In der systemischen Therapie wird zunehmend der kreative Einsatz von Kunst, Filmografie, Literatur, Musik und Ikonografie als wertvolles Mittel betrachtet, um Klienten dabei zu unterstützen, neue Erzählungen und Perspektiven zu entwickeln. Diese kreativen Medien ermöglichen es, den Blick auf die eigenen Erfahrungen zu erweitern und alternative emotionale Zustände zu aktivieren. Die Vorstellungskraft wird als ein Schlüsselmechanismus verstanden, der die Veränderung von festgefahrenen Denkmustern und emotionalen Reaktionen fördert.
Die systemische Perspektive betrachtet den Menschen nicht isoliert, sondern als Teil eines komplexen Beziehungsgeflechts. Um dieses Netz von Verbindungen zu durchdringen und zu verändern, sind neue Erzählungen von Bedeutung. Diese Erzählungen können dazu beitragen, die Bedeutung und die Dynamik von zwischenmenschlichen Beziehungen neu zu interpretieren. Kunst und andere kreative Ausdrucksformen bieten eine Möglichkeit, sich von der fixierten Wahrnehmung der eigenen Realität zu befreien und auf symbolische Weise Zugang zu unbewussten Gedanken und Gefühlen zu erhalten.
Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von Filmen oder literarischen Werken, um den Klienten zu helfen, sich mit bestimmten emotionalen oder relationalen Konflikten auseinanderzusetzen. Indem Klienten sich in die Charaktere eines Films oder Buches hineinversetzen, können sie ihre eigenen Konflikte aus einer anderen Perspektive sehen und möglicherweise neue Lösungsansätze entwickeln. Es ist oft weniger schmerzhaft, über die Erlebnisse von fiktiven Charakteren nachzudenken, als direkt über die eigenen Erfahrungen zu sprechen. Diese Distanz ermöglicht eine tiefere Reflexion und schafft Raum für Veränderung.
Die Verwendung von Musik kann ebenfalls eine starke emotionale Resonanz erzeugen, die die Therapie vertiefen und neue emotionale Zustände hervorrufen kann. Musik hat die Fähigkeit, Stimmungen zu beeinflussen und tiefe emotionale Reaktionen zu wecken, ohne dass die Klienten sich vollständig bewusst damit auseinandersetzen müssen. Diese nicht-verbale Ausdrucksform kann als Medium dienen, um tiefer liegende Emotionen zu erfassen, die möglicherweise im Gespräch nicht so leicht zugänglich sind.
Darüber hinaus kann Ikonografie in der systemischen Therapie genutzt werden, um Symbolik und Bedeutung zu vermitteln. Bilder und Symbole bieten einen visuellen Zugang zu tiefen, oft unbewussten Assoziationen und helfen dabei, den Prozess der Selbstwahrnehmung und -transformation zu fördern. Eine bestimmte Darstellung oder ein Bild kann den Klienten dazu anregen, seine eigene Lebensgeschichte in einer neuen Art und Weise zu betrachten und zu interpretieren.
Die therapeutische Anwendung von Kreativität in der systemischen Arbeit ermöglicht es den Klienten, ihre eigene Geschichte zu „umzuschreiben“, neue Rollen auszuprobieren und sich in einer anderen, befreienden Weise zu sehen. Diese Prozesse können durch verschiedene künstlerische Disziplinen unterstützt werden, was in der systemischen Arbeit nicht nur eine Möglichkeit zur Veränderung von Denkmustern darstellt, sondern auch die Chance bietet, die emotionalen Blockaden der Klienten zu lösen und neue, kreative Wege im Umgang mit Konflikten zu finden.
Neben diesen kreativen Hilfsmitteln ist es von Bedeutung, dass der Therapeut die emotionalen und psychischen Reaktionen des Klienten während des kreativen Prozesses aufmerksam beobachtet. Oftmals kann die Art und Weise, wie ein Klient auf ein bestimmtes Kunstwerk oder eine Geschichte reagiert, wichtige Hinweise auf die zugrunde liegenden emotionalen Konflikte geben. Diese Reaktionen können genutzt werden, um tieferliegende Themen zu identifizieren und gezielt zu bearbeiten.
