Das Leben kann uns in schwierige Situationen führen, die von belastenden Emotionen und Gedanken begleitet werden. In solchen Momenten scheint es oft schwer, die eigenen Werte zu erkennen, da die Probleme überwältigend erscheinen. Doch gerade in solchen Phasen kann es entscheidend sein, die Verbindung zu den eigenen Werten wiederherzustellen. Ein Werkzeug, das sich in der strategischen Therapie als nützlich erweist, ist die sogenannte „Magische- Wand-Übung“. Sie fordert die Klienten auf, sich vorzustellen: „Wenn ich einen Zauberstab hätte und alle Hindernisse aus meinem Leben entfernen könnte, was würde ich mir mehr wünschen?“ Oft neigen Klienten dazu, diese Frage mit Mitteln zu beantworten, anstatt mit tiefgründigen Werten. Wenn etwa die Antwort lautet „Ich möchte einfach reich sein“, kann man nachhaken und fragen: „Und wenn du reich wärst, was würdest du dann tun?“ Durch diese Vertiefung kommt man der Frage näher, was wirklich im Leben zählt.

Eine vertiefende Übung zu diesem Thema ist das Arbeiten mit den Werten über ein einfaches, aber tiefgründiges Fragen. Diese Technik, ursprünglich von Stephen K. Hayes entwickelt, wurde zunächst in einem meditativen Kontext genutzt, um einen Zustand jenseits von Worten zu erreichen. In einem Dialog stellt eine Person immer wieder die Frage: „Was möchtest du?“ und vertieft sich dann mit der Frage: „Und wenn du das hättest, was würde dir das noch viel Wichtiges bringen?“ Auch wenn die Antwort zu Beginn auf etwas Alltägliches wie ein neues Auto hinweist, führt das fortwährende Hinterfragen letztlich zu abstrakteren, aber bedeutungsvolleren Begriffen wie Freiheit, Frieden oder Liebe. Wenn man diese Übung für sich allein nutzt, kann man sich fragen: „Und wenn ich das hätte, was würde mir das noch viel Wichtigeres bringen?“ Dies eröffnet neue Perspektiven auf das, was im Leben wirklich von Bedeutung ist.

Die Arbeit an den eigenen Werten kann durch das Ausfüllen von Arbeitsblättern vertieft werden. Ein Beispiel ist das Arbeitsblatt 2.4 „Und wenn du das hättest, was würde dir das noch viel Wichtiges bringen?“. Es geht darum, sich nicht nur auf oberflächliche Wünsche zu konzentrieren, sondern zu erkunden, was hinter diesen Wünschen liegt. Es ist wichtig, sich Zeit zu nehmen, um tiefer in diese Fragen einzutauchen und nicht nur die sofort naheliegenden Antworten zu geben. Eine solche Übung kann helfen, sich mit den Werten auseinanderzusetzen, die wirklich das Leben bereichern.

Ein weiteres Arbeitsblatt, das den Prozess der Wertfindung unterstützt, ist das Arbeitsblatt 2.5 „Mein idealer Tag“. In dieser Übung geht es darum, sich vorzustellen, wie der perfekte Tag aussehen würde, wenn es keine äußeren Einschränkungen gäbe. Der Zweck dieser Übung ist es nicht, die idealen Bedingungen zu erreichen, sondern vielmehr, sich bewusst zu machen, was im Leben wirklich wichtig ist. Es ist eine Einladung, über allgemeine Wünsche wie Gesundheit, Wohlstand oder Beziehungen hinauszudenken und sich eine konkrete Vorstellung davon zu machen, wie der ideale Tag aussehen würde, wenn all diese Wünsche erfüllt wären. Hierbei geht es darum, die eigenen Prioritäten zu erkennen und zu verstehen, was man wirklich im Leben möchte.

Wenn man die Frage stellt: „Was würde mein idealer Tag beinhalten?“ sollte man versuchen, so konkret wie möglich zu sein. Anstatt zu sagen „Ich möchte Zeit mit meiner Familie verbringen“, sollte man überlegen, wie diese Zeit aussehen würde. Was genau würde man mit seiner Familie tun? Was ist es, was dieser Wunsch wirklich bedeutet? Die praktische Seite des Gehirns kann versuchen, solche Vorstellungen zu bewerten oder abzulehnen, da sie nicht sofort realisierbar erscheinen. Doch es ist wichtig, diese Urteile beiseite zu legen und die Fantasie zuzulassen, auch wenn die Vorstellung von einem „perfekten Tag“ in der Realität nicht sofort umsetzbar ist.

