den Klienten helfen, zu erkennen, dass sie weit mehr sind als nur ihre Gedanken, ihre Probleme und ihre Ängste. Der Übergang zu „Selbst als Kontext“ bedeutet, zu begreifen, dass man der Raum ist, in dem Gedanken, Gefühle und Empfindungen entstehen. Wenn wir all diese Erfahrungen haben können, muss unser Selbst größer sein als diese Erfahrungen. Dies ist nicht nur ein trickreicher Ansatz, um Angst zu überwinden. Vielmehr geht es darum, den Klienten zu helfen, Raum für diese Gedanken, Emotionen und Empfindungen zu schaffen. Man lernt, mit Mitgefühl auf sich selbst und seine Erfahrungen zu schauen, statt gegen sie anzukämpfen. Dies ist ein grundlegender Unterschied – wenn Menschen mit ihren ängstlichen Gedanken und Gefühlen kämpfen, kämpfen sie in Wahrheit mit sich selbst. Kein Wunder, dass diese Menschen ein Leben lang kämpfen können. Es scheint, als würden sie ab und zu einzelne Schlachten gewinnen, aber sie können niemals den Krieg gegen sich selbst gewinnen.
Übung für Klienten
Ein hilfreiches Arbeitsblatt, das Klienten dabei unterstützt, ein erweitertes Bild von sich selbst zu entwickeln, ist das folgende:
Arbeitsblatt 4.1: Wer bin ich?
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Namen und Spitznamen, die ich verwendet habe:
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Berufe, die ich ausgeübt habe:
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Rollen in Beziehungen, die ich übernommen habe (Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Arbeiter usw.):
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Dinge, die mir gesagt wurden:
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Dinge, die ich über mich selbst gesagt habe:
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Körperliche Beschreibungen dessen, wer ich bin:
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Probleme, die ich hatte:
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Erfolge, die ich genossen habe:
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Weitere Antworten auf die Fragen „Wer bin ich?“ und „Was bin ich?“:
Wenn Sie diese Übung durchführen und vielleicht auch mehrmals wiederholen, werden Sie erkennen, dass Sie weit mehr sind als das, was Sie in einem bestimmten Moment wahrnehmen können. Auch wenn Ihre Probleme nicht verschwinden, wird es Ihnen leichter fallen, sie nicht als Ihre gesamte Identität zu begreifen.
Wie ACT in der Behandlung von Angststörungen angewendet wird und was dabei zu beachten ist
ACT, die Akzeptanz- und Commitment-Therapie, ist eine der am schnellsten wachsenden Therapieansätze weltweit. Seit ihrer Einführung wurde sie in mehr als 300 randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) untersucht, von denen viele spezifisch die Wirksamkeit bei der Behandlung von Angststörungen belegen (ACBS, 2020). Dabei zeigt sich, dass ACT in vielen Ländern Anwendung findet, darunter Großbritannien, Irland, Iran, China, Schweden, Australien, Korea, Indien, Zypern und viele weitere. Die Zahl der Studien wächst kontinuierlich, da die Gemeinschaft der ACT-Forscher immer weiter expandiert. ACT wird als „dritte Welle“ der Verhaltenstherapie betrachtet und baut auf den Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie (CBT) auf. Während die Verhaltenstherapie die erste Welle und die kognitive Therapie die zweite Welle bildete, erweitert ACT die theoretischen und praktischen Ansätze beider vorheriger Wellen.
ACT teilt viele Gemeinsamkeiten mit anderen „dritten Wellen“ der Therapie, wie der Achtsamkeitsbasierten Kognitiven Therapie (MBCT; Segal, Williams & Teasdale, 2013) und der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT; Linehan, 1993, 2014). Auch wenn diese Ansätze unterschiedliche Ursprünge haben, betrachten sich die Fachleute aus diesen Bereichen häufig als „Mitreisende auf dem gleichen Weg“. Während DBT speziell für Personen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt wurde und eine Vielzahl von Fertigkeiten zur Verbesserung des Lebens vermittelt, zielt MBCT auf die Entwicklung eines tiefen Verständnisses für Achtsamkeit und die Funktionsweise von Gedanken und Emotionen ab. MBCT dient vor allem der Prävention, indem es hilft, Rückfälle zu verhindern. Im Gegensatz zu diesen beiden Ansätzen wurde ACT von Anfang an als eine umfassende Therapie konzipiert, die nicht nur Prinzipien aus MBCT und DBT integriert, sondern auch alle anderen evidenzbasierten Ansätze einbezieht.
ACT kann in der Einzel-, Paar- und Gruppentherapie angewendet werden. Darüber hinaus hat es auch außerhalb der Therapie Anwendung gefunden, etwa im Coaching, in der Lehre und in der Beratung von Organisationen. Die Grundprinzipien und Techniken von ACT, speziell im Umgang mit Angststörungen, werden in dieser Arbeit durch klinische Fallbeispiele und Geschichten erläutert. Hierbei werden sowohl umfassende Prinzipien als auch spezifische praktische Techniken vermittelt, die sofort in die klinische Praxis integriert werden können – unabhängig von der eigenen therapeutischen Orientierung. Die Arbeitsblätter geben den Therapeuten die Möglichkeit, ihre eigenen Erfahrungen mit den Konzepten und Übungen zu reflektieren und an die Klienten weiterzugeben, damit diese ihre Ängste, wie generalisierte Angststörungen, Panik, Gesundheitsängste, Zwangsstörungen, Trauma und andere angstbezogene Probleme besser verstehen und bewältigen können.