Es ist außerdem wichtig zu verstehen, dass die systemische Therapie, insbesondere wenn sie durch kreative Mittel ergänzt wird, den Klienten nicht nur als Einzelperson betrachtet, sondern stets im Kontext ihrer familiären und sozialen Beziehungen. Neue Erzählungen und Geschichten bieten die Möglichkeit, familiäre Muster und Generationenübergreifende Dynamiken zu hinterfragen und zu transformieren. Der kreative Einsatz von Kunst und anderen Medien kann somit auch dazu beitragen, die Interaktionen innerhalb des Familiensystems zu verbessern und eine tiefere emotionale Verständigung zwischen den Klienten und ihren Bezugspersonen zu ermöglichen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der kreative Einsatz von Kunst, Literatur, Musik und anderen Medien in der systemischen Therapie eine wertvolle Ergänzung darstellt. Sie ermöglichen es, neue Perspektiven zu eröffnen, emotionale Blockaden zu lösen und die Klienten zu ermutigen, ihre eigene Geschichte neu zu erzählen. In der Verbindung von Kreativität und systemischer Theorie liegt ein Potenzial, das tiefgehende therapeutische Veränderungen hervorrufen kann.
Wie funktioniert systemische Mehrfamilientherapie im Online-Format und welche Herausforderungen bringt sie mit sich?
Die Übertragung systemischer Mehrfamilientherapie in den Online-Raum erfordert eine umfassende Anpassung sowohl methodischer als auch technischer Aspekte. Online-Plattformen bieten weniger Gestaltungsmöglichkeiten als Präsenzsettings, eröffnen jedoch auch neue Potenziale. So ermöglichen sie etwa die Aufteilung der Teilnehmer in Break-out-Räume oder die Beschränkung der Bildschirmanzeige auf interagierende Personen, wodurch unbeteiligte Beobachter ausgeblendet werden können. Dies unterstützt die Konzentration auf das therapeutische Geschehen und minimiert Ablenkungen. Um die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden zu erhalten, sollten Rollenspiele online kürzer gestaltet werden als im persönlichen Kontakt. Während der Übungen empfiehlt es sich, die Kameras und Mikrofone der nicht aktiv Mitwirkenden auszuschalten und anschließend im Reflexionsgespräch die Aufmerksamkeit auf die Spieler zu lenken, die ihre Kameras anbehalten, um den Blickkontakt zu bewahren.
Eine weit verbreitete Technik in der Online-Mehrfamilientherapie ist eine adaptierte, vereinfachte Version des reflektierenden Teams, welches sich an Andersen (1987) orientiert. Die begrenzte Bildschirmfläche erschwert die spontane Kommunikation unter den Therapeut*innen, da oft instruktive Erklärungen nötig sind, wie und wo die Teilnehmenden klicken sollen. Mit der Zeit gewöhnen sich die Gruppenmitglieder an die technischen Abläufe, wodurch sich die Interaktion erleichtert und beschleunigt. Analoge Werkzeuge und spielerische Techniken, die in der Präsenztherapie zentral sind, können auch online kreativ genutzt werden. So lassen sich beispielsweise Genogramme durch persönliche Fotos oder Gegenstände aus dem häuslichen Umfeld der Familienmitglieder ergänzen, die symbolisch für einzelne Personen stehen und deren Bedeutung im therapeutischen Prozess erläutert wird. Vorbereitete Zeichenmaterialien können eingesetzt werden, um Emotionen durch Zeichnungen oder Emoticons auszudrücken. Ebenso bietet die digitale Umgebung Zugang zu analogen, digitalen Werkzeugen, die insbesondere bei Mehrfamilientherapien ihre Anwendung finden.
Die Online-Therapie zeigt oft eine erhöhte Spontaneität und Kreativität. Dies kann damit zusammenhängen, dass sich Familienmitglieder in ihrem häuslichen Umfeld sicherer und wohler fühlen. Gleichzeitig bringt die Online-Modalität spezifische Herausforderungen mit sich: Konfliktsituationen in den Familienhäusern können schwerer intervenierbar sein, die Therapeut*innen arbeiten in einem fragmentierten „Cyberraum“ und haben oft das Gefühl, den Überblick zu verlieren. Die fehlende verkörperte Kommunikation erschwert das Erfassen nonverbaler Emotionen, und äußere Ablenkungen können bei allen Beteiligten die Konzentration stören.
Zur Evaluation und Weiterentwicklung der Online-Mehrfamilientherapie wurden die Teilnehmer*innen nach Abschluss der Behandlung sowie nach sechs Monaten mittels eines offenen Fragebogens befragt. Die Rückmeldungen flossen in eine qualitative Analyse ein, die vier Hauptthemen herausarbeitete: wahrgenommene Veränderungen durch die Teilnahme, hilfreiche Aspekte wie das Teilen von Erfahrungen, Herausforderungen wie das Gefühl von Scham und Exponiertsein sowie die Vor- und Nachteile des Online-Formats. Trotz der begrenzten körperlichen Interaktion konnte ein starkes Gefühl der Verbundenheit und „Familienzusammengehörigkeit“ auch im virtuellen Raum etabliert werden.