Ein wichtiger Punkt bei dieser Übung ist es, sich nicht von den eigenen Ängsten oder Zweifeln abhalten zu lassen, sondern den Raum zu schaffen, um zu erkennen, was man wirklich vom Leben erwartet. In vielen Fällen sind es die kleineren, alltäglichen Dinge, die uns am meisten erfüllen, und gerade diese Dinge bleiben oft unbemerkt, weil wir uns auf größere, abstraktere Ziele konzentrieren. Wenn man sich fragt, was einem im Leben wirklich wichtig ist, stellt man oft fest, dass die wahren Wünsche und Werte viel näher und zugänglicher sind, als man zunächst denkt.

Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass Klienten auf die Frage nach ihren Werten mit „Es ist mir egal“ oder „Ich weiß nicht“ antworten. Solche Reaktionen sind oft durch Angst oder Unklarheit über die eigenen Bedürfnisse bedingt. In solchen Fällen hilft es, den Fokus auf die konkreten Handlungen zu legen. Wenn jemand etwa sagt, dass es ihm egal ist, kann man nachfragen: „Was hast du heute getan, und warum hast du das getan?“ Dies kann helfen, versteckte Werte ans Licht zu bringen. Wenn ein Klient beispielsweise sagt, dass er heute das Bett verlassen hat, weil er sonst Angst bekommt, zeigt dies eine tief verwurzelte Wertschätzung für die eigene Freiheit und Selbstbestimmung. Durch die gezielte Untersuchung des Alltagsverhaltens kann man oft die zugrunde liegenden Werte erkennen.

Um zu verstehen, was wirklich zählt, muss man sich nicht nur auf das konzentrieren, was man besitzt oder erreichen möchte, sondern darauf, wie man das Leben erlebt und welche Bedeutung man ihm zuschreibt. Der Umgang mit Werten erfordert ein offenes, selbstreflexives Vorgehen, bei dem der Prozess des Fragens und Hinterfragens entscheidend ist. Wichtiger als eine schnelle Antwort ist es, geduldig zu bleiben und sich mit den Antworten auseinanderzusetzen, die im Laufe der Zeit auftauchen.

Wie man Gedanken loslässt: Die Bedeutung von Entfusion im Umgang mit Angst und Beziehungen

In der Arbeit mit Klienten, die an Angstzuständen leiden, begegnet man immer wieder dem Konzept der sogenannten „Entfusion“ – dem Prozess, Gedanken nicht zu einem festen Teil von sich selbst werden zu lassen. Ein anschauliches Beispiel, das Klienten oft hilft, dieses Konzept zu verstehen, könnte folgendermaßen lauten: „Aufgrund deiner Vergangenheit wirst du immer, wenn du an ein Date denkst, die Vorstellung haben, dass der andere dich betrügen wird. Das ist einfach, was dein Gehirn tut. Es wird automatisch diese Bewertung abgeben. Bist du bereit, trotzdem das Telefon zu nehmen und das Date zu vereinbaren?“ Solche Momente sind für Klienten erhellend, weil sie beginnen zu erkennen, dass ihre Gedanken nicht die Realität bestimmen müssen. Sie verstehen, dass Gedanken zwar wertvoll sein können, dass das Leben jedoch nicht dazu da ist, ausschließlich durch Überlegungen und Problemlösungen verstanden zu werden – es ist dazu da, gelebt und erfahren zu werden.

Ein weiterer Gedanke, den viele Klienten hilfreich finden, stammt von Kelly Wilson. Er fragt oft seine Kollegen: „Siehst du deine Klienten als ein Mathematikproblem oder als einen Sonnenuntergang?“ Diese einfache, aber tiefgehende Frage regt dazu an, zu reflektieren, wie wir das Leben betrachten. Ist es ein Problem, das es zu lösen gilt, oder eine Erfahrung, die es zu genießen gilt? Der bekannte Psychologe J. J. van der Leeuw sagte einmal: „Das Geheimnis des Lebens ist kein Problem, das gelöst werden muss, sondern eine Realität, die erlebt werden will.“ In vielen Lebensbereichen müssen wir Probleme analysieren und Lösungen finden, doch die Frage bleibt: Können wir uns von der Vorstellung lösen, dass alles, was wir erleben, ein Problem sein muss? Können wir das Leben als eine Sammlung von Erlebnissen verstehen und nicht nur als eine Aneinanderreihung von Herausforderungen?