Ein häufiges Problem für Therapeuten ist die Frustration, wenn sie wissen, wie sie ihren Klienten mit Angst helfen können, aber die Klienten nicht bereit sind, die notwendige Arbeit zu leisten. Wenn es gelingt, den Klienten ihre übergeordneten Lebenswerte näherzubringen, steigt ihre Motivation erheblich. Dieses Arbeitsbuch hilft Klienten, wieder Kontakt mit ihren Werten aufzunehmen und die wissenschaftlichen Prinzipien von ACT in ihrem Alltag zwischen den Therapiesitzungen zu integrieren. Forschungsergebnisse zeigen, dass das Leben nach den eigenen Werten das Leiden verringern kann (Gloster et al., 2017). Wenn man jedoch zunächst versucht, das Leiden zu beseitigen, führt das nicht zwangsläufig zu einem bedeutungsvollen Leben. Wenn wir einen wichtigen Grund finden, zu leben, sind wir eher bereit, unangenehme Gedanken, belastende Emotionen und körperliche Beschwerden zu akzeptieren, wenn sie auftreten. Niemand möchte sich mit Problemen auseinandersetzen oder sich unwohl fühlen, aber wenn wir das finden, was uns wirklich wichtig ist, wird unser Leben reicher und bedeutungsvoller.
Ein wichtiger Aspekt von ACT ist, dass es sich nicht darum dreht, Angst zu beseitigen, sondern darum, ein erfülltes Leben zu führen, selbst wenn dabei etwas Angst vorhanden ist. Die Herausforderung besteht darin, die Angst nicht als Feind zu betrachten, sondern als einen Teil des Lebens, mit dem man lernen muss zu leben, während man sich weiterhin den eigenen Werten und Zielen zuwendet.
Therapeuten müssen darauf achten, dass sie sich nicht zu sehr auf die Beseitigung von Angst konzentrieren, sondern den Klienten darin unterstützen, ein Leben zu schaffen, das für sie lebenswert ist, auch wenn Ängste ein Teil dieses Lebens bleiben. Das Ziel ist nicht, die Angst zu eliminieren, sondern dem Klienten zu helfen, sich auf das Wesentliche im Leben zu fokussieren. Dieses Prinzip wird auch in diesem Arbeitsbuch ausführlich behandelt, indem praktische Techniken vermittelt werden, die den Klienten dabei helfen, sich mit ihrer Angst auseinanderzusetzen und ihre eigenen Werte zu erkennen.
Obwohl dieses Arbeitsbuch Techniken bietet, die Therapeuten sofort in ihre Praxis integrieren können, ist es für den erfolgreichen Einsatz von ACT unerlässlich, eine umfassende, erfahrungsorientierte Ausbildung in ACT zu absolvieren. Nur das bloße Lesen und Sprechen über ACT reicht nicht aus. Worte sind lediglich ein Aspekt des menschlichen Erlebens, und oft kann es sein, dass man in den Worten stecken bleibt, sowohl bei sich selbst als auch beim Klienten. ACT ist mehr als nur die Arbeit mit Gedanken – es ist ein Prozess, der oft auch nonverbale Elemente umfasst. Mit zunehmender Erfahrung und Praxis wird sich ein immer tieferes Verständnis dieses Ansatzes entwickeln. Tatsächlich sagen viele ACT-Experten und -Autoren selbst, dass sie ACT zwar praktizieren und lehren, aber nicht sicher sind, ob sie es vollständig „verstehen“. Dies zeigt, wie komplex dieser Ansatz sein kann.
Eine interessante Studie verdeutlicht dies (Lappalainen et al., 2007). Eine Gruppe von Studenten, die in einer universitären Beratungsstelle arbeiteten, wurde entweder in CBT oder in ACT geschult. Nachdem die beiden Gruppen ihre jeweiligen Ansätze in der Praxis angewendet hatten, wurden sie interviewt. Die CBT-Therapeuten gaben an, dass sie sich sicher fühlten und die Prinzipien gut verstanden und in den Sitzungen angewendet hatten. Die ACT-Therapeuten hingegen gaben zu, dass sie sich unsicher fühlten und nicht ganz sicher waren, wie die Sitzungen verlaufen sind. Interessanterweise berichteten die Klienten der ACT-Therapeuten von besseren Fortschritten bei der Symptomverbesserung. Diese Studie zeigt, dass es nicht immer um das eigene Komfortniveau geht, sondern darum, den Klienten auf seinem Weg zu begleiten und ihnen zu helfen, mit ihren Ängsten und Unsicherheiten zu leben.
Wichtig für den Erfolg von ACT ist die Haltung des Therapeuten, der die Ungewissheit akzeptiert und nicht sofort versucht, diese zu beseitigen oder mit Worten zu fixieren. Die Bereitschaft, mit dem Klienten in diesem unklaren Raum zu arbeiten, ist ein wesentlicher Bestandteil des therapeutischen Prozesses. Nur durch diese Offenheit und Flexibilität können Klienten einen Weg finden, mit ihrer Angst zu leben, ohne sich von ihr beherrschen zu lassen.

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