Ein exemplarischer Fall verdeutlicht die Dynamik der Online-Mehrfamilientherapie während der Pandemie. In einer Gruppe mit fünf Familien, darunter auch getrennt lebende Elternteile, nahmen insgesamt zwölf Mitglieder teil. Trotz der Distanz und unterschiedlichen Lebenssituationen konnten vielfältige familiäre Verbindungen und therapeutische Prozesse entstehen, die im Online-Format überraschend gut funktionierten.
Wichtig bleibt die Erkenntnis, dass Online-Mehrfamilientherapie keine bloße Übertragung des Präsenzformats ist, sondern eine eigene Qualität und Dynamik besitzt. Das Umfeld des eigenen Zuhauses bietet neue Ressourcen, zugleich erfordert es erhöhte Achtsamkeit bezüglich technischer und emotionaler Rahmenbedingungen. Die Berücksichtigung von Nonverbalem und die Fähigkeit, spontane Momente auch digital zu nutzen, sind entscheidend. Außerdem ist die Offenheit für neue digitale Werkzeuge und deren kreativen Einsatz maßgeblich für die Wirksamkeit der Online-Mehrfamilientherapie. Nur so kann trotz räumlicher Distanz eine tiefe therapeutische Verbundenheit und Veränderung ermöglicht werden.
Wie die virtuelle dritte Dimension die Paartherapie online verändert: Chancen und Herausforderungen
Die Online-Therapie stellt die traditionelle Wahrnehmung von Beziehungen und therapeutischen Prozessen auf den Kopf, indem sie den Begriff der „virtuellen dritten Dimension“ einführt. Dieser Begriff, der in der psychotherapeutischen Praxis zunehmend an Bedeutung gewinnt, beschreibt einen gemeinsamen Raum, der von den beiden Parteien – dem Therapeuten und den Klienten – innerhalb eines digitalen Rahmens geschaffen wird. In diesem Raum gibt es keine physischen Begrenzungen, was es ermöglicht, zwischen den Dimensionen der physischen und emotionalen Präsenz zu navigieren. Das Konzept eröffnet die Möglichkeit, die Interaktionen zwischen den Klienten und dem Therapeuten in einem neuen Licht zu betrachten und über die gewöhnlichen physischen und sozialen Normen hinauszugehen.
Ein zentraler Aspekt der virtuellen dritten Dimension ist ihre Fähigkeit, das traditionelle Verständnis von Körper und Geist herauszufordern. In der Vergangenheit wurde oft angenommen, dass der Körper und der Geist zwei voneinander getrennte und unterschiedliche Entitäten sind. Diese binäre Sichtweise ist in der digitalen Therapie nicht mehr haltbar, da die virtuelle dritte Dimension zeigt, dass sowohl der digitale als auch der physische Raum miteinander verflochten sind und sich gegenseitig bedingen. Diese Erkenntnis bietet den Therapeuten eine neue Perspektive auf das Verhältnis zwischen den Klienten und der digitalen Plattform, auf der die Therapie stattfindet.
Besonders in der Paartherapie eröffnet dieser Ansatz neue Wege für die Erkundung von Beziehungen. In der traditionellen Therapie gibt es klare Grenzen zwischen den Gesprächspartnern, oft auch eine unüberbrückbare physische Distanz. Durch den virtuellen Raum können diese Grenzen jedoch neu definiert werden. Der „Home-Visit“-Effekt spielt dabei eine entscheidende Rolle: Die Tatsache, dass Paare sich in ihrem eigenen Zuhause befinden, führt zu einer unmittelbaren emotionalen Verbindung, die oft zu einer stärkeren Offenheit und Intimität im Gespräch führt. Diese neue Form der Nähe kann dazu beitragen, dass die Paare ihre Beziehungen mit mehr Empathie und Verständnis betrachten, da der Raum, in dem sie sich befinden, ihre Interaktionen in eine neue Dimension hebt.
Ein weiteres Element, das durch die virtuelle dritte Dimension ermöglicht wird, ist die Veränderung der Wahrnehmung von Identität und Autonomie. Durch den digitalen Raum können Klienten und Therapeuten neue Kommunikationsmethoden und Problemlösungsansätze entwickeln, die in der physischen Welt möglicherweise nicht möglich wären. Einige Paare empfinden es sogar als vorteilhaft, ihre Therapiesitzungen aus ihrem Schlafzimmer heraus zu führen, da dies eine vertraute und komfortable Umgebung bietet, die es ihnen ermöglicht, ihre Beziehungsprobleme offen anzusprechen.