Insbesondere bei Angststörungen tendieren Menschen dazu, das Leben als eine Reihe von Problemen zu betrachten, die alle eine Lösung erfordern. Das Gehirn versucht ständig, die möglichen Probleme der Zukunft zu antizipieren und Lösungen zu finden. Diese Denkweise kann dazu führen, dass wir in einer endlosen Schleife von „Was-wäre-wenn“-Szenarien gefangen sind, was unsere Fähigkeit beeinträchtigt, im Moment zu leben und das Leben zu genießen. Besonders in zwischenmenschlichen Beziehungen kann diese Denkweise problematisch sein. Wer in der Vergangenheit oft enttäuscht wurde, neigt dazu, Beziehungen als Probleme zu sehen, die es zu analysieren oder zu „reparieren“ gilt. Doch auch wenn reale Probleme in Beziehungen existieren können, sind Menschen nicht nur Probleme, die es zu lösen gilt. Sie sind komplexe, wunderbare Wesen, die es wert sind, in ihrer Gegenwart einfach nur zu sein.

Die Frage, die sich stellt, ist: Kannst du diese Momente der Beziehung genießen, ohne sie sofort analysieren oder verbessern zu wollen? Wie oft behandeln wir Beziehungen, unseren Alltag oder sogar unsere Hobbys als mathematische Probleme, die eine Lösung erfordern? Was passiert, wenn wir beginnen, diese Dinge mehr wie einen Sonnenuntergang zu sehen – einfach um sie zu erleben und zu schätzen, ohne sie zu analysieren oder zu bewerten?

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass der Umgang mit Gedanken und Emotionen ein zentraler Bestandteil der Arbeit mit Angst ist. Eine der häufigsten Missverständnisse bei der Behandlung von Angstzuständen ist der Glaube, dass es darum geht, keine Angst oder unangenehmen Gefühle mehr zu haben. Doch das ist nicht das Ziel. Emotionen sind ein wesentlicher Bestandteil des Menschseins. Sie verleihen dem Leben Tiefe und Bedeutung. Was wir jedoch vermeiden wollen, ist, in diesen Emotionen stecken zu bleiben und sie unser Verhalten steuern zu lassen.

Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Unterscheidung zwischen „sauberer“ und „verschmutzter“ Angst. „Saubere“ Angst sind natürliche Reaktionen auf reale, gegenwärtige Herausforderungen oder Bedrohungen. Sie ist nicht das Problem, sondern eine gesunde Reaktion auf die Realität. „Verschmutzte“ Angst hingegen entsteht, wenn wir uns unnötig mit unseren Ängsten und Gedanken beschäftigen und in diesen immer wieder festhängen. Diese unnötigen Sorgen hindern uns daran, im Moment zu leben und uns auf die Dinge zu konzentrieren, die wir tatsächlich tun können, um unser Leben aktiv zu gestalten.

Es ist entscheidend, sich von der Vorstellung zu lösen, dass alles gelöst werden muss. Manchmal ist es genug, einfach da zu sein, den Moment zu erleben und das Leben in seiner vollen Tiefe zu erfahren. Wer diese Sichtweise in sein Leben integriert, wird feststellen, dass es immer mehr „Sonnenuntergänge“ gibt als „Mathematikprobleme“.

Ein Schritt in diese Richtung ist, sich jeden Tag bewusst Momente zu suchen, in denen man etwas weniger als Problem und mehr als Erfahrung sehen kann. Dies kann durch kleine, aber bedeutsame Veränderungen geschehen, wie etwa einen Moment der Ruhe zu genießen, anstatt sofort mit Problemlösungen zu beginnen. Es könnte auch bedeuten, den Moment zu schätzen, wenn man mit einem Freund spricht, ohne sofort zu analysieren, was gesagt wurde oder wie der andere fühlt. Indem man immer wieder solche Momente der Präsenz schafft, kann sich das Leben allmählich von einer Reihe von Problemen in eine Reihe von Erlebnissen verwandeln, die es wert sind, geschätzt und genossen zu werden.