Die Rolle des Therapeuten in diesem digitalen Raum wird ebenfalls neu definiert. Das Konzept des „Selbst des Therapeuten“ – wie es von Aponte und Kissil (2016) beschrieben wird – ist in der virtuellen Therapie von zentraler Bedeutung. Therapeuten müssen nicht nur über technologische Kompetenz verfügen, sondern auch ein hohes Maß an Selbstbewusstsein entwickeln. Nur so können sie ihre eigenen emotionalen Reaktionen und Vorurteile erkennen und verhindern, dass diese die therapeutische Beziehung negativ beeinflussen. In einem digitalen Raum ist es besonders wichtig, dass der Therapeut ein sicheres Umfeld schafft, in dem Klienten ihre inneren Welten ohne Angst vor Verurteilung erforschen können. Das Selbstbewusstsein des Therapeuten ist somit ein entscheidender Faktor für die Tiefe und den Erfolg des therapeutischen Prozesses.
Die kognitive und neurologische Forschung bestätigt, dass unsere physischen Erfahrungen unser Denken und Verhalten beeinflussen. Im Kontext der Online-Therapie bedeutet dies, dass der digitale Raum nicht nur als technisches Medium, sondern auch als eine Art Erweiterung des physischen Raums betrachtet werden muss. Die Interaktionen, die in diesem Raum stattfinden, beeinflussen die Wahrnehmung und das Verhalten der Klienten. Der virtuelle Raum stellt also eine neue Form von Präsenz dar, die die physische Distanz überbrückt und eine tiefere Verbindung zwischen Klienten und Therapeuten ermöglicht.
Im Hinblick auf die klinische Praxis stellt das Modell der virtuellen dritten Dimension einige Empfehlungen auf. Therapeuten müssen ein tiefes Verständnis für die verschiedenen technologischen und kulturellen Gegebenheiten entwickeln, in denen ihre Klienten agieren. Dies umfasst nicht nur die technische Kompetenz, sondern auch das Bewusstsein für kulturelle Unterschiede und Zeitzonenkonflikte. Eine fundierte Kenntnis dieser Aspekte ist unerlässlich, um die emotionalen und psychologischen Bedürfnisse der Klienten richtig einordnen und unterstützen zu können.
Darüber hinaus ist „Telepräsenz“ ein wichtiger Bestandteil dieses Modells. Telepräsenz bezieht sich nicht nur auf die technische Verbindung, sondern auf die Authentizität und Tiefe der virtuellen Interaktionen. Therapeuten müssen in der Lage sein, eine qualitativ hochwertige Präsenz zu vermitteln, die es den Klienten ermöglicht, sich trotz der physischen Distanz sicher und gehört zu fühlen. Die Grenze zwischen dem persönlichen Raum der Klienten und dem therapeutischen Raum kann sich im digitalen Setting verwischen, was besondere Sensibilität und Professionalität von den Therapeuten verlangt.
Die Vorteile der digitalen Plattform, wie die Nutzung von Multimedia-Ressourcen (Videos, Audio-Clips, interaktive Tools), können den therapeutischen Prozess bereichern, wenn sie richtig eingesetzt werden. Diese digitalen Hilfsmittel ermöglichen es, emotionale Reaktionen zu verstärken und tiefere Einblicke in die Dynamik der Beziehung zu gewinnen. Dennoch erfordert die Online-Therapie spezifische Schulungen für Therapeuten, da nicht jeder Klient von dieser Form der Therapie profitiert. Paare in hochkonfliktbeladenen Beziehungen oder mit wenig technischer Erfahrung könnten unter Umständen zusätzliches Stresspotenzial erleben.
In einem Fallbeispiel von John und Lacy, die eine Fernbeziehung führen und sich mit der Frage der Heirat auseinandersetzen, wird die Bedeutung der virtuellen dritten Dimension noch deutlicher. Die digitale Therapie bietet den beiden Paaren die Möglichkeit, ihre Probleme im vertrauten Rahmen ihres eigenen Zuhauses anzugehen, ohne die Barrieren einer physischen Sitzung zu überwinden. Während Lacy anfangs skeptisch gegenüber der Online-Therapie war, stellt sich heraus, dass die virtuelle Plattform für sie und John einen sicheren Raum schafft, um über ihre beziehungsrelevanten Themen zu sprechen. Die therapeutische Sitzung wird durch diese „virtuelle Präsenz“ vertieft und bietet eine Möglichkeit, auf intimen und zugleich professionellen Weg zu einer Lösung zu kommen.
Endtext
Wie beeinflusst das Gesetz des Flusses die Verteilung von Wohlstand und Ungleichheit in der Gesellschaft?
Wie kann Infrastruktur als Code (IaC) zu betrieblicher Resilienz und Agilität beitragen?
Wie reflektieren antike indische Quellen das historische Bewusstsein?

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